Wenn ein Istversteuerer Leistungen an einen anderen Istversteuerer erbringt

Der jahrelangen deutschen Praxis, dass der Vorsteuerabzug auch dann bereits im Zeitpunkt des Bezugs der Leistung möglich ist, auch wenn der Leistende als Istversteuerer sein Entgelt noch nicht erhalten hat und damit seine Ausgangssteuer noch nicht entstanden ist, hat der Europäische Gerichtshof verworfen.

Hintergrund

Die Beteiligten streiten darum, ob der Vorsteuerabzugsanspruch des Leistungsempfängers nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bereits mit der Ausführung der Leistung oder erst mit der Entrichtung des Entgelts entsteht, wenn der Leistungserbringer die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet (sog. Istversteuerer).

Die Klägerin erzielte in den Streitjahren Umsätze mit der Vermietung eines Gewerbegrundstücks, das sie ihrerseits gemietet hatte. Sowohl die Klägerin als auch ihre Vermieterin hatten wirksam auf die Steuerbefreiung für derartige Vermietungsumsätze verzichtet und somit zur Umsatzsteuer optiert. Beiden war von der Finanzverwaltung gestattet worden, die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten, sondern nach den vereinnahmten Entgelten zu berechnen.

Ab dem Jahr 2004 wurden die Mietzahlungen der Klägerin teilweise gestundet. Dies hatte zur Folge, dass die Klägerin in den Streitjahren 2013 – 2016 Zahlungen für die Grundstücksüberlassung in den Jahren 2009 – 2012 leistete. In den Zahlungen waren jeweils 19 % Umsatzsteuer enthalten. Die Klägerin machte ihren Vorsteuerabzugsanspruch – unabhängig von dem Mietzeitraum, für den die Zahlungen bestimmt waren – immer in dem Voranmeldezeitraum bzw. Kalenderjahr geltend, in dem die Zahlung erfolgte.

Das beklagte Finanzamt beanstandete dieses Vorgehen und erließ geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2013 – 2016. Nach Auffassung des Finanzamts war der Vorsteuerabzug bereits mit der Ausführung des Umsatzes – hier der monatsweisen Überlassung des Grundstücks – entstanden und hätte daher jeweils für den entsprechenden Zeitraum geltend gemacht werden müssen.

Die Klägerin machte geltend, dass die angegriffenen Bescheide gegen die MwStSystRL verstießen und die Auffassung des Finanzamts, wonach das Vorsteuerabzugsrecht immer schon mit der Ausführung des Umsatzes entstehe, nicht zutreffend ist. Wenn der Leistende seine Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet, entsteht der Vorsteueranspruch des Leistungsempfängers vielmehr erst dann, wenn der Leistungsempfänger das Entgelt entrichtet hat.

Im Hinblick auf das nationale Recht folgte das Finanzgericht Hamburg der Rechtsauffassung des Finanzamts. Das Finanzgericht hatte jedoch Zweifel, ob die nationale Rechtslage vereinbar mit Art. 167 der MwStSystRL ist. Nach dem Wortlaut dieser Norm entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, „wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht“.

Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, Art. 167 MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der das Recht auf Vorsteuerabzug bereits im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes entsteht, wenn der Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer nach einer nationalen Abweichung gem. Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL erst bei Vereinnahmung des Entgelts entsteht und dieses noch nicht gezahlt worden ist.

Zunächst stellt der Europäische Gerichtshof fest, dass der Wortlaut von Art. 167 MwStSystRL klar und unzweideutig ist. Die Vorschrift stellt die allgemeine Regel auf, dass das Recht des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer auf die entsprechende abziehbare Steuer entsteht.

Weiter stellt der Europäische Gerichtshof fest, dass nach Art. 63 MwStSystRL Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt eintreten, zu dem die Leistung erbracht wird. Nach Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL können die Mitgliedstaaten jedoch abweichend u. a. von Art. 63 MwStSystRL vorsehen, dass der Steueranspruch für bestimmte Umsätze oder Gruppen von Steuerpflichtigen spätestens bei der Vereinnahmung des Preises entsteht. Da Art. 66 MwStSystRL eine Abweichung von Art. 63 MwStSystRL darstellt, ist Art 66 eng auszulegen. Um zu einer Auslegung zu gelangen, bei der Art. 66 Abs. 1 Buchst. b und Art. 167 MwStSystRL, nach dem das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht, miteinander in Einklang stehen, muss somit in Fällen, in denen der Steueranspruch gem. Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL spätestens bei der Vereinnahmung des Preises entsteht, auch das Recht auf Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt der Vereinnahmung des Preises entstehen.

Schließlich führt der Europäische Gerichtshof aus, Art. 167a MwStSystRL ist eine fakultative Regelung, die die Mitgliedstaaten vorsehen können und deren Anwendung wiederum zu der Abweichung gehört, die bereits durch Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL vorgesehen ist. Der Zusammenhang zwischen dem Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer und dem Recht des Steuerpflichtigen auf sofortigen Vorsteuerabzug kann daher nur in Fällen des Art. 167a MwStSystRL aufgehoben werden.

 

 

Vorsteuerabzug: Voraussetzung ist eine ordnungsgemäße Rechnung

Bei mehreren Unternehmen einer Firmengruppe, die unter derselben Anschrift ansässig sind, muss in Eingangsrechnungen das Unternehmen genannt sein, das die jeweilige Leistung tatsächlich bezogen hat. Ist jeweils ein anderes Unternehmen der Firmengruppe als Leistungsempfänger bezeichnet, können diese Rechnungen nicht mit Rückwirkung berichtigt werden.

Hintergrund

Die Klägerin ist eine GbR, an der in verschiedene Mitglieder der Familie A und die A GmbH & Co. OHG als Gesellschafter beteiligt waren. Die OHG betrieb eine Vorsorge- und Rehabilitationsklinik. Die Klägerin erzielte Umsätze aus Vermietung und Verpachtung von eigenen oder geleasten Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen. Dabei führte sie sowohl umsatzsteuerpflichtige als auch umsatzsteuerfreie Leistungen aus.

Das Finanzamt beanstandete Rechnungen, die an folgende Adressaten bzw. angebliche Leistungsempfänger ausgestellt worden waren: „Hotel C“, „D Hotel-Betriebsgesellschaft“, „Architekt E für Hotel C“, „Gesundheitszentrum F zu Händen Herrn F“, A GmbH & Co. KG zu Händen F und „F“. Es erfolgten Vorsteuerkürzungen für die Jahre 2009 bis 2011. Im Jahr 2016 veranlasste die Klägerin die Berichtigung der überwiegenden Anzahl der vom Finanzamt beanstandeten Rechnungen hinsichtlich der Bezeichnung des Leistungsempfängers. Der Vorsteuerabzug für 2009 bis 2011 wurde dennoch verweigert.

Entscheidung

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Das Finanzamt hat den Vorsteuerabzug sowohl aus den ursprünglichen Rechnungen als auch aus den berichtigten Rechnungen zu Recht abgelehnt. Die „Berichtigung“ der beanstandeten Rechnungen hat keine Rückwirkung.

Die Nennung des vollständigen Namens und der Adresse des Leistungsempfängers stellt eine fundamentale Angabe jeder Rechnung dar, sodass bei klaren Mängeln eine rückwirkende Berichtigung nicht in Betracht kommt. Der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist zu entnehmen, dass dann nicht von berichtigungsfähigen Rechnungen auszugehen ist, wenn es diesen an der richtigen Bezeichnung des Leistungsempfängers fehlt, weil dann nämlich keine Rechnung vorliegt.

Die Entscheidung steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der er eine Rechnungsberichtigung bei einem fehlenden Rechtsformzusatz für zulässig erachtet hatte. Der vorliegende Fall ist damit nicht vergleichbar, weil hier unter derselben Adresse verschiedene Unternehmen mit unterschiedlichen Firmennamen ansässig waren, die zudem teilweise steuerpflichtige und teilweise steuerfreie Umsätze ausführten.

Umsatzsteuer bei Verkauf von Backwaren zum Vor-Ort-Verzehr

Verkauft eine Bäckerei in Filialen Speisen zum Verzehr vor Ort, führt sie damit sonstige Leistungen aus, wenn Mehrweggeschirr und Mehrwegbesteck verwendet wird, das nach dem Verzehr der Speisen zurückgenommen und gereinigt wird. Vor Inkrafttreten des § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG unterlagen diese dem Regelsteuersatz.

Hintergrund

Die A stellt Backwaren her. In ihren Filialen stellt sie Geschirr, Tische und Bestuhlung zum Verzehr vor Ort bereit. Die meisten Filialen befanden sich in sog. Vorkassenzonen (nicht durch geschlossene Wände abgetrennte Eingangsbereiche) von Lebensmittelmärkten. Einige Filialen waren separat betriebene Ladengeschäfte.

In allen Filialen wurden die zum Verzehr vor Ort bestimmten Waren und Speisen direkt am Verkaufstresen an die Kunden abgegeben, die das Geschirr i. d. R. in bereitstehende Regale zurückgaben. Ansonsten räumte das Personal der A die Tische ab. Anschließend wurde das Geschirr von Arbeitnehmern der A gereinigt.

A meinte, dass die in der Gesamtleistung enthaltenen Dienstleistungen dem jeweiligen Umsatz nicht das Gepräge gaben. Der Umsatz war deshalb in der Gesamtschau als ermäßigt zu besteuernde Lieferung von Nahrungsmitteln zu qualifizieren.

Das Finanzamt und ihm folgend das Finanzgericht vertraten dagegen die Auffassung, dass die Dienstleistungselemente gegenüber den Lieferungselementen im Vordergrund standen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision als unbegründet zurück.

Die Abgabe von zubereiteten oder nicht zubereiteten Speisen und/oder Getränken „zusammen mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen“, die deren sofortigen Verzehr ermöglichen, gelten als Restaurant- und Verpflegungs-Dienstleistung. Die Art der Zubereitung ist nicht entscheidend. Vielmehr müssen die unterstützenden Dienstleistungen zum einen ausreichend sein, um den sofortigen Verzehr dieser Speisen zu gewährleisten, und zum anderen im Verhältnis zu deren Abgabe überwiegen. Dabei sind Aspekte wie Service, Garderoben, Toiletten und die Bereitstellung von Geschirr, Mobiliar oder Gedeck zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind Dienstleistungen und Verzehrvorrichtungen ohne Mitbenutzungsrecht eines Dritten.

Nach diesen Grundsätzen liegt bei der Abgabe von Speisen zum Mitnehmen eine ermäßigt zu besteuernde Lieferung vor. Die Schwelle zum Restaurantumsatz ist jedoch überschritten, wenn standardisiert zubereitete Speisen durch einen Imbissstand zum Verzehr an einem Tisch mit Sitzgelegenheiten abgegeben werden. Denn die Bereitstellung von Mobiliar mit Geschirr und Besteck erfordert einen gewissen Personaleinsatz.

A hat den Kunden nicht nur Backwaren und Fast-Food verkauft, sondern diesen gegenüber auch zusätzliche Dienstleistungen erbracht, indem sie neben der Zubereitung der standardisierten Produkte zum Verzehr Tische und Sitzmöglichkeiten sowie Tassen, Geschirr und Besteck zur Verfügung gestellt hat. Das Mobiliar war sowohl aus objektiver Empfängersicht als auch nach den objektiven Gegebenheiten ausschließlich zur Nutzung durch die Kunden der A bestimmt. Aufgrund dieser Dienstleistungen (Verzehrvorrichtungen, Serviceleistungen, Geschirrstellung) war nach der Sicht des Durchschnittsverbrauchers der Dienstleistungscharakter in den Vordergrund getreten, sodass die Gesamtleistung als Restaurationsleistung und damit Dienstleistung zu qualifizieren war. Der personelle Einsatz konnte insbesondere im Vergleich mit einem Außer-Haus-Verkauf nicht mehr als nur geringfügig angesehen werden.

Schadensersatzklagen nach der Datenschutzgrundverordnung: Welches Gericht ist zuständig?

Wer gegen das Finanzamt auf Schadensersatz wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung klagen möchte, muss sich an die Zivilgerichte wenden. Die Finanzgerichte sind insoweit nicht zuständig.

Hintergrund

Der Kläger machte vor dem Finanzgericht Schadensersatz geltend, da seiner Ansicht nach die Finanzverwaltung bei einer Betriebsprüfung gegen ihre Pflichten im Zusammenhang mit der Datenverarbeitung verstoßen hatte. Das Finanzgericht wies den Kläger darauf hin, dass es möglicherweise nicht zuständig ist, weil es sich um einen Amtshaftungsanspruch handele, der vor den Zivilgerichten geltend zu machen ist. Der Kläger hielt an seiner Auffassung fest, dass eine Zuständigkeit der Finanzgerichte besteht.

Entscheidung

Das Finanzgericht verwies das Verfahren an das Landgericht. Die Zuständigkeit des Finanzgerichts ist gegeben, wenn eine Abgabenangelegenheit vorliegt. Mit der Klage macht der Kläger aber keine Abgabenangelegenheit oder damit zusammenhängendes Begehren geltend, sondern er verlangt Schadensersatz aufgrund einer behaupteten rechtswidrigen Handlung des Finanzamts. Es wird damit ein Amtshaftungsanspruch geltend gemacht, für den eine Zuständigkeit der Zivilgerichte besteht. Auch ist der Finanzrechtsweg nur für Klagen im Zusammenhang mit der Verarbeitung von Daten durch die Finanzbehörden eröffnet. Für Schadensersatzklagen gilt dies nicht. Auch die DSGVO und das Europarecht sehen keine Sonderzuständigkeit der Finanzgerichte vor.

Messekosten: Wann erfolgt eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung?

Werden gemietete Wirtschaftsgüter nur bis zu 3-mal im Jahr für die Teilnahme an Fachmessen benötigt, stellen diese kein sog. fiktives Anlagevermögen dar. Eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung findet nicht statt.

Hintergrund

Eine GmbH nahm im Jahr 2016 an 3 Fachmessen mit einer Gesamtdauer von 10 Tagen teil. Hierbei hat sie den Messestand jeweils gemietet. Das Finanzamt rechnete diese Mietaufwendungen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags hinzu. Der Einspruch der GmbH blieb erfolglos.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Zwar werden 20 % der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, bzw. 50 % der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, hinzugerechnet. Doch dazu gehören nicht die hier zu beurteilenden Aufwendungen für einen Messestand.

Es mangelt zum einen an einer feststellbaren Gegenleistung für die Überlassung von beweglichen oder unbeweglichen Wirtschaftsgütern. Die Aufwendungen sind eher für den Auf- und Abbau des Messestands erbracht worden. Bei anderen Kostenelementen könnte es sich zwar um Miet- und Pachtzinsen handeln. Doch ist in die Kosten des Messeveranstalters als Zahlungsempfänger wohl auch dessen Organisationsaufwand in die Kostenberechnung eingeflossen.

Schließlich sind die Aufwendungen nicht für Wirtschaftsgüter entstanden, die Anlagevermögen darstellen würden, wenn sie im Eigentum der Klägerin stünden – sog. fiktives Anlagevermögen. Für die Abgrenzung ist auf die Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts in dem Betrieb abzustellen; dazu ist der jeweilige Geschäftsgegenstand des Unternehmens maßgeblich. Bei der Klägerin ist demnach für Wirtschaftsgüter eines Messestandes mit nur 3-maliger Nutzung im Jahr kein dauerhaftes Vorhandensein erforderlich.

Darf eine Buchhaltungsgesellschaft Hilfe in Steuersachen leisten?

Selbstständige Buchhalter sind nicht zur Steuerberatung berechtigt. Deshalb ist auch eine Buchhaltungsgesellschaft, die Lohnsteueranmeldungen durchführt, nicht berechtigt, einen Antrag auf Erlass eines Verspätungszuschlags zur Lohnsteueranmeldung zu stellen.

Hintergrund

Die Klägerin ist ein selbstständiges Buchhaltungsbüro und führt Arbeiten nach § 6 Nr. 4 StBerG durch. Sie beantragte den Erlass eines Verspätungszuschlags für ihre Mandantin, die B-GmbH. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Klägerin mit der Stellung des Erlassantrags unbefugt geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen leistete und wies sie als Bevollmächtigte der B-GmbH insoweit zurück.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass das Finanzamt die Klägerin zu Recht bezüglich der Stellung eines Antrags auf Erlass eines Verspätungszuschlags zurückgewiesen hat.

Soweit ein Bevollmächtigter geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leiste, ohne dazu befugt zu sein, ist er mit Wirkung für alle anhängigen und künftigen Verwaltungsverfahren des Vollmachtgebers im Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörde zurückzuweisen. Ob jemand zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, richtet sich nach dem StBerG. Danach darf die Hilfeleistung in Steuersachen geschäftsmäßig nur von Personen und Vereinigungen ausgeübt werden, die hierzu befugt seien. Das Verbot gilt nicht für das Buchen laufender Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen der Lohnsteueranmeldungen.

Vorliegend hatte die Klägerin auch einen Antrag auf Erlass des Verspätungszuschlags zur Lohnsteueranmeldung gestellt. Aus § 6 Abs. 4 StBerG lässt sich diese Befugnis jedoch nicht ableiten. Ein Erlassantrag stellt auf sachliche oder persönliche Billigkeitsgründe ab, die die Klägerin im Rahmen ihrer Buchführungstätigkeiten für die B-GmbH nicht ohne Weiteres abschätzen kann. Dies soll im Interesse der Allgemeinheit und der Steuerpflichtigen anderen Personen als einem ausgebildeten steuerlichen Berater nicht überlassen werden.

Privates Veräußerungsgeschäft: Fristbeginn bei Selbstbenennung

Ist der Grundstückskaufvertrag mit einem befristeten Erwerberbenennungsrecht ausgestattet, kommt es zur Anschaffung im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts im Zeitpunkt der Selbstbenennung (Selbsteintritt). Das gilt selbst dann, wenn der Benennungsberechtigte das Grundstück mit dem späteren Fristablauf ohnehin erworben hätte.

Hintergrund

Frau A schloss am 21.9.2000 einen Grundstückskaufvertrag, an dem das Bundesland X als „Veräußerer“ und die A als „Benenner“ beteiligt waren. Demnach verkauft X Teilflächen für zu errichtende Reihenhäuser an noch zu benennende Erwerber. A konnte bis zum 30.6.2002 Erwerber benennen. Nach Fristablauf galt sie selbst als Erwerber der Anteile, für die sie keinen Erwerber benannt hatte. A benannte am 20.8.2001 sich selbst und ihren Ehemann als Käufer einer Parzelle. Am 25.2.2011 veräußerten sie das Objekt mit Gewinn.

Das Finanzamt setzte für das Jahr 2011 Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften der Eheleute an. Bezüglich der Veräußerung der A ging das Finanzamt davon aus, dass A sich erst mit der Selbstbenennung am 20.8.2001 verbindlich zum Erwerb verpflichtete. Der Vertrag vom 21.9.2000 habe lediglich eine bedingte Verpflichtung enthalten.

Das Finanzgericht entschied, dass A das Objekt bereits am 21.9.2000 erworben und damit die 10-jährige Haltefrist eingehalten hatte.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Klage ab. In dem Abschluss eines Käuferbenennungsvertrags liegt noch nicht die Annahme eines Kaufangebots. Die vertragliche Bindung ist erst durch den Selbsteintritt der A, d. h. hier am 20.8.2001 und damit innerhalb der Bindungsfrist eingetreten.

Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung sind die Zeitpunkte des Abschlusses der obligatorischen Verträge entscheidend. Bei einem unbedingten und nicht genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäft liegt die Bindung regelmäßig mit dem Vertragsabschluss vor. Auch bei einer aufschiebenden Bedingung tritt die Vertragsbindung bereits mit dem Rechtsgeschäft ein, da die Parteien die Vertragsbeziehungen nicht mehr einseitig lösen können.

In dem Grundstückskaufvertrag vom 21.9.2000 hat X als „Veräußerer“ zwar ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags abgegeben (sog. Angebot mit Benennungsrecht). In dem Abschluss des Käuferbenennungsvertrags liegt jedoch noch keine Annahme des Kaufangebots. Eine Bindung bestand zunächst nur für den Verkäufer. Erst mit der Benennung eines Käufers kommt es zur Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot. Dementsprechend kommt der Kaufvertrag mit dem vom Benennungsberechtigten Benannten zustande, wenn dieser das Angebot annimmt. So hat die A die Rechte aus dem Kaufangebot durch Benennung (Vertrag v. 20.8.2001) an ihren Ehemann abgetreten. Durch die Annahme des Kaufangebots durch den Ehemann („Erwerber“) ist der Kaufvertrag zwischen ihm und X wirksam innerhalb der Behaltefrist zustande gekommen.

Ebenso hat auch die A das Kaufangebot des X erst mit ihrer Benennung in der notariellen Urkunde am 20.8.2001 bindend angenommen. Durch die Selbstbenennung ist es zwar nicht zu einer Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot als Zwischengeschäft gekommen. Aber erst durch den Selbsteintritt hat A die erforderliche rechtsgeschäftliche Annahmeerklärung abgegeben und damit bindend zum Ausdruck gebracht, dass sie das Angebot annehmen und das Grundstück erwerben wolle. Vorher fehlte es an der für die Fristbestimmung maßgebenden rechtlichen Bindungswirkung. Bis zur Selbstbenennung hätte sie sich durch die einseitige Benennung eines Dritten als Erwerber einseitig von dem Kaufvertrag lösen können.

Kindergeld bei krankheitsbedingtem Ausbildungsabbruch

Ein Kind kann wegen Berufsausbildung nicht berücksichtigt werden, sobald es sein Ausbildungsverhältnis krankheitsbedingt nicht nur unterbrochen, sondern abgebrochen hat.

Hintergrund

Die volljährige Tochter A der Mutter M begann im Februar 2016 eine 2-jährige schulische Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin. Die Familienkasse setzte entsprechend das Kindergeld fest.

Im September 2017 teilte M der Familienkasse mit, dass A ab September 2017 bis Februar 2018 vollzeitbeschäftigt war. Danach werde sie ihre Ausbildung fortsetzen. A war jedoch bereits im März 2017 vorzeitig von der Schule abgegangen. Die Familienkasse hob darauf die Kindergeldfestsetzung auf und forderte das Kindergeld i. H. v. 1.344 EUR für April bis Oktober 2017 von M zurück.

M wandte ein, dass A Ende 2016 erkrankt und nach ärztlichen Attesten nicht zu einer regelmäßigen Teilnahme am Schulunterricht fähig war. Sie hatte daher ab März 2017 mit der Ausbildung ausgesetzt, um diese im September 2017 wieder aufzunehmen. Da dies von der Schule nicht bewilligt worden war, hatte sie zur Überbrückung bis zur Fortsetzung der Ausbildung die Beschäftigung angenommen.

Die Familienkasse war der Ansicht, dass A mit dem Abgang von der Schule im März 2017 ihre Ausbildung beendet hatte. Da eine Erklärung der A, nach Ende der Erkrankung weiterhin die Schule besuchen zu wollen, nicht vorlag, kam eine Berücksichtigung nicht in Betracht. Das Finanzgericht gab der Klage statt. Es ging von einer unterbrochenen Ausbildung aus.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück.

Eine Berufsausbildung setzt voraus, dass das Kind einen Ausbildungsplatz hat und ausbildungswillig ist. Wird das Ausbildungsverhältnis beendet, z. B. durch Abmeldung von der Schule oder Aufhebung des Ausbildungsvertrags, fehlt es am formalen Fortbestehen eines Ausbildungsverhältnisses. Dementsprechend kommt für A eine Berücksichtigung unter dem Gesichtspunkt der Berufsausbildung ab April 2017 nicht mehr in Betracht. Denn sie hat mit der Abmeldung von der Schule ihre Ausbildung (infolge der Erkrankung) nicht nur unterbrochen, sondern abgebrochen.

Eine Berücksichtigung wegen fehlendem Ausbildungsplatz setzt voraus, dass der Beginn der Ausbildung nicht an anderen Gründen als dem Mangel eines Ausbildungsplatzes scheitert. Ist ein Kind aus Krankheitsgründen gehindert, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben oder diesen zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kommt eine Berücksichtigung daher nur unter eingeschränkten Voraussetzungen in Betracht.

Zunächst muss es sich um eine vorübergehende Krankheit handeln. Die gesundheitliche Beeinträchtigung an der Aufnahme einer Ausbildung darf regelmäßig nicht länger als 6 Monate andauern. Entscheidend ist die zu erwartende Dauer der Funktionsbeeinträchtigung.

Außerdem muss die Ausbildungswilligkeit des Kindes für den Anspruchszeitraum nachgewiesen werden. Das Kind muss sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemühen. Zur Vermeidung missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes muss sich die Ausbildungsbereitschaft durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben.

Als Nachweis kommt etwa die schriftliche Erklärung, sich unmittelbar nach Ende der Krankheit um eine Berufsausbildung zu bemühen, in Betracht. Ebenso denkbar ist, dass das Kind während der Erkrankung den früheren Ausbildungsbetrieb oder eine andere Ausbildungseinrichtung wegen einer (Wieder-)Aufnahme der Ausbildung konkret anspricht.

Im Streitfall hat das Finanzgericht keine genaueren Feststellungen zur Art voraussichtlichen Dauer der Erkrankung getroffen. Bei länger dauernder Erkrankung kommt eine Berücksichtigung als behindertes Kind in Betracht. Es fehlen auch nähere Feststellungen zur Frage der Ausbildungswilligkeit für den gesamten Streitzeitraum von April bis September 2017. A hat zwar im April 2017 gegenüber der Schule ihre weitere Ausbildungswilligkeit dokumentiert. Wegen der Aufnahme der Vollzeitbeschäftigung ab September 2017 könnte der Entschluss zur Aufnahme dieser Erwerbstätigkeit bereits im Zeitraum ab März 2017 gefasst worden sein.

Warum der Hamburger Hafen ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet ist

Ein Hafenarbeiter, der im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung auf dem Hamburger Hafengelände eingesetzt wird, ist in einem sog. weiträumigen Tätigkeitsgebiet tätig. Das hat zur Folge, dass er seine Fahrten zwischen Wohnung und Hafenzugang nur mit der Entfernungspauschale abrechnen kann.

Hintergrund

Der Kläger war als Hafenarbeiter nach seinem Arbeitsvertrag auch im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung einsetzbar. Im Jahr 2015 wurde er von seinem Arbeitgeber an 4 verschiedenen Liegeplätzen innerhalb des Hamburger Hafens eingesetzt. Der Kläger rief arbeitstäglich bei seinem Arbeitgeber an, um seinen jeweiligen Einsatzort zu erfahren.

In seiner Einkommensteuerveranlagung setzte er seine arbeitstäglichen Fahrten zwischen Wohnung und Hafenzufahrt als Reisekosten an und rechnete für den Hin- und Rückweg jeweils 0,30 EUR/km. Das Finanzamt berücksichtigte für diese Fahrten jedoch nur die Entfernungspauschale mit 0,30 EUR je Entfernungskilometer. Seiner Ansicht nach handelte es sich bei dem Hamburger Hafengebiet steuerlich um ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet, sodass der Fahrtkostenabzug eingeschränkt war.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass das Finanzamt für die Fahrten zu Recht nur die Entfernungspauschale angesetzt hatte. Zwar konnte der Hamburger Hafen nicht als erste Tätigkeitsstätte qualifiziert werden, da es an einer dauerhaften Zuordnung des Arbeitnehmers mangelte. Der Ansatz der Entfernungspauschale war trotzdem gerechtfertigt, weil der Hafen ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet war.

Der Arbeitnehmer musste nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft und typischerweise arbeitstäglich dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet aufsuchen. Da im Arbeitsvertrag ausdrücklich auf die Satzung für den Gesamthafenbetrieb Hamburg verwiesen worden war, kann davon ausgegangen werden, dass er nur bei den dort ansässigen Hafeneinzelbetrieben einsetzbar war. Er hatte den Hamburger Hafen auch typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen.

Erstwohnung und Zweitwohnung am Beschäftigungsort: kein Werbungskostenabzug möglich

Mietet der Steuerpflichtige am Beschäftigungsort eine beruflich veranlasste Zweitwohnung und wohnt er im „eigenen Hausstand“ ebenfalls am Beschäftigungsort, liegt keine doppelte Haushaltsführung vor.

Hintergrund

Der Kläger mietete in unmittelbarer Nähe zu seiner Arbeitsstätte eine Zweitwohnung an. Seine Hauptwohnung lag etwa 35 bis 40 Fahrminuten von der Arbeitsstätte entfernt. Er begründete dies damit, dass er bei Bedarf jederzeit kurzfristig seine schwer erkrankte Ehefrau unterstützen müsste und so die Unterbrechungen der Arbeitszeiten zeitlich deutlich reduzieren könnte. Das Finanzamt lehnte die geltend gemachten Kosten der doppelten Haushaltsführung ab und ließ auch den Kostenabzug als außergewöhnliche Belastungen nicht zu.

Entscheidung

Das Finanzgericht lehnte ebenfalls den Werbungskostenabzug für eine doppelte Haushaltsführung ab. Es handelte sich auch nicht um außergewöhnliche Belastungen.

Bei einer doppelten Haushaltsführung müssen der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort auseinanderfallen. Nur dann ist der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt. Eine doppelte Haushaltsführung ist deshalb nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige in einer Wohnung am Beschäftigungsort einen (beruflich veranlassten) Zweithaushalt führt und auch der vorhandene „eigene Hausstand“ am Beschäftigungsort belegen ist. Denn dann fallen der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort nicht auseinander. Bei Prüfung der Frage, ob dies der Fall ist, muss auf alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgestellt werden und neben der Entfernung auch die Verkehrsanbindung mit privaten und öffentlichen Verkehrsmitteln, die Erreichbarkeit dieser Verkehrsmittel bei Arbeitsbeginn und -ende sowie evtl. besondere Umstände beim Arbeitsablauf mit einzubeziehen sein.

Eine Wohnung am Beschäftigungsort kann danach regelmäßig angenommen werden, wenn sie in einem Bereich liegt, von dem aus der Arbeitnehmer üblicherweise täglich zu diesem Ort fahren kann. Dabei liegen Fahrzeiten von etwa einer Stunde für die einfache Strecke noch in einem zeitlichen Rahmen, in dem es einem Arbeitnehmer zugemutet werden kann, von seinem Hausstand die Arbeitsstätte aufzusuchen.

Im vorliegenden Fall diente der Aufenthalt in der Zweitwohnung in erster Linie der angenehmeren Gestaltung der Pflegesituation und stellt keine gezielte therapeutische Maßnahme dar und ist insofern auch nicht medizinisch indiziert. Die Aufwendungen für das Wohnen stellen Kosten der allgemeinen Lebensführung dar und erleichtern zwar das Leben der Ehefrau, sind aber dennoch freiwillige Aufwendungen und nicht zwangsläufig. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Anmietung der Wohnung aus medizinischen Gründen zweckmäßig ist, so handelt es sich allenfalls um Folgekosten der Krankheit, die nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können.