Auszahlung eines Versorgungsguthabens: Liegen außerordentliche Einkünfte vor?

Wird ein Versorgungsguthaben aus einer betrieblichen Altersversorgung, das über mehrere Jahre im Rahmen der Entgeltumwandlung angesammelt worden war, ausgezahlt, kann eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit vorliegen, die tarifermäßigt besteuert werden kann.

Hintergrund

Die Klägerin A war bis Mai 2013 nichtselbstständig beschäftigt. Aufgrund einer Konzernbetriebsvereinbarung hatte ihr Arbeitgeber ein betriebliches Versorgungswerk geschaffen, das aus dem vom Unternehmen finanzierten Basiskonto und dem optional durch Entgeltumwandlung vom Arbeitnehmer finanzierten Aufbaukonto besteht. A hatte bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen im Wege der Gehaltsumwandlung in den Versorgungsplan eingezahlt.

Im Jahr 2013 erhielt sie bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, von der ein Teil (120.000 EUR) im Wege der Entgeltumwandlung in das Aufbaukonto eingezahlt wurde. Der ausbezahlte Abfindungsbetrag wurde ermäßigt besteuert. Die Zahlungen in die betriebliche Altersversorgung blieben nach § 3 Nr. 63 EStG unversteuert.

Im Jahr 2015 löste A das Aufbaukonto auf und erhielt das darauf ausgewiesene Versorgungsguthaben von 144.000 EUR als Einmalbetrag ausbezahlt. Daneben bezog sie in diesem Jahr und in den Folgejahren vom Arbeitgeber ein laufendes Überbrückungsgeld wegen Erwerbsminderung. Das Basiskonto blieb bestehen.

A beantragte für die im Jahr 2015 zugeflossene Auszahlung des Aufbaukontos die ermäßigte Besteuerung (Tarifermäßigung). Das Finanzamt lehnte das ab. Die Klage der A vor dem Finanzgericht hatte Erfolg.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof schloss sich dem Urteil des Finanzgerichts an und entschied, dass die Auszahlung des auf dem Aufbaukonto ausgewiesenen Versorgungsguthabens ermäßigt zu besteuern ist.

Mit der Auszahlung des Versorgungsguthabens aus dem Aufbaukonto (144.000 EUR) erzielte A im Jahr 2015 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Bei dem Pensionsplan handelt es sich um eine Direktzusage. Diese Einnahmen sind im Jahr 2015 zu erfassen. In Höhe der Entgeltumwandlung ist es im Jahr 2013 nicht zu einem Zufluss gekommen. Denn die bloße Einräumung von Ansprüchen gegenüber dem Arbeitnehmer führt noch nicht zum Zufluss, sondern erst der Eintritt des Leistungserfolgs durch die Erfüllung der Ansprüche.

Die Auszahlung des Versorgungsguthabens stellt keine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen dar. Eine solche Entschädigung muss unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt sowie dazu bestimmt sein, diesen Schaden auszugleichen. Die Auszahlung des Versorgungsguthabens i. H. v. 144.000 EUR im Jahr 2015 ist jedoch nicht als Bestandteil dieser Abfindung anzusehen. Sie diente allein der Erfüllung des Anspruchs auf Auszahlung der auf dem Aufbaukonto gutgeschriebenen Kapitalbausteine.

Die Voraussetzung der Mehrjährigkeit i. S. v. § 34 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist erfüllt, wenn die früheren Beitragszahlungen sich über mindestens 2 Veranlagungszeiträume erstrecken und einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten umfassen. Dies ist hier der Fall. Das Guthaben auf dem Aufbaukonto setzte sich aus Entgeltumwandlungen aus verschiedenen Veranlagungszeiträumen zusammen.

Der Außerordentlichkeit der Auszahlung des Versorgungsguthabens im Jahr 2015 steht nicht entgegen, dass die Einzahlung in das Aufbaukonto weit überwiegend aus der Abfindung aus 2013 für den Verlust des Arbeitsplatzes aufgebracht worden ist. Eine schädliche Auszahlung einer einheitlichen Entschädigung in 2 Teilbeträgen ist hierin nicht zu sehen. Denn die Zahlungen beruhten auf unterschiedlichen Rechtsgründen. Die Verlagerung des Besteuerungszugriffs vom Zeitpunkt der Gehaltsherabsetzung auf den Eintritt des Versorgungsfalls bewirkt, dass das steuerliche Schicksal der umgewandelten Beträge losgelöst von dem des übrigen Arbeitsentgelts zu sehen ist.

Es liegt auch keine schädliche Teilauszahlung eines einheitlichen Versorgungsanspruchs vor. Denn das Überbrückungsgeld wurde unabhängig von dem Anspruch auf das jeweilige Versorgungsguthaben als zusätzliche Leistung erbracht und unterlag anderen Voraussetzungen. Auch bei den Versorgungsguthaben auf dem Basiskonto und auf dem Aufbaukonto handelte es sich um 2 selbstständige und von den Vertragspartnern getrennt behandelte Ansprüche.

Zur Entnahme von Grundstücken bei Überschreitung der Unschädlichkeitsgrenze von 10 %

Eine endgültige Nutzungsänderung von mehr als 10 % der Gesamtfläche des Betriebs führt zu einer Entnahme der entsprechenden Grundstücke. Dies gilt auch bei der Bestellung von Erbbaurechten an land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken und der anschließenden Bebauung durch die Berechtigten.

Hintergrund

A1, A2 und A3 sind die Erben nach ihrer Mutter M und die Nacherben nach ihrem Vater V. M veräußerte im Jahr 2012 Grundstücke. Diese hatte M im Jahr 2009 von ihrem Ehemann V geerbt. Zuvor standen sie im Eigentum des Vaters von V, des Großvaters GV der Erben A1, A2 und A3.

GV hatte einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, den er zunächst selbst bewirtschaftete. Später stellte er die Bewirtschaftung ein und verpachtete die landwirtschaftlich genutzten Flächen an verschiedene Landwirte, nicht jedoch die forstwirtschaftlichen Flächen. In den Jahren 1970 bis 1974 bestellte er an einem Großteil der Grundstücke Erbbaurechte und veräußerte weitere Grundstücke an Dritte.

Die Erben des 1981 verstorbenen GV waren sein Sohn V und seine Enkel A1, A2 und A3. Die aus diesen Personen bestehende Erbengemeinschaft setzte sich im Jahr 1984 auseinander. Die landwirtschaftlich genutzten Grundstücke gingen an V. Die A1, A2 und A3 erhielten die Erbbaugrundstücke.

Das Finanzamt ging davon aus, dass es sich bei den Grundstücken, die M im Jahr 2009 von V erbte und im Jahr 2012 veräußerte, weiterhin um land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen handelte. Dementsprechend erließ das Finanzamt gegenüber M einen Bescheid über die gesonderte Feststellung eines Veräußerungsgewinns aus Land- und Forstwirtschaft.

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Wegen der Parzellierung und Bestellung von Erbbaurechten durch GV in den Jahren 1970 bis 1974 waren die betreffenden Grundstücke durch eine zwangsweise Entnahme aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden. Damit war im Zuge der Erbauseinandersetzung 1984 der verbleibende Betrieb im Ganzen auf V übergegangen. Auf die Enkel war lediglich Privatvermögen übertragen worden. Dementsprechend führte die Erbauseinandersetzung nicht zu einer Zerschlagung bzw. Zwangsaufgabe des weiter bestehenden Betriebs.

Entscheidung

Die Revision wurde vom Bundesfinanzhof zurückgewiesen. Der ursprünglich von GV geführte land- und forstwirtschaftliche Betrieb ging mit dessen Tod über die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft auf V über. Dieser setzte den Betrieb bis zu seinem Tod fort. Anschließend wurde der Betrieb durch M fortgeführt.

Die Wahl zwischen Betriebsaufgabe und Fortführung als Verpachtungsbetrieb gilt auch für den Fall der parzellenweise Verpachtung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. GV hat indes eindeutig keine Betriebsaufgabeerklärung abgegeben.

Ein landwirtschaftlicher Betrieb wird mit der Übertragung sämtlicher landwirtschaftlicher Nutzflächen an Dritte aufgegeben. Das gilt auch dann, wenn das Betriebsvermögen auf die Erben aufgeteilt wird. Im vorliegenden Fall wurde der landwirtschaftliche Verpachtungsbetrieb, der nach der Entnahme der Erbbaugrundstücke weiter bestand, durch die Erbauseinandersetzung jedoch nicht zerschlagen, sondern im Ganzen auf V übertragen. Denn die Erbbaugrundstücke, die die Erben A1, A2 und A3 bei der Auseinandersetzung erhielten, gehörten zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen, da GV sie schon in den 1970er Jahren aus seinem Betrieb entnommen hatte.

Auch wenn aufgrund einer Nutzungsänderung eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung nicht mehr möglich ist, können Grundstücke bis zu einer Entnahme geduldetes Betriebsvermögen bleiben, wenn die Vermögensverwaltung den Charakter des landwirtschaftlichen Betriebs nicht verdrängt. Als unschädlich gilt die Bestellung von Erbbaurechten und die Bebauung mit privaten Wohnhäusern, wenn die Nutzungsänderung einen Umfang von nicht mehr als 10 % der landwirtschaftlichen Flächen betrifft. Das gilt auch dann, wenn die Erträge aus der Vermögensverwaltung die land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte überwiegen.

GV hatte an 10,76 % der Gesamtfläche seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs Erbbaurechte bestellt. Damit ist die Unschädlichkeitsgrenze von 10 % überschritten mit der Folge, dass die Erbbaugrundstücke entnommen wurden und nicht mehr als Betriebsvermögen anerkannt werden können. Das hat weiter zur Folge, dass der ursprünglich von GV geführte Betrieb durch die Erbauseinandersetzung im Jahr 1984 nicht zerschlagen, sondern von V und dessen Erbin M im Ganzen fortgeführt wurde. Die von M im Jahr 2012 veräußerten Grundstücke gehörten somit zu ihrem Betriebsvermögen und führten zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn.

 

Gesellschafter vermietet Arbeitszimmer an GmbH: Gilt die Abzugsbeschränkung?

Mietet eine GmbH Räume in der Wohnung eines ihrer Gesellschafter an, um diese betrieblich zu nutzen, sind die Abzugsbeschränkungen für häusliche Arbeitszimmer nicht anwendbar. Auch eine verdeckte Gewinnausschüttung kommt im Normalfall nicht in Betracht.

Hintergrund

Der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH vermietete in einer von ihm angemieteten Wohnung an seine GmbH 2 Büroräume mit ca. 35 m² für einen monatlichen Mietpreis von 352,79 EUR.

Nach Auffassung des Finanzamts wurde das Mietverhältnis nicht wie unter fremden Dritten ausgestaltet und auch nie als solches tatsächlich durchgeführt. Es war im schriftlichen Mietvertrag weder eine Vereinbarung über die Bedingungen der Nutzung der überlassenen Räume noch eine Abrede über die Zahlung der Mietnebenkosten getroffen worden. Bei den gemieteten Räumen handelte es sich um eine Wohnung und nicht um Büroräume. Deshalb behandelte das Finanzamt die Mietzahlungen von jährlich 4.233 EUR bei der GmbH als verdeckte Gewinnausschüttung. Dagegen wandte sich die GmbH mit ihrer Klage.

Entscheidung

Die Klage der GmbH hatte Erfolg. Der formelle Fremdvergleich bei einem Mietvertrag zwischen Gesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter erfordert, dass im schriftlichen Mietvertrag Mietobjekt, Mietpreis, Mietbeginn niedergelegt sind und eindeutig feststeht, auf welche Räume sich der Mietvertrag bezieht. Diese Anforderungen sah das Finanzgericht als erfüllt an. Die Vereinbarung einer Bruttomiete ohne Abrechnung der Betriebskosten war kein ausreichender Grund, eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen, da dies bei Untermietverhältnissen nicht unüblich ist.

Darüber hinaus entschied das Finanzgericht, dass die Regelungen über die beschränkte Abziehbarkeit der Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers bei einer GmbH, die Räume in der Wohnung des Gesellschafters zur betrieblichen Nutzung anmietet, nicht anwendbar sind.

Zur umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage bei sog. 0 %-Finanzierungen

Ist die Bemessungsgrundlage aus Warenverkäufen um die vom Verkäufer an ein finanzierendes Kreditinstitut entrichteten Finanzierungsentgelte zu mindern? Nein, entschied der Bundesfinanzhof. Das gilt auch dann, wenn der Unternehmer gegenüber dem Kunden angibt, dass er ihm einen Nachlass in Höhe der Zinsen gewährt.

Hintergrund

Die A betreibt einen Einzelhandel. Sie bietet ihren Kunden eine sog. 0 %-Finanzierung an, bei der die Kunden trotz Ratenzahlung insgesamt nur den Kaufpreis, den sie auch bei einer sofortigen Barzahlung entrichtet hätten, zahlen. Grundlage dieses Angebots ist eine Vereinbarung (Rahmenvertrag) zwischen der X (Muttergesellschaft der A) und einer Bank. Die Bank übernimmt die von X vermittelten Kredite. Die Darlehensverträge werden unmittelbar zwischen den Kunden (Darlehensnehmern) und der Bank geschlossen. Vermittelt A eine 0 %-Finanzierung, ist X zur Zahlung einer „Subvention“ (Finanzierungsentgelt) an die Bank verpflichtet. Dazu erfolgt die Auszahlung der Darlehensvaluta an A abzüglich der sog. Subvention.

Die Kaufverträge der A mit ihren Kunden wurden zum Barzahlungsbetrag (Kaufpreis) abgeschlossen. Über diesen Betrag erteilte A gegenüber dem Kunden eine Rechnung, in der der Nettobetrag und die darauf entfallende Umsatzsteuer ausgewiesen waren. Zusätzlich enthielt die Rechnung den Hinweis: „Als Nachlass gewähren wir die seitens der finanzierenden Bank erhobenen Zinsen. Diese belaufen sich auf … EUR. Vereinbarungsgemäß zahlen wir den als Nachlass gewährten Betrag direkt an die finanzierende Bank. Ein Anspruch auf Barauszahlung des Nachlasses besteht nicht.“

In den Abrechnungen zu den Darlehensverträgen zwischen den Kunden und der Bank wurden der Gesamtkaufpreis als Darlehensbetrag und der Jahreszins mit „eff. 0,00 %“ angegeben. Die Bank zahlte die jeweilige Darlehensvaluta gekürzt um die Subvention an die A aus.

A ging davon aus, dass die Bemessungsgrundlage um die Subvention zu kürzen war. Das Finanzamt setzte dagegen die Umsatzsteuer nach der ungekürzten Bemessungsgrundlage fest.

Dem folgte das Finanzgericht und wies die Klage ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof schloss sich der Entscheidung des Finanzgerichts an. Das Entgelt als Bemessungsgrundlage für die Lieferung an den Kunden war nicht um den Betrag zu mindern, um den die Bank die Auszahlung der Valuta an die A gekürzt hat.

Der vom Kunden geschuldete Kaufpreis ist die Gegenleistung für die Lieferung der A. Der Kaufpreis bzw. die ungekürzte Darlehensvaluta bildet die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der Lieferung. Über diese Summe vereinbarte der Kunde mit der Bank das von A vermittelte Sonderzinsdarlehen mit einer Auszahlung an A zur Tilgung der Kaufpreisschuld unter Einbehalt der vereinbarten „Subvention“. Unerheblich ist, dass der Kunde den vereinbarten Kaufpreis nicht unmittelbar an A, sondern unter Einschaltung der Bank zahlte.

Der Einbehalt hat seinen Rechtsgrund nicht in dem für die Besteuerung allein maßgeblichen Rechtsverhältnis zwischen A und dem Kunden, sondern im Rechtsverhältnis zwischen A und der Bank. Der Kunde schuldete A aufgrund des Kaufvertrags den ungeminderten Barzahlungsbetrag. In diesem Betrag war kein Zins enthalten, auch wenn A dem Kunden in Kaufvertrag und Rechnung jeweils offengelegt hat, in welcher Höhe die finanzierende Bank gegenüber A Zinsen erhob bzw. die „Subvention“ einbehielt. Dieser Einbehalt hatte keinen Einfluss auf die Höhe des vom Kunden geschuldeten Kaufpreises, der auch in voller Höhe von der Bank finanziert wurde. Die Tatsache, dass A dem Kunden ein Sonderzinsdarlehen der Bank vermittelte, änderte die Bemessungsgrundlage nicht. Denn die Darlehensvermittlung als Nebenleistung stellt für den Kunden keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel dar, um die Warenlieferung der A als Hauptleistung unter optimalen Bedingungen zu erhalten.

Das gesondert zu betrachtende Leistungsverhältnis zwischen der A und der Bank berührt die Bemessungsgrundlage für die Lieferung der A an den Kunden nicht. Aufgrund des Rahmenvertrags zwischen der A und der Bank war diese bereit, dem Kunden ein Sonderzinsdarlehen einzuräumen und damit für die Bezahlung der Ware zu garantieren. Die Bank erbrachte diese Dienstleistung gegenüber der A gegen Entgelt. Dieses bestand in der vereinbarten „Subvention“, die bei Auszahlung der Darlehenssumme von der Bank einbehalten wurde. Diese von der Bank an die A erbrachte steuerfreie Finanzdienstleistung ist Teil eines anderen unabhängigen Geschäftsvorgangs. Dieser Vorgang kann die Bemessungsgrundlage des Kaufs zwischen dem Kunden und der A nicht berühren.

Zum Vorsteuerabzug bei Vermietung einer kommunalen Mehrzweckhalle mit Parkplatz

Vermietet eine Gemeinde ihre kommunale Mehrzweckhalle mit Parkplatz jeweils kurzfristig, stellt dies eine umsatzsteuerfreie Vermietung dar. Ein teilweiser Vorsteuerabzug ist möglich, wenn die Gemeinde teilweise auf die Steuerbefreiung verzichtet.

Hintergrund

Die Klägerin, eine Gemeinde, hatte eine Halle errichtet. Diese wurde sowohl für Sport- und Übungszwecke als auch für private und sonstige Veranstaltungen jeweils kurzfristig für Tage oder Stunden vermietet. Im Rahmen der Vermietung wurden auch Betriebsvorrichtungen überlassen. Neben der Halle wurde ein öffentlicher Parkplatz errichtet, den die Allgemeinheit ohne Einschränkungen kostenfrei nutzen konnte.

Die Gemeinde machte den vollen Vorsteuerabzug für die gesamte Baumaßnahme geltend. Das Finanzamt dagegen kürzte die Vorsteuern auf 23,4 %. Dieser Anteil entsprach der Vermietungsleistung, für die auf die Umsatzsteuerfreiheit zulässigerweise verzichtet wurde, sowie den Leistungen aus der Überlassung der Betriebsvorrichtungen, die per se umsatzsteuerpflichtig sind. Der anteilige Vorsteuerabzug wurde auch hinsichtlich des Parkplatzes anerkannt. Dieser war nach Ansicht des Finanzamts von der Gemeinde zutreffend ihrem Unternehmen zugeordnet worden. Gegen die Kürzung des Vorsteuerabzugs klagte die Gemeinde vor dem Finanzgericht.

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage ab und entschied, dass der Gemeinde der volle Vorsteuerabzug nicht zustand.

Das Finanzamt hatte die Gemeinde zu Recht als Unternehmerin behandelt, weil eine Behandlung als Nichtunternehmerin offenkundig zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Dass die Gemeinde für den Übungs- und Sportbetrieb offenbar kein kostendeckendes Entgelt erhoben hat, steht dieser Behandlung nach Ansicht des Gerichts nicht entgegen, da sie sich im Übrigen markttypisch verhalten habe. Obwohl die Überlassung nur kurzfristig (stunden- bzw. tageweise) erfolgte, handelt es sich um eine umsatzsteuerfreie Vermietung.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Gemeinde keine wesentlichen sonstigen Dienstleistungen, wie etwa gastronomische Zusatzleistungen anbietet und außer dem Hausmeister auch kein Personal zur Verfügung stellt. Bei den mitüberlassenen Betriebsvorrichtungen (z. B. Kücheneinrichtung, Hebebühne, Bühne, Tische, Stühle, Beleuchtung und Technik, Sanitärräume, Geschirr und Besteck) handelt es sich um untergeordnete Nebenleistungen zu der vertraglich vereinbarten Überlassung der Räumlichkeiten. Dass das Finanzamt den Vorsteuerabzug in dem Umfang nicht zugelassen hat, wie die Gemeinde die Halle bzw. Teile davon an Nichtunternehmer bzw. nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer vermietet hat und insoweit nicht optieren konnte, ist nicht zu beanstanden.

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Tatsache, dass das Finanzamt den anteiligen Vorsteuerabzug für die Herstellungskosten eines der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung stehenden Parkplatzes zugelassen hat, weil die Errichtung des Parkplatzes bzw. der darauf bestehenden Stellplätze zwingende Voraussetzung für die Baugenehmigung der Mehrzweckhalle waren.

Wann sind Krankentransporte von der Umsatzsteuer befreit?

Dienstleistungen im Bereich des Rettungsdienstes können eng mit der Sozialfürsorge verbunden und damit von der Umsatzsteuerpflicht befreit sein. Das gilt auch für Abrechnungen von Krankentransport- und Rettungsdienstleistungen gegenüber Sozialversicherungsträgern, die ein Rettungsdienst für den Träger des Rettungsdienstes und die anderen Rettungsdienste übernommen hat.

 Hintergrund

Der als gemeinnützig anerkannte A-Verband der freien Wohlfahrtspflege ist als Leistungserbringer im öffentlichen Rettungsdienst tätig. Träger des öffentlichen Rettungsdienstes ist der Landkreis. A wickelt die Abrechnung der Rettungsdienstleistungen selbstständig mit den Kostenträgern ab.

Ab 2012 sollte es in jedem Landkreis nur noch eine Abrechnungsstelle geben. Dementsprechend führte A neben der Abrechnung der eigenen Einsätze auch die Abrechnungen der Einsätze für 4 andere Leistungserbringer in den Bereichen Rettungsdienst und Krankentransport gegenüber den Kostenträgern durch. Die Abrechnung des Rettungsdienstes erfolgt ausdrücklich im Auftrag des Landkreises.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der Betrieb der Abrechnungsstelle eine gesondert zu beurteilende selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit darstellte, die die Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erfüllt und kein Zweckbetrieb ist. Eine Umsatzsteuer-Befreiung für die Leistungen der Abrechnungsstelle für die anderen Leistungserbringer kam deshalb nicht in Betracht. Davon ausgenommen war die Abrechnung der eigenen Rettungsdienstleistungen.

Das Finanzgericht sah dies ebenso und wies die Klage ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied dagegen, dass die Abrechnungsleistungen steuerfrei sind. Entgegen dem Urteil des Finanzgerichts erbringt A auch im Hinblick auf die Abrechnungen für andere Leistungserbringer steuerbefreite Leistungen und ist auch insoweit als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt.

Die Steuerbefreiung knüpft an leistungs- und an personenbezogene Voraussetzungen an: Es muss sich um eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen handeln, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen erbracht werden, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind.

Um das Merkmal „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden“ zu erfüllen, muss die Leistung jedenfalls für die der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unterfallenden Umsätze unerlässlich sein. Das ist hier der Fall. Die von A mit seiner Haupttätigkeit erbrachten Leistungen des Krankentransports und der Notfallrettung sind dem Grunde nach begünstigt. Die Abrechnung des A über diese Leistungen ist Teil derselben.

Soweit das Finanzgericht eine eng mit der Sozialfürsorge verbundene Dienstleistung verneint hat, weil A die betreffende Abrechnungsleistung nicht gegenüber dem jeweiligen Hilfsbedürftigen erbracht hat, sondern gegenüber einem anderen Leistungserbringer, widerspricht dies der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs. Denn danach hängt die Steuerbefreiung von Dienstleistungen nicht davon ab, an wen sie erbracht werden. Sie müssen lediglich einen für die Durchführung der Maßnahmen der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unerlässlichen Schritt darstellen.

Bei dem A-Verband handelt es sich um eine anerkannte Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter. Die Übernahme der Kosten durch die Sozialleistungsträger beruht auf speziellen vertraglichen Grundlagen. Nur auf Verlangen der Sozialleistungsträger hatte es A übernommen, Leistungen auch für dritte Leistungserbringer abzurechnen.

Der Bundesfinanzhof verwies die Sache an das Finanzgericht zurück, da Feststellungen zur Höhe der steuerfreien Umsätze fehlen.

Unterliegt eine Gutachtertätigkeit im Auftrag des MDK der Umsatzsteuer?

Zwar ist es unschädlich, wenn die Leistungen an den Medizinischen Diensts der Krankenversicherung (MDK) erbracht werden, und nicht an die Hilfsbedürftigen. Werden die Kosten jedoch nur mittelbar über den MDK erstattet, fehlt es an der Anerkennung als „Einrichtung mit sozialem Charakter“.

Hintergrund

A ist Krankenschwester mit Zusatzausbildung im Bereich der Pflege. Sie erstellte in den Jahren 2012 bis 2014 für den MDK Gutachten zur Pflegebedürftigkeit von Patienten. Ihre Leistungen rechnete der MDK ihr gegenüber ohne Umsatzsteuer-Ausweis ab. A erklärte die Umsätze als steuerfrei, nahm jedoch den Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen in Anspruch.

Das Finanzamt ging davon aus, dass die Gutachtertätigkeit weder nach nationalem noch nach Unionsrecht steuerfrei war und setzte entsprechend Umsatzsteuer fest.

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Insbesondere war die Erstellung von Pflegegutachten nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL als „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistung“ steuerfrei.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied, dass die gutachterlichen Leistungen der A nicht nach nationalem Recht von der Umsatzsteuer befreit sind. Auch kann sich A für die Steuerfreiheit nicht auf das Unionsrecht berufen.

Die Gutachtertätigkeit des MDK und damit auch die Tätigkeit der A dienen als Grundlage für die Feststellung, in welcher Höhe dem Versicherten ein Anspruch auf Kostenersatz nach dem Gesetz über die Pflegeversicherung zusteht. Darin liegt keine Heilbehandlung. Die Begutachtung, ob eine Pflegebedürftigkeit und welcher Pflegegrad besteht, betrifft die Gewährung von Leistungen durch die Pflegekasse, nicht die Therapie. Die Ärzte des MDK sind nicht berechtigt, in die ärztliche Behandlung einzugreifen.

Nach § 4 Nr. 15 UStG und Nr. 15a UStG sind nur die Umsätze der darin genannten Einrichtungen (z. B. der Sozialversicherungsträger bzw. des MDK) steuerfrei. A selbst gehört nicht dazu. Da es sich bei ihren Leistungen nicht um Leistungen zur Betreuung oder Pflege von Personen handelt, ist auch die Steuerfreiheit des § 4 Nr. 16 UStG nicht einschlägig.

Das Leistungsmerkmal „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden“ setzt nach Art. 134 Buchst. a MwStSystRL voraus, dass die betreffenden Leistungen für die der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unterfallenden Umsätze unerlässlich sind. Dieses Unerlässlichkeitserfordernis ist bei den von A erbrachten Gutachterleistungen erfüllt.

Durch Art 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL werden jedoch nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten von der Umsatzsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die in der Vorschrift einzeln aufgeführt sind. Bei A fehlt es an der Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter. Die nur mittelbare Kostentragung über den MDK genügt insoweit nicht. Soweit der Bundesfinanzhof demgegenüber entschieden hatte, dass es für die Anerkennung bereits ausreicht, dass die Kosten mittelbar (durchgeleitet) von Einrichtungen der sozialen Sicherheit getragen werden, auch wenn keine direkten vertraglichen Beziehungen zum öffentlichen Träger bestehen, ist diese Auffassung nach Ergehen des EuGH-Urteils „Finanzamt D“ (EU:C:2020:811) überholt. Das gilt jedenfalls, soweit die mittelbare Kostenübernahme nicht auf einer expliziten Entscheidung einer Einrichtung der sozialen Sicherheit beruht.

Stipendienzahlungen können Sonderbetriebseinnahmen sein

Wird einem Mitunternehmer ein Stipendium gewährt, ist dieses als Sonderbetriebseinnahme zu erfassen. Das gilt insbesondere dann, wenn die durch das Stipendium geförderte Tätigkeit des Mitunternehmers im Rahmen der Mitunternehmerschaft mit deren Mitteln betrieben wird.

Hintergrund

A und B waren jeweils zur Hälfte an einer GbR beteiligt, die sich mit Softwareentwicklung beschäftigte. Im Jahr 2010 hatten sie mit der Universität C jeweils Stipendiatenverträge geschlossen. Danach erhielten sie als Teil des Programms „Existenzgründungen aus der Wissenschaft (EXIST)“ für 2010/2011 ein Stipendium. Die Stipendien sollten der Entwicklung einer Software dienen. Dazu sollte von A und B ein Forschungsprototyp der Universität zu einem marktreifen Produkt ausgearbeitet werden.

Die Stipendien sollten den Existenzgründern ermöglichen, sich ganz der Verfolgung und Realisierung der Gründungsidee zu widmen. Sie stellten weder Vergütungen noch Arbeitsentgelt dar, sondern dienten lediglich der Sicherung des Lebensunterhalts und des finanziellen Risikos wegen Krankheit während der Weiterverfolgung der Gründungsidee.

Die Stipendien wurden teils im Jahr 2010, teils im Jahr 2011 an A und B ausgezahlt.

Das Finanzamt ging davon aus, die Stipendien seien als Sonderbetriebseinnahmen zu erfassen, und änderte den Feststellungsbescheid 2010 entsprechend.

Die Klage gegen die Berücksichtigung als Sonderbetriebseinnahmen hatte vor dem Finanzgericht Erfolg, da es nach Ansicht der Finanzrichter an einer Veranlassung der Stipendienzahlungen durch das Gesellschaftsverhältnis fehlte.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Zwar war auch der Bundesfinanzhof der Meinung, dass die Stipendienzahlungen keine Sondervergütungen darstellten, weil die Universität als Stipendiengeberin nicht in einen Leistungsaustausch zwischen A und B einerseits und der GbR andererseits eingeschaltet war. Das Finanzgericht hat jedoch unzutreffend angenommen, dass die Stipendienzahlungen mangels Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch keine sonstigen Sonderbetriebseinnahmen sein können.

Zu den mitunternehmerischen Einkünften des Gesellschafters einer Personengesellschaft gehören alle Einnahmen und Betriebsausgaben, die ihre Veranlassung in der Beteiligung des Steuerpflichtigen an der unternehmerisch tätigen Personengesellschaft haben. Als Sonderbetriebseinnahmen in diesem Sinne sind auch Einnahmen zu qualifizieren, die ein Mitunternehmer zwar im eigenen Namen, aber mit Unterstützung der Mitunternehmerschaft erzielt.

Dementsprechend ist auch das einem Mitunternehmer gewährte Stipendium als Sonderbetriebseinnahme zu erfassen, wenn die durch das Stipendium geförderte Tätigkeit des Mitunternehmers im Rahmen der Mitunternehmerschaft mit deren Mitteln betrieben wird. Stipendien dienen regelmäßig dazu, den Geförderten bei der Umsetzung eines bestimmten Vorhabens finanziell zu unterstützen. Sie steigern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stipendiaten. Bedient sich der so Geförderte als Mitunternehmer der Mitunternehmerschaft, um das geförderte Vorhaben voranzutreiben, ist die Stipendienzahlung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst.

Hiervon abweichend hat das Finanzgericht unzutreffend darauf abgestellt, dass die Zahlungen nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst waren, weil die GbR nicht selbst Partei der Stipendiatenverträge war und sich A und B nicht als Mitunternehmer der GbR verpflichtet hatten, das Projekt in der bestehenden GbR weiterzuentwickeln. Daraus folgt jedoch nicht, dass keine Sonderbetriebseinnahmen gegeben sein könnten. Denn die Stipendienzahlungen wären dann als Sonderbetriebseinnahmen zu qualifizieren, wenn A und B die Entwicklung des Projekts zwar in eigenem Namen, jedoch mit Mitteln (insbesondere der technischen Ausstattung) der GbR betrieben hätten.

Dass A und B ihr Vorhaben mit Mitteln der GbR betrieben haben, kann nicht ausgeschlossen werden. Die GbR war bereits erfolgreich im Bereich der Softwareentwicklung tätig. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus möglich, dass sie das geförderte Projekt in der GbR weiterentwickelt und sich hierzu der Ressourcen der GbR bedient haben. Das Finanzgericht muss deshalb die tatsächlichen Umstände der Umsetzung des geförderten Gründungsvorhabens durch A und B näher aufklären.

Sind Hundezüchter Unternehmer?

Verhält sich ein Hundezüchter beim Verkauf von Hunden aus seiner Zucht wie ein Händler, ist er unternehmerisch tätig. Das gilt auch dann, wenn die Hundezucht ein langjähriges persönlich wichtiges Hobby war.

Hintergrund

Die Klägerin züchtete seit 2011 in ihrem Privathaus Hunde der Rasse C. Sie ist Mitglied des Verbandes Deutscher Hundezüchter, der für die von der Klägerin gezüchtete Rasse eigene Zuchtziele und streng einzuhaltende Vorgaben festlegt. Am 12.1.2017 meldete sie das vorher bei der Gemeinde angemeldete Gewerbe mangels hinreichender Gewinnerzielungsmöglichkeit wieder ab.

Die Umsätze aus dem Verkauf von Hunden betrugen in den Jahren 2011 bis 2016 zwischen 15.000 EUR und 23.000 EUR. Das Finanzamt behandelte diese Umsätze als unternehmerisch. Wegen der Umsatzhöhen der Vorjahre kam für die Jahre 2013, 2015 und 2016 die Kleinunternehmerregelung nicht in Betracht. Gegen die Einordnung als umsatzsteuerliche Unternehmerin wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Umsatzsteuerlicher Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Das gilt auch dann, wenn die Absicht, Gewinne zu erzielen, fehlt. Deshalb besteht umsatzsteuerlich keine Bindung an eine evtl. vorliegende ertragsteuerliche „Liebhaberei“. Die nachhaltige gewerbliche oder berufliche (wirtschaftliche) Tätigkeit ist von der bloßen privaten Vermögensverwaltung abzugrenzen. Eine unternehmerische Tätigkeit liegt vor, wenn der Betreffende aktive Schritte zum Vertrieb / zur Vermarktung von Gegenständen wie ein Händler unternimmt. Maßgeblich sind u. a. die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens, die Höhe der Entgelte, die Beteiligung am Markt, die Zahl der ausgeführten Umsätze und der Kunden, das planmäßige Tätigwerden, die Vielfalt des Warenangebots und das Unterhalten eines Geschäftslokals oder mehrerer Verkäuferkonten. Die Klägerin hat ähnlich wie ein Händler unternehmerisch agiert. Die Klägerin hat sich mit ihrer Hundezucht am allgemeinen Markt beteiligt, indem sie die Hunde teilweise auch gegen Entgelt an Dritte verkaufte.

Die Verkäufe ihrer Hunde waren nicht nur Ausfluss ihres privaten Hobbys. Vielmehr hat die Klägerin allgemein bewährte Vertriebsmaßnahmen z. B. über das Internet ergriffen und dort ihre persönliche Eignung und die Qualität ihrer Hundezucht explizit dargestellt. Schon bei der Planung der Würfe bestand die Absicht, die Welpen zu verkaufen. Hierzu kündigte die Klägerin die bei ihr anstehenden Würfe auf ihrer Internetseite an und machte damit schon zu diesem frühen Zeitpunkt auf in nächster Zeit zum Verkauf stehende Welpen aufmerksam. Schließlich verkaufte sie die Tiere gegen Preise, die für Zuchttiere regelmäßig gezahlt werden. Nach dem im Mehrwertsteuersystem geltenden Neutralitätsprinzip sind Anbieter gleichartiger Waren gleichermaßen mit Umsatzsteuer zu belasten. Vorliegend besteht ein zumindest potenzieller Wettbewerb mit anderen Züchtern.

Säumniszuschläge: Ist deren Höhe verfassungsgemäß?

An der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge bestehen keine Zweifel, meint das Finanzgericht Münster. Das gilt auch im Hinblick auf die schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Zweifel bezüglich der Höhe des Zinssatzes bei den Nachzahlungszinsen nach § 233a AO.

Hintergrund

Die Antragstellerin beantragte den Erlass von Säumniszuschlägen. Das Finanzamt erließ diese jedoch nur zur Hälfte aus sachlichen Billigkeitsgründen wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Antragstellerin. Darüber hinaus lehnte es den Antrag ab. Die Antragstellerin bezahlte die ausstehenden Säumniszuschläge vollständig.

In der Folge beantragte die Antragstellerin den Erlass eines Abrechnungsbescheids. Sie trug vor, dass sich die Säumniszuschläge nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Hälfte aus einem Druckmittel und zur Hälfte aus einen Zinsanteil zusammensetzten. Den Zinsanteil hält der Bundesfinanzhof aus sachlichen Billigkeitsgründen regelmäßig nicht für erlasswürdig. Denn dieser entspricht der steuerlichen Verzinsung bei späterer Fälligkeit der Steuer. Die Antragstellerin ist der Ansicht, wenn die Zinshöhe mit 6 % verfassungswidrig hoch sei, müsse dies auch für den Zinsanteil in den Säumniszuschlägen gelten.

Gegen den Abrechnungsbescheid, der die kraft Gesetzes entstandenen Säumniszuschläge und die hierauf entrichteten Zahlungen auswies, legte die Antragstellerin Einspruch ein, der jedoch erfolglos blieb. Den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung lehnte das Finanzamt ebenfalls ab. Die Antragstellerin hat daraufhin Klage erhoben und Aufhebung der Vollziehung beim Finanzgericht beantragt.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Antragstellerin Recht und entschied, dass nach summarischer Prüfung ernstliche Zweifel daran bestehen, dass das Finanzamt Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO angesetzt hat.

Die Vorschrift des § 240 AO ist nach Auffassung des Finanzgerichts an sich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. An der grundsätzlichen Verfassungsgemäßheit der Vorschrift ändert sich auch dadurch nichts, dass inzwischen gegen die Höhe des Zinssatzes bei sog. Nachzahlungszinsen schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel bestehen.

Es gibt jedoch sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken, wenn die Säumniszuschläge wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen teilweise zu erlassen sind. Die nicht erlassenen Säumniszuschläge dürften in diesen Fällen im Wesentlichen dem gleichen Zweck wie die Verzinsung dienen. Ob sich die Zweifel an der Vereinbarkeit der nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festzusetzenden Zinsen auch auf § 240 AO übertragen ließen, wurde in der Rechtsprechung bisher uneinheitlich und noch nicht höchstrichterlich entschieden. In Anbetracht der unterschiedlichen Entscheidungen bestehen im vorliegenden Fall ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im Abrechnungsbescheid ausgewiesenen Säumniszuschläge, da bei der Antragstellerin eine Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit vorlag.