Aktive Rechnungsabgrenzungsposten: Bildung auch bei geringfügigen Beträgen?

Auch bei geringfügigen Beträgen müssen aktive Rechnungsabgrenzungsposten gebildet werden. Eine Pflicht zur Bildung nur bei wesentlichen Fällen lässt sich weder dem Grundsatz der Wesentlichkeit noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entnehmen.

Hintergrund

X ermittelte seine Gewinne durch Betriebsvermögensvergleich. Nach einer Außenprüfung erhöhte das Finanzamt u. a. die aktiven Rechnungsabgrenzungsposten. X hatte für verschiedene vorausgezahlte zeitraumbezogene Aufwendungen keine aktiven Rechnungsabgrenzungsposten gebildet. Es handelte sich um Versicherungsbeiträge, Aufwendungen für Werbeanzeigen und Kraftfahrtsteuer-Zahlungen. Insgesamt waren es rund 20 Positionen im Bereich zwischen 12 EUR und 400 EUR und jährliche Beträge von insgesamt zwischen rund 1.300 EUR und 1.500 EUR.

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Wegen der geringen Bedeutung müssten keine Rechnungsabgrenzungsposten gebildet werden.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof widersprach dem Finanzgericht und entschied, dass weder aus dem Grundsatz der Wesentlichkeit noch aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz das Recht folgt, in Fällen von geringer Bedeutung auf eine periodengerechte Gewinnermittlung zu verzichten.

Das Gesetz regelt in § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG für Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen, ein abschließendes Aktivierungsgebot. Schon nach dem Gesetzeswortlaut hat der Steuerpflichtige insoweit kein Wahlrecht. Da es dem Sinn und Zweck der Gewinnermittlung entspricht, den vollen Gewinn zu erfassen, kann es nicht im Belieben des Steuerpflichtigen stehen, sich durch Nichtaktivierung von Wirtschaftsgütern, die handelsrechtlich aktiviert werden dürfen, ärmer zu machen, als er ist. Bilanzierungswahlrechte im Steuerrecht würden auch nicht im Einklang mit dem Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung stehen.

Das HGB verzichtet in bestimmten Fällen auf den Ausweis unwesentlicher Positionen (z. B. bei der Bildung von Durchschnittswerten). Auch das EStG zeigt, z. B. bei der Sofortabsetzung von geringwertigen Wirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 2 EStG, dass ein periodengerechter Ausweis entbehrlich sein kann. Für ein Wahlrecht im Rahmen des § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG hätte es aber einer gesetzlichen Regelung bedurft. Der Gedanke des § 6 Abs. 2 EStG kann nicht auf die Bildung von RAP übertragen werden. Zum einen sind diese nicht als Wirtschaftsgut zu qualifizieren. Zum anderen wird mit der Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter (neben der Vereinfachung) auch der weitere Zweck der Verbesserung der Selbstfinanzierung der Unternehmen verfolgt. Dieser Förderzweck des § 6 Abs. 2 EStG wurde vom Gesetzgeber nicht in § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG aufgenommen.

Letztlich steht der Aufwand bei der Rechnungsabgrenzung in Fällen von geringer Bedeutung nicht außer Verhältnis zur Verbesserung des Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens. Für die (zeitraumbezogene) Berechnung der Höhe der Rechnungsabgrenzungsposten nach den Verhältnissen der noch ausstehenden Gegenleistung zur gesamten Leistung sind keine Schwierigkeiten ersichtlich. Stehen die Werte der Rechnungsabgrenzungsposten eindeutig fest, sind sie auch in die Bilanz aufzunehmen, selbst wenn sie einen verhältnismäßig geringen Betrag aufweisen. Außerdem kann es bei einer Vielzahl nicht berücksichtigter, geringfügiger aktiver Rechnungsabgrenzungsposten durchaus insgesamt zu einer bedeutenden Verzerrung der Vermögens- und Ertragslage kommen.

Studium neben Vollerwerbstätigkeit: Liegt noch eine einheitliche Erstausbildung vor?

Für die Annahme einer einheitlichen Erstausbildung ist der Gesamtplan des Kindes, sein Berufsziel erst durch eine weitere Ausbildung zu erreichen, nicht das allein maßgebliche Kriterium. Insbesondere bei einem Studium neben einer Vollerwerbstätigkeit ist darüber hinaus zu prüfen, ob die Berufstätigkeit oder die Ausbildung im Vordergrund steht.

Hintergrund

Der Vater V erhielt Kindergeld für seinen Sohn M. M beendete im Juni 2013 seine Ausbildung zum Bankkaufmann und trat eine Vollerwerbsstelle an. Die Familienkasse hob daraufhin die Kindergeldfestsetzung für Juli 2013 bis Januar 2014 auf und forderte das Kindergeld zurück. Im Februar 2014 begann M einen berufsbegleitenden Studiengang zum Bankfachwirt/Bankkolleg, der bis Juni 2016 andauerte. Die Zulassung zum Studium erfolgte bereits im Dezember 2013.

Im Dezember 2017 beantragte V rückwirkend Kindergeld für den Zeitraum ab der Beendigung der Ausbildung zum Bankkaufmann im Juli 2013 bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres im Februar 2015. M hatte mit der Ausbildung zum Bankkaufmann sein angestrebtes Berufsziel noch nicht erreicht. Die Ausbildung zum Bankkaufmann und die folgenden Studiengänge (Bankfachwirt/Bankkolleg) waren aufeinander abgestimmt und stellten eine einheitliche Berufsausbildung dar.

Das Finanzgericht entschied, dass der Gesamtplan des Kindes, das Ende der Berufsausbildung erst durch den Abschluss „Bankfachwirt“ zu erreichen, die Vollzeiterwerbstätigkeit überlagerte.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof widerspricht der Auffassung des Finanzgerichts, dass der Gesamtplan des Kindes das maßgebliche Kriterium bei der Prüfung einer erstmaligen Berufsausbildung ist. Die Erstausbildung in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist enger auszulegen als die Berufsausbildung in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Für die Abgrenzung einer einheitliche Erstausbildung (mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit) von einer Erwerbstätigkeit (mit daneben berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) sind die bestehenden Rechtsprechungsgrundsätze fortzuentwickeln und zu präzisieren.

An einer einheitlichen Erstausbildung kann es fehlen, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten. Ob die nach Erlangung des Abschlusses aufgenommene Berufstätigkeit die Hauptsache und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen eine (auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete) Nebensache darstellen, ist anhand einer Gesamtwürdigung zu entscheiden.

Nichtzutreffend ist die Würdigung des Finanzgerichts, dass der berufsbegleitende Studiengang „Bankfachwirt“ zusammen mit der Ausbildung zum Bankkaufmann noch eine einheitliche Erstausbildung darstellte. Der Gesamtplan des Kindes, die Ausbildung endgültig erst mit Abschluss des Bankbetriebswirts als beendet anzusehen, kann nicht das allein maßgebliche Kriterium für die Annahme einer einheitlichen Erstausbildung sein und alle anderen Kriterien überlagern. Eine einheitliche Erstausbildung kann daher durch das angestrebte Berufsziel des Kindes nicht begründet werden. Entscheidend sind die vom Bundesfinanzhof entwickelten Kriterien, ob die Berufstätigkeit oder die Ausbildung im Vordergrund steht.

Steuererstattung bzw. -nachzahlung: Warum der Zinssatz von 6 % verfassungswidrig ist

Steuernachforderungen und -erstattungen werden mit 6 % pro Jahr verzinst. Das ist zu viel, entschied das Bundesverfassungsgericht – zumindest für Zeiträume ab 2014.

Hintergrund

Nach § 233a AO wird bei der Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen ein Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde gelegt. Der Zinslauf beginnt erst nach einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten.

Die Vollverzinsung betrifft sowohl Steuernachzahlungen als auch Steuererstattungen.

Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Verzinsung von Steuernachforderungen mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 % nach Ablauf einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten eine Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird, gegenüber Steuerschuldnern, deren Steuer bereits innerhalb der Karenzzeit endgültig festgesetzt wird. Hintergrund hierfür ist das seit Jahren anhaltende niedrige Zinsniveau auf dem Kapitalmarkt, das in diametralem Gegensatz zur 6-prozentigen Jahresverzinsung durch die Finanzverwaltung steht.

Diese Ungleichbehandlung sieht das Gericht für in die Jahre 2010 bis 2013 fallende Verzinsungszeiträume als noch als verfassungsgemäß an. Dies gilt jedoch nicht mehr für Verzinsungszeiträume ab 2014. Die Unvereinbarkeit der Verzinsung nach § 233a AO mit dem Grundgesetz umfasst dabei auch die Erstattungszinsen zugunsten der Steuerpflichtigen.

Weitergeltung der bisherigen gesetzlichen Regelung

Das Bundesverfassungsgericht differenziert insoweit, als es das bisherige Recht für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume für weiterhin anwendbar erklärt wird. Für Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2019 und später fallen, kommt dagegen eine Weitergeltung des bisherigen Rechts dagegen nicht mehr in Betracht. Hier wird der Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31.7.2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.

Rechtsfolgen für die Besteuerungspraxis

Das Bundesverfassungsgericht hat sich nur zur Vollverzinsung nach § 233a AO geäußert, nicht jedoch zu Stundungszinsen, Hinterziehungszinsen, Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge und Aussetzungszinsen. Da jedoch das Zinsniveau in allen Verzinsungsfällen einheitlich 0,5 % pro Monat beträgt, wird man die Entscheidungsgrundsätze des Bundesverfassungsgerichts auf alle Zinsarten anwenden können.

3 Fallgruppen sind zu unterscheiden:

  • Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2013 und früher fallen, sind von der Verfassungswidrigkeit nicht betroffen, d. h. hier ist der Zinssatz von 0,5 % pro Monat nicht zu beanstanden. Steuerpflichtige, die hier Einspruch eingelegt haben, müssen mit einer Zurückweisung ihres Einspruchs rechnen. Im Falle einer Aussetzung der Vollziehung wird der ausgesetzte Betrag gezahlt werden müssen.
  • Für Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2014 bis einschließlich 2018 fallen, bleibt das aktuelle Recht weiterhin anwendbar. Dies bedeutet, dass auch in diesen Fällen eingelegte Einsprüche abgewiesen werden und ausgesetzte Beträge gezahlt werden müssen. Soweit die Zinsfestsetzung vorläufig erfolgt ist, wird die Finanzverwaltung die Vorläufigkeit aufheben.
  • Lediglich für Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2019 und später fallen, muss der Gesetzgeber bis zum 31.7.2022 „nachbessern“ und eine verfassungskonforme gesetzliche Neuregelung schaffen. Von dieser Neuregelung wird jedoch nur derjenige profitieren, der gegen den Zinsbescheid Einspruch eingelegt hat oder dessen Zinsbescheid vorläufig ergangen ist. Formell und materiell bestandskräftige Zinsbescheide ohne Vorläufigkeitsvermerk können aufgrund der anstehenden gesetzlichen Neuregelung nicht mehr geändert werden.

Schenkung und anschließender Verkauf eines Grundstücks: Gestaltungsmissbrauch?

Wird ein Grundstück unentgeltlich auf die Kinder übertragen und verkaufen diese das Grundstück sofort weiter, liegt grundsätzlich kein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vor. Die Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns richtet sich bei den Kindern nach deren steuerlichen Verhältnissen.

Hintergrund

A erwarb im Jahr 2011 ein Grundstück. Im Jahr 2012 schenkte sie es ihren beiden volljährigen Kindern jeweils zur Hälfte. Am selben Tag verkauften die Kinder das Grundstück zu einem höheren Preis an Z. Die Verkaufsverhandlungen hatte allein A geführt.

A ging davon aus, dass sie keinen Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft erzielt hatte. Das Finanzamt sah dagegen in der Schenkung an die Kinder einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten und rechnete deshalb den Veräußerungsgewinn der A zu.

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Das Gericht entschied, dass das Veräußerungsgeschäft bei A zu erfassen ist. Die nicht angemessene Gestaltung führte zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof sah dies anders und kam zu dem Ergebnis, dass § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG eine spezielle Missbrauchsverhinderungsvorschrift ist, die § 42 AO vorgeht.

A hat das im Jahr 2011 angeschaffte Grundstück nicht veräußert, sondern 2012 durch Schenkung unentgeltlich auf die Kinder übertragen. Die unentgeltliche Übertragung ist keine Veräußerung i. S. v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Da A somit das Grundstück nicht veräußert hat, ist bei ihr auch kein Veräußerungsgewinn entstanden.

  • 23 Abs. 1 Satz 3 EStG regelt die Entstehung des Veräußerungsgewinns bei vorangegangenem unentgeltlichen Erwerb. Es handelt sich um eine spezielle Missbrauchsverhinderungsvorschrift i. S. v. § 42 Abs. 1 Satz 2 AO. Vom Rechtsvorgänger verwirklichte Besteuerungsmerkmale werden dem unentgeltlichen Rechtsnachfolger persönlich zugerechnet. Damit wird das private Veräußerungsgeschäft bei demjenigen besteuert, der die Veräußerung vorgenommen und den Veräußerungserlös tatsächlich erhalten hat. Die Vorschrift dient der Verhinderung von Missbräuchen. Es soll verhindert werden, dass ein Wirtschaftsgut durch unentgeltliche Übertragung (mangels Veräußerung) aus der Steuerverhaftung ausscheidet und beim Rechtsnachfolger (mangels Anschaffung) nicht steuerverstrickt wird. Durch die unentgeltliche Übertragung auf einen Dritten könnte ohne die Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG die Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft umgangen werden.

Im vorliegenden Fall ist mit der unentgeltlichen Übertragung des Grundstücks und der anschließenden Veräußerung der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG erfüllt. Damit ist die Anwendung von § 42 AO ausgeschlossen.

Das Finanzgericht hat keine Umstände festgestellt, aufgrund derer die Veräußerung ausnahmsweise nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden könnte. Insbesondere liegt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs kein Gestaltungsmissbrauch vor. Denn die vertraglichen Regelungen enthalten keine unangemessenen Vereinbarungen. Die Kinder konnten über das geschenkte Grundstück frei verfügen. Sie waren insbesondere nicht vertraglich gebunden, an Erwerber zu veräußern, mit denen ausschließlich die A zuvor Verkaufsverhandlungen geführt hatte. Sie waren auch nicht verpflichtet, den Veräußerungserlös an A abzuführen.

Auch dass der Veräußerungsgewinn bei den Kindern niedriger besteuert wird als bei A, führt nicht zur Annahme eines Missbrauchs. Denn es ist nicht verwehrt, die rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine geringere steuerliche Belastung ergibt. Das Bestreben, Steuern zu sparen, macht für sich allein eine Gestaltung nicht unangemessen.

Kindergeld: Wann der schwerbehinderte erwachsene Bruder als Pflegekind gilt

Ein Pflegekindschaftsverhältnis bedarf der Feststellung eines „familienähnlichen Bands“. Das gilt auch dann, wenn tatsächlich verwandtschaftliche Beziehungen gegeben sind und damit ein „familiäres Band“ besteht.

Hintergrund

Die Klägerin war die Schwester eines im Jahr 2018 verstorbenen schwerbehinderten Mannes mit einem GdB von 100. In seinem Schwerbehindertenausweis waren u. a. die Merkzeichen „G“ und „H“ eingetragen. Darüber hinaus war vermerkt, dass die Notwendigkeit ständiger Begleitung bestand. Die Klägerin übernahm nach dem Tod der Mutter die Betreuung ihres Bruders und wurde auch zu seiner gesetzlichen Betreuerin bestellt.

Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Kindergeld für ihren Bruder wurde von der Familienkasse abgelehnt.

Danach hatte das Finanzgericht die Familienkasse verurteilt, der Klägerin Kindergeld ab Juni 2017 zu bewilligen. Der Bundesfinanzhof hatte das Urteil des Finanzgerichts aufgehoben und die Rechtssache an das Finanzgericht zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang war nun zu klären, ob die Behinderung so schwer war, dass der Zustand des Bruders dem typischen Entwicklungsstand einer noch minderjährigen Person entsprach. Auch waren Feststellungen zu treffen, die auf eine Erziehungsfunktion der Klägerin und ein Autoritätsverhältnis zu ihr schließen ließen.

Entscheidung

Die Klage hatte im zweiten Rechtsgang Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass zwischen der Klägerin und ihrem schwerbehinderten Bruder, dessen geistiger Zustand dem typischen Entwicklungsstand einer noch minderjährigen Person entsprach, ein familienähnliches Band bestanden hat. Der Schwester stand daher Kindergeld für ihren Bruder als Pflegekind zu.

Der Bruder war in den Haushalt der Klägerin aufgenommen und dieser bildete den Mittelpunkt der gemeinsamen Lebensinteressen. Die Aufenthalte des Bruders in der Wohnung der Klägerin stellten keine bloßen Besuche dar, sondern waren von einer selbstverständlichen Regelmäßigkeit geprägt. Eine den Besuchscharakter überschreitende Dauer lag bei einem Aufenthalt von insgesamt mehr als 3 Monaten pro Jahr vor.

Der Umstand, dass es mittlerweile nicht mehr dem wissenschaftlichen Standard im Umgang mit behinderten erwachsenen Menschen entspricht, diese wie Kinder „zu erziehen“, stand hier der Annahme eines „familienähnlichen Bands“ nicht entgegen.

Elektronische Klageerhebung: Was muss in der Rechtsbehelfsbelehrung stehen?

Weist die Rechtsbehelfsbelehrung auf die Vorschrift zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten gem. § 52a FGO hin, genügt dies. Denn dadurch kann sich der Rechtsuchende bezüglich der Wahl dieser Übermittlungsform nähere Informationen verschaffen.

Hintergrund

Die Familienkasse erließ einen Bescheid über die Aufhebung von Kindergeld und forderte zu viel ausgezahlte Kindergeld vom Kläger zurück. Den Einspruch des Klägers wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 26.8.2019 zurück. In der Rechtsbehelfsbelehrung wies die Familienkasse u. a. darauf hin, dass gegen die Entscheidung Klage beim Finanzgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument eingereicht werden kann. Die Voraussetzung zur elektronischen Einreichung der Klage seien in § 52a FGO geregelt. Weiterhin verwies die Rechtsbehelfsbelehrung auf die Internetseite des Finanzgerichts.

Am 28.11.2019 erhob der Kläger per Telefax Klage und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags führte der Kläger aus, dass er dem Finanzgericht am 26.9.2019 eine einfache E-Mail an die in dessen Internetseite genannte DE-Mail-Adresse mit einer als Anhang beigefügten Klageschrift übermittelt hatte. Ein Eingang seiner E-Mail nebst Anhang konnte jedoch nicht festgestellt werden. Der Kläger hält seine Klage nicht für verfristet, weil die Rechtsbehelfsbelehrung in der Einspruchsentscheidung fehlerhaft war. Denn der Rechtssuchende wurde über die Klageerhebung per E-Mail nur unvollständig belehrt.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht verwarf sie als unzulässig, weil sie außerhalb der Monatsfrist und damit verspätet eingereicht worden war. Die 1-monatige Klagefrist beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt wurde. Ist Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, ist die Einlegung des Rechtsbehelfs grundsätzlich innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung zulässig.

Im vorliegenden Fall war die Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig. Zum einen war der Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Übermittlung von Rechtsbehelfen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht erforderlich. Zum anderen wies die Rechtsbehelfsbelehrung an mehreren Stellen unmissverständlich auf die Möglichkeit einer elektronischen Klageerhebung hin. Weitere Erläuterungen zu den Modalitäten einer elektronischen Klageerhebung waren nicht erforderlich. Vielmehr genügte der Hinweis in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Vorschrift zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten gem. § 52a FGO, um den Rechtsuchenden in die Lage zu versetzen, sich bei der Wahl dieser Übermittlungsform nähere Informationen zu verschaffen.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kam auch deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nicht glaubhaft machen konnte, dass ihn kein Verschulden an der Fristversäumnis traf.

Sammelstelle: Was bedeutet „typischerweise arbeitstägliches“ Aufsuchen?

Für ein „typischerweise arbeitstägliches“ Aufsuchen desselben Ortes muss der Arbeitnehmer nicht an seinen sämtlichen Arbeitstagen den vom Arbeitgeber festgelegten Ort aufsuchen. Jedoch reicht ein „typischerweise fahrtägliches“ Aufsuchen des Sammelpunkts nicht aus.

Hintergrund

A ist bei einem Bauunternehmen als Baumaschinenführer angestellt. Er fuhr jeweils von seiner Wohnung aufgrund einer betriebsinternen Weisung zunächst zum Betriebssitz des Arbeitgebers (Sammelpunkt) und wurde von dort mit einem Sammelfahrzeug des Arbeitgebers an die jeweilige Baustelle gefahren. Dies betraf sowohl Fahrten mit täglicher Rückkehr als auch Fahrten zu Fernbaustellen, an denen A übernachtete. Die Einsätze auf den Fernbaustellen dauerten i. d. R. die gesamte Woche.

A machte die Kosten für die Fahrten zwischen der Wohnung und dem Sammelpunkt mit 0,30 EUR je gefahrenem km geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen nur mit der Entfernungspauschale in Höhe 0,30 EUR je Entfernungs-km.

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. A habe den von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort „typischerweise arbeitstäglich“ aufgesucht.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied, dass ein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des vom Arbeitgeber bestimmten Orts oder Gebiets kein ausnahmsloses Aufsuchen an sämtlichen Arbeitstagen erfordert.

Ein Arbeitnehmer kann für die Fahrten zu dem vom Arbeitgeber dauerhaft festgelegten Ort lediglich die Entfernungspauschale in Anspruch nehmen, wenn er keine erste Tätigkeitsstätte hat und nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen (sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen) zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen hat (sog. Sammelpunkt).

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts hatte A keine erste Tätigkeitsstätte, denn es fehlte an einer Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung durch den Arbeitgeber. Auch fehlte eine arbeitsrechtliche Festlegung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche 2 volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll. Denn A sollte am Betriebssitz bzw. Sammelpunkt nicht als Baumaschinenführer tätig werden.

Das Finanzgericht hatte ein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des Sammelpunkts allein aufgrund der Anzahl der dorthin unternommenen Fahrten im Verhältnis zu den Gesamtarbeitstagen des A bejaht. Der Bundesfinanzhof ist dagegen der Ansicht, dass durch den Zusatz „typischerweise arbeitstäglich“ klargestellt werden sollte, dass die Regelung lediglich für die Berufsgruppen gilt, die im Normalfall arbeitstäglich, z. B. an einem vom Arbeitgeber festgelegten Ort ein Fahrzeug übernehmen oder im Rahmen der Sammelbeförderung abgeholt werden.

Nach dem Wortlaut „typischerweise“ ist nicht maßgebend, dass der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber bestimmten Ort oder das Gebiet ausnahmslos aufzusuchen hat. Vielmehr erfordert das Gesetz nur, dass er den Ort nach der Anweisung „typischerweise arbeitstäglich“ aufzusuchen hat.

Stand von vornherein fest, dass A nicht nur auf 1-tägigen Baustellen, sondern auch auf mehrtägigen Fernbaustellen eingesetzt wird, würde kein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des Betriebssitzes vorliegen. Denn dann hätte von vornherein festgestanden, dass A den Betriebssitz nur an den Fahrtagen aufsuchen sollte. Ein nur typischerweise fahrtägliches Aufsuchen ist nicht ausreichend.

Wurde A dagegen grundsätzlich nur tageweise auf lokalen Baustellen und nur ausnahmsweise auf Fernbaustellen eingesetzt, wäre der Tatbestand des typischerweise arbeitstäglichen Aufsuchens erfüllt. Denn ein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen setzt nur voraus, dass dies i. d. R. zu erfolgen hatte, ohne dass ein ausnahmsloses Aufsuchen erforderlich wäre.

Der Bundesfinanzhof verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Dieses muss nun feststellen, ob A regelmäßig oder nur ausnahmsweise auch auf Fernbaustellen tätig war.

Mahlzeit vom Arbeitgeber: Kürzung der Verpflegungspauschalen auch ohne erste Tätigkeitsstätte?

Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mahlzeiten zur Verfügung, werden die Verpflegungspauschalen gekürzt. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt.

Hintergrund

A war im Jahr 2014 mehrere Monate als Offizier auf Schiffen tätig. An Bord stellte ihm der Arbeitgeber unentgeltlich Mahlzeiten zur Verfügung. An „Hafentagen“ nahm A die zur Verfügung gestellte Bordverpflegung teilweise nicht in Anspruch. An einzelnen Tagen (ca. 10 Tage) musste sich die Mannschaft im Hafen selbst versorgen.

Der Arbeitgeber behandelte den Sachbezug der Mahlzeitengestellung als steuerfrei.

A machte für die 169 Tage, in der er auf See tätig war, Verpflegungsmehraufwand von 24 EUR täglich geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab und verwies auf die Kürzungsregelung in § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG.

Das Finanzgericht gab der Klage nur zu einem geringen Teil statt. Es erkannte die Verpflegungspauschale nur für die 10 Tage an, an denen A sich im Hafen selbst versorgen musste. Das Finanzgericht war der Auffassung, dass auch bei Arbeitnehmern ohne erste Tätigkeitsstätte eine Kürzung der Verpflegungspauschalen vorzunehmen ist.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof sah dies genauso und wies die Revision des A zurück. Auch wenn der Arbeitnehmer nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt, steht ihm für die Tage der Mahlzeitengestellung keine Verpflegungspauschale zu.

Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig, hat er zur Abgeltung seiner Mehraufwendungen Anspruch auf die nach Abwesenheitszeiten gestaffelte Verpflegungspauschale.

Hat der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, gilt dies entsprechend. Denn liegen die Voraussetzungen einer ersten Tätigkeitsstätte nicht vor und ist der Arbeitnehmer gleichwohl außerhalb seiner Wohnung beruflich tätig, befindet er sich ebenfalls auf Auswärtstätigkeit. Dementsprechend steht A dem Grunde nach die Verpflegungspauschale zu, auch wenn er als auf See tätiger Offizier keine erste Tätigkeitsstätte hatte und ein Schiff keine ortsfeste Einrichtung darstellt.

Die Verpflegungspauschale ist jedoch im Hinblick auf die vom Arbeitgeber des A zur Verfügung gestellten Mahlzeiten an Bord zu kürzen. Dies gilt auch für den Arbeitnehmer, der keine erste Tätigkeitsstätte hat, soweit ihm eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt wird.

Die Neuregelung des Reisekostenrechts ab 2014 bezweckt eine Vereinfachung gegenüber der früheren Rechtslage: Einerseits Verzicht auf die Besteuerung des geldwerten Vorteils bei Mahlzeitengestellung, andererseits gleichzeitige Kürzung des Werbungskostenabzugs. Dabei wird typisierend davon ausgegangen, dass dem Arbeitnehmer für seine Verpflegung keine Mehraufwendungen entstehen. Dementsprechend werden die Verpflegungspauschalen gekürzt. Mit der Neuregelung sollte der Werbungskostenabzug für Verpflegungsmehraufwendungen bei Mahlzeitengestellung durch den Arbeitgeber für jede Form der auswärtigen beruflichen Tätigkeit entfallen.

Sterbegeldzahlung an Erben: Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit?

Bei dem Sterbegeld, das nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gezahlt und nach den Dienstbezügen oder dem Ruhegehalt des Verstorbenen bemessen wird, handelt es sich um Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 EStG liegen nicht vor.

Hintergrund

A war zusammen mit ihren beiden Geschwistern Erbin ihrer verstorbenen Mutter M. Diese hatte als Ruhestandsbeamtin eine Pension bezogen. Den Erben stand nach beamtenrechtlichen Grundsätzen ein Sterbegeld in Höhe der doppelten Bruttobezüge des Sterbemonats der M zu. Auf Antrag der A wurde das Sterbegeld i. H. v. 6.000 EUR brutto (netto 5.300 EUR) auf das von A verwaltete Konto der M ausgezahlt.

Das Finanzamt ging davon aus, dass das Sterbegeld als sonstiger Bezug Arbeitslohn der A darstellte. Dementsprechend erhöhte es deren Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit um den Bruttobetrag des Sterbegeldes. Zugleich gewährte es einen Freibetrag für Versorgungsbezüge (3.176 EUR) sowie den Werbungskosten-Pauschbetrag (102 EUR) und rechnete die einbehaltenen Abzugsbeträge an.

Das Finanzgericht entschied zugunsten der A, dass die Zahlung des Sterbegeldes nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei war, da es sich um wegen Hilfsbedürftigkeit bewilligte Mittel handelte.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof sah dies anders. Seiner Ansicht nach orientiert sich das pauschale Sterbegeld nicht an einer typisierend vermuteten Hilfsbedürftigkeit des Empfängers, sondern dient dazu, den Hinterbliebenen die Bestreitung der mit dem Tod des Beamten zusammenhängenden besonderen Aufwendungen zu erleichtern.

Zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören auch Wartegelder, Ruhegelder, Witwen- und Waisengelder und andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen. Die Vorschrift erweitert die persönliche Zurechnung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit auf Rechtsnachfolger eines Arbeitnehmers. Soweit ein Rechtsnachfolger Arbeitslohn aus dem früheren Dienstverhältnis des Rechtsvorgängers bezieht, gilt der Rechtsnachfolger selbst als Arbeitnehmer. M bezog als Ruhestandsbeamtin Versorgungsbezüge. Die A hatte zusammen mit ihren Geschwistern als Abkömmlinge der M Anspruch auf Sterbegeld als Teil der Hinterbliebenenversorgung. Bei dem Sterbegeld handelt es sich somit um steuerbare, der A als Miterbin und damit Gesamtrechtsnachfolgerin der M zuzurechnende Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit

Bei dem beamtenrechtlichen Sterbegeld handelt es sich um einen Versorgungsanspruch eigener Art, den beim Tod eines Beamten nicht dessen Erben als solche erwerben, sondern der originär zugunsten der als sterbegeldberechtigt bezeichneten Personen entsteht und daher auch nicht in den Nachlass fällt. Die Gutschrift auf dem Konto der verstorbenen M hat daher zu einem Zufluss allein bei A geführt. A hatte die Gutschrift auf dem Konto der Erbengemeinschaft selbst veranlasst. Sie hatte erklärt, dass die Zahlung im Einverständnis mit den Geschwistern allein an sie erfolgen solle. Als Testamentsvollstreckerin hatte A zudem die Befugnis, über das Konto zu verfügen.

Die Zahlung des pauschalen Sterbegelds ist nicht davon abhängig, dass den berechtigten Personen anlässlich des Todesfalls Kosten tatsächlich oder mindestens in Höhe des Sterbegeldes entstanden sind. Zudem orientiert sich das pauschale Sterbegeld an den Dienstbezügen bzw. am Ruhegehalt des Verstorbenen im Sterbemonat, nicht aber an der wegen des anlassbezogenen tatsächlichen Aufwands typisierend vermuteten Hilfsbedürftigkeit des Empfängers. Eine typisierend unterstellte Hilfsbedürftigkeit kann in Bezug auf den Anspruch auf pauschales Sterbegeld daher nicht angenommen werden.

Bei dem Sterbegeld handelt es sich um einen Versorgungsbezug, sodass A ein Versorgungsfreibetrag zusteht. Unerheblich ist dabei, dass es sich um einen einmaligen Bezug handelt.

Wenn das Finanzamt eine Zuständigkeitsvereinbarung aufhebt

Ist hinsichtlich der Gesellschafterstellung eines Kindes eine Ergänzungspflegschaft angeordnet, dürfen die Stimmen dieses Kindes nicht einem Elternteil zugerechnet werden.

Hintergrund

V war bis zu seinem Tod am 3.1.2010 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der V-GmbH. Er wurde von seiner Witwe W zu ½ und von den beiden Söhnen S1 und S2 zu je ¼ beerbt. Nach dem Gesellschaftsvertrag reicht für die Beschlussfassung die einfache Stimmenmehrheit aus. Das Betriebsgrundstück steht im Alleineigentum der W. Sie hat es seit 2001 an die GmbH verpachtet.

Am 11.1.2010 wurde W von der Gesellschafterversammlung zur Geschäftsführerin bestellt und vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Für den minderjährigen S2 unterzeichnete sie als Erziehungsberechtigte.

Am 7.6.2010 wurde für S2 eine Ergänzungspflegschaft angeordnet, die die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte und -pflichten in der GmbH umfasste. Am 17.6.2010 beschloss die Gesellschaftsversammlung wiederum, W zur Geschäftsführerin zu bestellen. Diesen Beschluss unterschrieb die Ergänzungspflegerin für S2. Eine Befreiung der W vom Selbstkontrahierungsverbot enthielt dieser Beschluss nicht.

Das Finanzamt ging davon aus, dass mit der Bestellung der W zur Geschäftsführerin am 17.6.2010 neben der bereits bestehenden sachlichen Verflechtung auch eine personelle Verflechtung mit der GmbH eingetreten war. Denn gegen ihren Willen konnte sie als Geschäftsführerin nicht abberufen werden. Aufgrund der deshalb vorliegenden Betriebsaufspaltung war das Grundstück in das Besitzunternehmen der W einzulegen gewesen. Für die Zeit ab dem 17.6.2010 hatte sie folglich aus der Verpachtung gewerbliche Einkünfte erzielt. Für 2012 nahm das Finanzamt aufgrund der Bestellung der S1 und S2 zu weiteren Geschäftsführern die Beendigung der Betriebsaufspaltung und einen Aufgabegewinn an.

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Dieses entschied, dass W lediglich über 50% der Stimmen und damit nicht über die Stimmenmehrheit verfügte. Der Anteil des minderjährigen S2 war ihr nicht zuzurechnen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof schloss sich der Auffassung des Finanzgerichts an und entschied, dass es an der für die Betriebsaufspaltung erforderlichen personellen Verflechtung zwischen der W und der GmbH fehlte.

Für eine personelle Verflechtung ist erforderlich, dass der Gesellschafter nach den gesellschaftsrechtlichen Stimmverhältnissen in der Lage ist, seinen Willen in beiden Unternehmen durchzusetzen. Diese Voraussetzung war vorliegend nicht erfüllt. W war zwar Alleineigentümerin des überlassenen Betriebsgrundstücks, nicht aber in der Lage, auch in der GmbH ihren Willen durchzusetzen. Damit ein Gesellschafter eine GmbH beherrscht, ist es gesellschaftsrechtlich ausreichend und auch notwendig, dass er über die Stimmrechtsmehrheit verfügt, die der Gesellschaftsvertrag für Gesellschafterbeschlüsse vorschreibt. Die auf die W entfallenden 50% der Stimmen in der Erbengemeinschaft führen folglich nur zu einer Patt-Situation bei der Betriebs-GmbH. W kann die Betriebs-GmbH ohne Mehrheitsbeteiligung nicht beherrschen.

Eine Beherrschung der GmbH ergibt sich auch nicht daraus, dass die W zugleich Geschäftsführerin der GmbH wurde und so die sog. Geschäfte des täglichen Lebens der GmbH bestimmen konnte. Es fehlt die weiterhin notwendige Mehrheitsbeteiligung an der GmbH. Denn für eine Beherrschung im Sinne der Betriebsaufspaltung kommt es auf das für die Geschäfte des täglichen Lebens maßgebende Stimmrechtsverhältnis an. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der über die Mehrheit der Stimmen verfügt, beherrscht deshalb dann die Geschäfte des täglichen Lebens in der Betriebsgesellschaft, wenn ihm – abgesehen vom Vorliegen eines wichtigen Grundes –die Geschäftsführungsbefugnis nicht gegen seinen Willen entzogen werden kann.

Die Stimmen des minderjährigen S2 können der W mangels gleichgelagerter wirtschaftlicher Interessen nicht zugerechnet werden. Die Ergänzungspflegerin vertritt die Interessen des S2 in der GmbH unabhängig von den Interessen der W, sodass die Vermutung gleichgelagerter wirtschaftlicher Interessen dieser beiden Beteiligten nicht zum Tragen kommt. Aufgrund der Bestellung der Ergänzungspflegerin sind die Stimmrechte des S2 im Verhältnis zur GmbH nicht mehr Teil der Vermögenssorge der W. Es besteht deshalb keine Vermutung, dass die Interessen der W und des S2 gleichgelagert sind.

Vor der Bestellung der Ergänzungspflegerin konnte die Gesellschafterversammlung nicht wirksam gegenüber S2 einberufen und W nicht wirksam zur Geschäftsführerin bestellt werden. An einer Stimmabgabe für S2 war W wegen des Verbots des Insichgeschäfts gehindert. Es fehlt die nachträgliche Genehmigung der Ergänzungspflegerin. In dem Gesellschafterbeschluss v. 17.6.2020 kann keine Genehmigung des Beschlusses v. 11.1.2020 gesehen werden. Denn im Gesellschafterbeschluss vom 17.6.2010 wurde W gerade nicht vom Selbstkontrahierungsverbot befreit.