Zwangsgemeinschaft mit typisch stillem Gesellschafter und Betriebsausgabenabzug

Der Betriebsausgabenabzug einer Gesellschaft darf nicht gekürzt werden, wenn sie sich in einer „Zwangsgemeinschaft“ mit einem typisch stillen Gesellschafter befindet und sich aktiv und erkennbar aus dieser Verbindung lösen will. Ein Fremdvergleich darf in diesem Fall nicht angestellt werden.

Hintergrund

Ein Sohn des Firmeninhabers einer KG war in die Leitung des Unternehmens eingebunden. Ein anderer Sohn hielt seit dem Jahr 1967 eine stille Beteiligung an der Gesellschaft. Im Jahr 1978 setzte der Firmeninhaber ein Testament mit einem Vermächtnis auf, nach dem der bereits still beteiligte Sohn typisch stiller Gesellschafter der Gesellschaft werden sollte. Nach dem Tod des Firmeninhabers schloss die KG mit dem Sohn (Vermächtnisnehmer) einen Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft, um dessen erbrechtlichen Anspruch entsprechend umzusetzen. Sein Gewinnanteil betrug „ungedeckelt“ 20 % des Gewinns der Geschäftsinhaberin.

In den Jahren 2006 bis 2009 wurden ihm daraufhin Gewinnanteile ausgezahlt, die sich auf Beträge zwischen 52,23 % bis 105,53 % der Einlage beliefen. Die Gesellschaft versuchte daraufhin, die stille Beteiligung gegen Abfindungszahlung aufzulösen. Dies gelang jedoch erst, als die Verjährung des erbrechtlichen Anspruchs drohte.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass der Vertrag über die stille Beteiligung ein nicht fremdüblicher Vertrag zwischen nahen Angehörigen war und die Regelung über das Gewinnbezugsrecht dem Fremdvergleich nicht standhielt. Denn es war kein Recht auf ordentliche Kündigung der Beteiligung und keine Obergrenze für den Gewinnanteil vereinbart worden. Das Finanzamt deckelte deshalb den Betriebsausgabenabzug der Gesellschaft auf eine Obergrenze von 35 % des Einlagekontos.

Entscheidung

Nach Ansicht des Finanzgerichts durfte im vorliegenden Fall kein Fremdvergleich vorgenommen werden. Denn der Gesellschaft war die stille Beteiligung durch den Vertrag über die Beteiligung zur Regelung des Nachlasses des Firmeninhabers quasi aufgedrängt worden. Zwar hatte der Firmeninhaber die Beteiligung aufgrund eines familiären Näheverhältnisses zu seinem Sohn eingeräumt – für die Frage des unbegrenzten steuerlichen Abzugs der Zahlungen an den stillen Gesellschafter ist aber das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Sohn maßgeblich. Zwischen diesen Parteien bestand ein Interessensgegensatz, insbesondere dadurch, dass sich die Gesellschaft aus der Beteiligung lösen wollte und ihr dies dann schließlich auch gelang.

Das Finanzgericht entschied folglich, dass die vorgenommene Kürzung der Betriebsausgaben rechtswidrig war.

Ungleichbehandlung von Anteilseignern einer EU-Kapitalgesellschaft?

Inländische Anteilseigner einer Drittstaatenkapitalgesellschaft können im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens den Nachweis führen, dass ein bestimmter Bezug als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren ist. Ausschüttungen an inländische Gesellschafter einer EU-Kapitalgesellschaft gelten jedoch stets als Gewinnausschüttung, wenn die EU-Kapitalgesellschaft kein Feststellungsverfahren gem. § 27 Abs. 8 KStG betreibt. Der Bundesfinanzhof hat diesbezüglich keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Hintergrund

Kann eine steuerfreie Einlagenrückgewähr von einer EU-Auslandskapitalgesellschaft nur über einen Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) geltend gemacht oder kann der Nachweis wie im Fall von Drittstaatengesellschaften – auch vom Anteilseigner selbst bei der Einkommensteuer-Veranlagung erbracht werden? Strittig war auch, ob die vom Anteilseigner X im Jahr 2011 aus einer österreichischen AG bezogene Ausschüttung aufgrund einer Einlagenrückgewähr einen steuerbaren Kapitalertrag darstellt.

Das Finanzamt jedenfalls ging von der Steuerpflicht aus. Die AG hatte trotz Aufforderung durch X beim BZSt keinen Antrag auf Feststellung gestellt, dass es sich um eine Einlagenrückgewähr handelte.

X war der Ansicht, dass er schlechter gestellt wird als der Anteilseigner einer Drittstaatengesellschaft, der den Nachweis ohne ein gesondertes Feststellungsverfahren erbringen kann. Wenn die EU-Kapitalgesellschaft das Feststellungsverfahren nicht betreibt, müsste der Anteilseigner den Nachweis der Einlagenrückgewähr persönlich führen können.

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof folgte den Argumenten des X nicht und wies die Revision zurück. Nach Ansicht der Richter lag keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Anteilseignern einer EU-Kapitalgesellschaft gegenüber Anteilseignern einer Drittstaatenkapitalgesellschaft vor. Die Kapitalverkehrsfreiheit war ebenfalls nicht verletzt.

Die unterschiedlichen Möglichkeiten der Anteilseigner von Drittstaatenkapitalgesellschaften und EU-Kapitalgesellschaften, eine Einlagenrückgewähr individuell im Veranlagungsverfahren nachweisen zu können, sind sachlich gerechtfertigt, da sich beide Anteilseignergruppen in einer verfahrensrechtlich nicht vergleichbaren Ausgangslage befinden. Es lag im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, den Nachweis einer Einlagenrückgewähr bei EU-Kapitalgesellschaften – wie bei Inlandskapitalgesellschaften – einem von der Kapitalgesellschaft zu betreibenden Feststellungsverfahren zuzuweisen. Hätte der Gesetzgeber wie bei Drittstaatengesellschaften nur für Anteilseigner einer EU-Kapitalgesellschaft ein vom Feststellungsverfahren losgelöstes zusätzliches Nachweisverfahren im Steuerfestsetzungsverfahren anerkannt, hätte dies gegenüber dem Anteilseigner einer Inlandskapitalgesellschaft, dem ein solcher Nachweis verwehrt ist, eine Ungleichbehandlung begründet, für die keine Rechtfertigung ersichtlich ist.

Ob aufgrund der fehlenden individuellen Nachweismöglichkeit einer Einlagenrückgewähr für Anteilseigner von EU-Kapitalgesellschaften ein Verstoß gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit vorliegen könnte, sah der Bundesfinanzhof nicht als entscheidungserheblich an. Selbst wenn man X diese Möglichkeit zubilligen würde, waren keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Ausschüttung der AG als Einlagenrückgewähr zu beurteilen sein konnte. Damit kommt es auch auf die Frage nicht an, ob X nach den Vorgaben der Kapitalverkehrsfreiheit der Nachweis einer Einlagenrückgewähr im Steuerfestsetzungsverfahren einzuräumen ist. X leitete allein aus der gewählten Behandlung der Ausschüttung als Einlagenrückgewähr nach österreichischem Recht ab, dass diese Behandlung für die Besteuerung in Deutschland zu übernehmen war. Die Beurteilung als Einlagenrückgewähr nach ausländischem Recht zwingt jedoch nach den Vorgaben der Kapitalverkehrsfreiheit nicht dazu, diese Beurteilung für die inländische Besteuerung zu übernehmen.

Umsatzsteuer: Verzicht auf das Recht zur Privatliquidation

Wird ein Chefarzt auf eine Forschungsprofessur versetzt und verzichtet er damit auf die Möglichkeit zur Behandlung von Patienten durch Privatliquidation, ist eine Entschädigung für den Verzicht auf das chefärztliche Privatliquidationsrecht umsatzsteuerfrei.

Hintergrund

Der Kläger war Chefarzt und Professor sowie Klinikdirektor einer Universitätsklinik. Aufgrund einer Versetzung des Klägers auf eine Forschungsprofessur erhielt er eine „Entschädigung“ für den erklärten Verzicht auf das chefärztliche Privatliquidationsrecht. Als angestellter Chefarzt war er nichtunternehmerisch tätig. Die heilberuflichen Umsätze aus der selbstständigen Chefarzttätigkeit im Nebenberuf waren umsatzsteuerfrei. Trotzdem war das Finanzamt der Ansicht, dass die Entschädigung umsatzsteuerpflichtig war.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied dagegen, dass die Ausgleichszahlung für den Wegfall der Möglichkeit zur Behandlung von Patienten im Nebenamt (Verzichtsleistung) nicht der Umsatzsteuer unterlag. Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis.

Nach dem zugrundeliegenden Vertrag wurde die Ausgleichszahlung nicht lediglich für den Verzicht auf das Privatliquidationsrecht, sondern u. a. auch für die Aufgabe der Position des Klinikdirektors erbracht. Die Ausgleichszahlung für den Verzicht ist dann nicht der unternehmerischen Sphäre des Medizinprofessors zuzuordnen, wenn sich die Zahlung in erster Linie als Gegenleistung für die vorzeitige Aufgabe der Position des Klinikdirektors darstellt und sich lediglich der Höhe nach an den bisherigen Einkünften aus freiberuflicher medizinischer Tätigkeit orientiert. Vorliegend sind die vom Kläger erbrachten Verzichtsleistungen überwiegend mit seiner beamtenrechtlichen Position als Professor und Klinikdirektor veranlasst und nicht mit seiner bisherigen selbstständigen ärztlichen Tätigkeit.

Irrtum bezüglich Reverse-Charge-Verfahren: Führt rückwirkende Rechnungsberichtigung zum rückwirkenden Vorsteuerabzug?

Ein Leistungsempfänger, der irrtümlich als Steuerschuldner im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahren behandelt wird, kann nach erfolgter Rechnungsberichtigung mit Umsatzsteuerausweis rückwirkend den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Das soll nach Ansicht der Rechtsprechung entgegen der Verwaltungsauffassung gelten, obwohl in der ursprünglichen Rechnung kein Umsatzsteuerausweis erfolgte.

Hintergrund

Im Fall 11 K 324/19 bezog die klagende S.A. mit Sitz in Luxemburg Leistungen von Unternehmern mit Sitz in Deutschland. Übereinstimmend gingen die Beteiligten davon aus, dass die Leistungen am Sitz der S.A. der luxemburgischen Umsatzbesteuerung unterliegen und die S.A. Steuerschuldner nach § 13b UStG sei. Die Leistenden fakturierten ihre Leistungen mit 0 % Steuer oder ohne Steuerausweis mit Hinweis auf das Reverse-Charge-Verfahren.

Im Fall 11 K 323/19 bezog der klagende Unternehmer mit Sitz in Deutschland Transportleistungen von einer S.A. mit Sitz in Luxemburg. Übereinstimmend gingen die Beteiligten davon aus, dass die Leistungen am Sitz des deutschen Leistungsempfängers der deutschen Umsatzsteuer unterliegen und der deutsche Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b UStG sei. Die S.A. fakturierte ihre Leistungen ohne Steuerausweis mit Hinweis auf die Steuerschuld des deutschen Leistungsempfängers.

Tatsächlich befand sich in beiden Fällen die Geschäftsleitung der S.A. und damit ihr umsatzsteuerlicher Sitz in Deutschland (vgl. § 10 AO). Die Leistungen unterfallen daher in beiden Fällen der deutschen Umsatzbesteuerung. Steuerschuldner sind die jeweils Leistenden. Die Leistenden erteilten deshalb neue Rechnungen mit deutschem Steuerausweis. Die klagenden Leistungsempfänger begehren die rückwirkende Berücksichtigung der Vorsteuern – was nach Verwaltungsauffassung nicht zulässig sei (vgl. BMF, Schreiben v. 18.9.2020, II C 2 – S 7286-a/19/10001 :001, Rz. 23)

Entscheidung

Nach Auffassung des FG ist trotz fehlendem Umsatzsteuerausweis in der ursprünglichen Rechnung eine rückwirkende Rechnungsberichtigung mit Umsatzsteuerausweis im Jahr 2016 und ein rückwirkender Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger auf 2012 möglich. Nach § 13b Abs. 5 UStG schuldet bei Werklieferungen und bestimmten sonstigen Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmer der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer (sog. Reverse-Charge-Verfahren). Da sich in beiden Fällen die Geschäftsleitung der S.A. bzw. ihr umsatzsteuerlicher Sitz tatsächlich in Deutschland befand, unterliegen die Leistungen in beiden Fällen der deutschen Umsatzbesteuerung. Steuerschuldner sind die jeweils Leistenden. Auch nach Auffassung des FG setzt der Vorsteuerabzug grundsätzlich eine ordnungsgemäße Rechnung voraus. Der BFH verlangt als Grundlage für eine mit Rückwirkung berichtigungsfähige Rechnung, dass die Erstrechnung Mindestangaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Hierfür reicht es jeweils aus, dass die Rechnung diesbezügliche Angaben enthält und die Angaben nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen (BFH, Urteil v. 20.10.2016, V R 26/16; BMF, Schreiben v. 18.9.2020, III C 2 – S 7286-a/191001:001).

Unterlässt der Rechnungsempfänger es, die Erstrechnung insoweit sorgfältig zu prüfen, kann die Rückwirkung beim Vorsteuerabzug versagt werden.

Fehlt eine der 5 o. g. Mindestvoraussetzungen, ist davon auszugehen, dass es sich schon nicht um ein Rechnungsdokument handelt. Dementsprechend kann dieses auch nicht mit Rückwirkung berichtigt werden. Die „Berichtigung“ führt in den Fällen der fehlenden Mindestvoraussetzungen vielmehr zu einem erstmaligen Ausstellen einer (ordnungsgemäßen) Rechnung.

Entgegen der Verwaltungsauffassung entfallen jedoch die o. g. Mindestanforderungen des Umsatzsteuerausweises in der Erstrechnung, wenn die Beteiligten – wie hier – irrig die Steuerschuld des Leistungsempfängers nach § 13b UStG annehmen.

Schließlich verbietet § 13b UStG einen Steuerausweis und verlangt stattdessen einen Verweis auf die Steuerschuld des Leistungsempfängers. Würde im Falle des § 13b UStG entgegen dem Verbot des § 13b UStG Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen, würde der Rechnungsaussteller diese nach § 14c UStG schulden.

Bewertung eines Grundstücks: Wie gelingt der Nachweis eines geringeren gemeinen Werts?

Für die zeitliche Anwendbarkeit der WertV und der ImmoWertV ist entscheidend, ob sie am Bewertungsstichtag in Kraft waren. Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung spielt für die Anwendung der Verordnungen insoweit keine Rolle.

Hintergrund

X erbte im Jahr 2009 einen Anteil an einem Hausgrundstück. Der standardisierte Grundbesitzwert betrug
4.8 Mio. EUR. X versuchte, mit einem nach der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) erstellten Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. Streitig war insbesondere, wie die untypisch geringe gewerbliche Nutzung zu berücksichtigen war. Der Gutachter hatte dafür den Wert einer anderen Bodenrichtwertzone, in der sich vergleichbar genutzte Grundstücke befinden, übernommen.

Das Finanzgericht wies die Klage ab, da das Gutachten der ImmoWertV widersprach. Die Ableitung des Bodenwerts aus dem Richtwert einer anderen Bodenrichtwertzone sowie die Herleitung des Liegenschaftszinssatzes waren für das Gericht nicht plausibel.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Klage an das Finanzgericht zurück. Für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens sind die Grundbesitzwerte nach §§ 176 bis 198 BewG zu ermitteln. Beim Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts am Bewertungsstichtag ist dieser Wert anzusetzen. Der Steuerpflichtige trägt insoweit die Nachweislast.

Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens gehören sowohl die methodische Qualität als auch die zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen. Die Anforderungen an die methodische Qualität ergeben sich im Wesentlichen aus den §§ 194 ff. BauGB. Daneben sind die WertV i. V. m. den Wertermittlungsrichtlinien und die ImmoWertV, die die WertV ab dem 1.7.2010 abgelöst hat, zu beachten. Die zeitliche Anwendbarkeit richtet sich danach, ob die Regelungen am Bewertungsstichtag in Kraft waren. Die WertV war bis zum 30.6.2010 in Kraft und wurde am 1.7.2010 durch die ImmoWertV abgelöst. Deshalb sind für Bewertungsstichtage bis 30.6.2010 die Vorschriften der WertV und für Bewertungsstichtage ab 1.7.2010 die Vorschriften der ImmoWertV anwendbar. Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ist für die zeitliche Anwendung der WertV und der ImmoWertV nicht von Bedeutung.

Das Finanzgericht hatte jedoch wegen der Erstellung des Gutachtens im Jahr 2017 auf den Bewertungsstichtag 1.6.2009 die ImmoWertV anstatt der WertV angewandt.

Betriebsaufspaltung: Erbengemeinschaft als Anteilseignerin der Betriebsgesellschaft

Eine personelle Verflechtung kann vorliegen, wenn nur ein Elternteil an dem einen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte hält, zugleich zusammen mit dem minderjährigen Kind die Mehrheit der Stimmrechte an dem anderen Unternehmen hält und das Vermögenssorgerecht allein beim beteiligten Elternteil liegt. Gilt dies auch bei einer Erbengemeinschaft als Anteilseignerin der Betriebsgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung?

Hintergrund

Die Kläger sind die Rechtsnachfolger des verstorbenen Vaters V. Es besteht eine Erbengemeinschaft aus der Witwe (1/2 Erbteil) und den beiden minderjährigen Kindern (je ¼ Erbteil). V war Gesellschaftergeschäftsführer der V GmbH, an die die Witwe bereits seit Jahren ein Büro- und Lagergrundstück verpachtet hat. Die Witwe wurde im Jahr 2010 zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt. Im Jahr 2012 erfolgte die Bestellung der beiden Kinder als weitere Geschäftsführer. Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass mit der Bestellung der Witwe im Jahr 2010 zur Geschäftsführerin eine Beherrschung der GmbH durch die Witwe vorlag, die zu einer personellen Verflechtung und damit zu einer Betriebsaufspaltung führte. Die Betriebsaufspaltung wurde durch die Bestellung der Kinder als weitere Geschäftsführer im Jahr 2012 beendet, sodass ein Aufgabegewinn zu versteuern ist.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klägerin Recht und entschied, dass keine personelle Verflechtung vorlag. Für diese ist es erforderlich, dass die Person, die das Besitzunternehmen beherrscht, in der Lage ist, im Betriebsunternehmen ihren Willen durchzusetzen. Die Witwe hat die GmbH als Betriebsgesellschaft nicht beherrscht, da sie über keine Stimmrechtsmehrheit verfügt hat. Inhaber des Gesellschaftsanteils war nicht die Witwe, sondern die Erbengemeinschaft. Die Witwe konnte innerhalb der Erbengemeinschaft ihren Willen nicht durchsetzen, da sie über lediglich 50 % der Stimmen verfügte. Eine Beherrschung durch die Witwe lag auch nicht deshalb vor, weil ihr die Anteile der damals minderjährigen Kinder zuzurechnen gewesen wären. Nach Ansicht der Finanzverwaltung kann eine personelle Verflechtung vorliegen, wenn nur ein Elternteil an dem einen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte hält, zugleich zusammen mit dem minderjährigen Kind die Mehrheit der Stimmrechte an dem anderen Unternehmen hält und das Vermögenssorgerecht allein beim beteiligten Elternteil liegt. Dieser Auffassung schließt sich das Finanzgericht jedoch nicht an.

Bei ordnungsgemäßer Buchführung: Finanzamt muss Schätzung gut begründen

Auch wenn der Steuerpflichtige bei der Verprobung des Wareneinsatzes unzureichend mitgewirkt hat, darf das Finanzamt keine Schätzung vornehmen, wenn die Buchführung ordnungsgemäß ist.

Hintergrund

Der Kläger war Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, die vor allem im Handel mit Textilien tätig war. Das Finanzamt führte für die Jahre 2007 bis 2009 eine Betriebsprüfung bei der GmbH durch. Im Betriebsprüfungsbericht wurden keine Buchführungsmängel benannt. Da die Gesellschaft bzw. deren gesetzliche Vertreter jedoch keine Angaben zur Verprobung des Wareneinsatzes, Aufzeichnungen und Unterlagen zu Fehleinkäufen sowie Erläuterungen zu Musterkollektionen oder Warenrücksendungen wegen Qualitätsmängeln gemacht hatte, kam es aufgrund dieser Feststellungen zu einer Hinzuschätzung beim Umsatz und Wareneinsatz der GmbH. Ferner wurde eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe der Musterteile angenommen, da deren betriebliche Veranlassung nicht nachgewiesen wurde. Gleiches erfolgte aufgrund von Reisekosten. In seiner Klage machte der Kläger geltend, dass die Buchführung der GmbH ordnungsgemäß gewesen war. Der Finanzverwaltung waren auch alle Buchführungsunterlagen zur Verfügung gestellt worden.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Die Hinzuschätzung war nach Ansicht des Finanzgerichts nicht rechtmäßig. Nach § 162 AO darf eine Schätzung erfolgen, wenn Bücher und Aufzeichnungen, die zu führen sind, nicht vorgelegt werden können oder diese der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können. Eine Buchführung, die den gesetzlichen Vorlagen entspricht, kann regelmäßig der Besteuerung zugrunde gelegt werden, es sei denn, es besteht ein Anlass, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln. Eine formell ordnungsgemäße Buchführung hat dabei die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich. Nur wesentliche Mängel sprechen gegen eine formell richtige Buchführung. Eine fehlerhafte Erfassung von Einnahmen hat die Finanzverwaltung indes nicht festgestellt. Insoweit bestand deshalb keine Schätzungsbefugnis.

Auch die Verprobung des Wareneinsatzes als relativ grobe Prüfungsmethode begründet keine Schätzungsbefugnis. Die Richtigkeitsvermutung einer formell ordnungsgemäßen Buchführung ist nämlich nur entkräftet, wenn das Finanzamt nachweist, dass das Ergebnis nicht zutreffend sein kann. Die Ausführungen der Finanzverwaltung im Prüfungsbericht reichen hierfür nicht aus.

Anwalt ohne Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen: Ist der Steuerbescheid ungültig?

Auch wenn eine nicht dazu befugte Person für einen Steuerpflichtigen eine Steuererklärung abgibt, wird dadurch der Steuerbescheid nicht ungültig.

Hintergrund

Eine Rechtsanwaltskanzlei, die nicht über die Zulassung zur Hilfeleistung in Steuersachen verfügte, hatte eine Steuererklärung für einen ihrer Mandanten abgegeben. Das Finanzamt akzeptierte die Steuererklärung und erließ einen den Angaben entsprechenden Steuerbescheid.

Nachdem der Mandant mit dem Inhalt des Steuerbescheids nicht einverstanden gewesen war, entzog er der Anwaltskanzlei das Mandat und legte selbst Einspruch beim Finanzamt ein. Er machte geltend, dass bei dem von ihm betriebenen Transportunternehmen die angefallenen Betriebsausgaben für seine Fahrzeuge nicht vollständig berücksichtigt worden waren.

Das Finanzamt lehnte eine Änderung ab. Allein aufgrund des Umstands, dass der Anwalt keine Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen hatte, war der Steuerbescheid nicht ungültig.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Ein Steuerpflichtiger kann sich bei Abgabe der Einkommenssteuererklärung der Hilfe eines Steuerberaters oder einer anderen entsprechend befugten Person bedienen. Voraussetzung ist jedoch, dass die betreffende Person oder Institution zur Hilfeleistung in Steuersachen zugelassen ist.

Allerdings sah das Finanzgericht im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine Herabsetzung der Steuer. Insbesondere hatte der Kläger nach Ansicht des Gerichts nicht plausibel dargelegt, warum die von seinem Rechtsanwalt übermittelten Angaben unzutreffend waren.

Warum ein Biberschaden keine außergewöhnliche Belastung ist

Schäden, die durch Wildtiere entstehen, können nicht im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen steuerlich berücksichtigt werden. Dies gilt auch für Aufwendungen zur Beseitigung konkreter, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren.

Hintergrund

Biber untergruben eine Böschung, worauf diese samt der Terrasse des von den Klägern selbst bewohnten Einfamilienhauses absackte. Eine Fachfirma erneuerte die Pflasterung der Terrasse und die abgesackten Wege. Diese errichtete zudem eine „Bibersperre“ in Form eines mit Wackergeröll verfüllten Grabens. Die Kläger machten die Aufwendungen von ca. 4.000 EUR im Zusammenhang mit einem Biberschaden an Terrasse und Garten als außergewöhnliche Belastung geltend.

Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung an. Die nachgewiesenen Lohnkosten berücksichtigte es als Handwerkerleistungen i. S. d. § 35a Abs. 3 EStG. Das Finanzgericht folgte dem Finanzamt und wies die Klage ab.

Entscheidung

Die Revision der Kläger hatte keinen Erfolg. Die geltend gemachten Aufwendungen zur Beseitigung der Biberschäden und zur Errichtung der Bibersperre erkannte auch der Bundesfinanzhof nicht als außergewöhnliche Belastungen an.

Ziel der gesetzlichen Regelung zu den außergewöhnlichen Belastungen ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Vom Abzug sind daher die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn die Aufwendungen einen grundrechtlich geschützten Bereich betreffen.

Davon ausgehend sind die streitigen Aufwendungen bereits dem Grunde nach nicht außergewöhnlich. Denn Wildtierschäden sind keineswegs unüblich. Wildtierarten, die über Jahrzehnte in der deutschen Kulturlandschaft ausgestorben oder stark zurückgedrängt waren, sind in Deutschland wieder heimisch geworden und breiten sich aus. Vielfältige Wildtierpopulationen haben sich auch in den Siedlungsräumen etabliert. Wildtiere können z. T. beträchtliche Schäden verursachen. Ebenso können Wildtierpopulationen – insbesondere in Siedlungsräumen – Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung entsprechender Wildschäden erfordern, wie z.B. die Errichtung von Barrieren und Zäunen, die Vergrämung von Wildtieren oder die Steuerung des Habitats.

Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden durch Wildtiere und für Maßnahmen zur Vermeidung von Wildtierschäden sind daher nicht mit ungewöhnlichen Schadensereignissen wie Brand oder Hochwasser vergleichbar. Aufwendungen in Zusammenhang mit Wildtierschäden sind daher grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, selbst wenn sie zur Beseitigung konkreter, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren geleistet werden.

Das Finanzamt hat deshalb die Lohnkosten zutreffend als Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG angesetzt.

Was tun bei fehlender Erfolgsaussicht eines Auskunftsersuchens an die Beteiligten?

Steht nicht fest, dass ein Beteiligter nicht mitwirken wird, darf das Finanzamt eine Auskunft ohne einen vorherigen Versuch beim Beteiligten bei einem Dritten einholen. Die entsprechende Erfolgsprognose erfordert jedoch einen klar umrissenen und für die Besteuerung erheblichen Sachverhalt.

Hintergrund

Der Kläger und Kfz-Händler H handelte mit Gebrauchtwagen. Im Rahmen einer Außenprüfung stellte das Finanzamt fest, dass in einigen Fällen der Verkäufer nicht der letzte Halter war. Die Lieferketten zwischen dem letzten Halter und dem Verkäufer konnten deshalb nicht nachvollzogen werden. Das Finanzamt wollte daraufhin die letzten Halter um Auskunft bitten. Da es annahm, dass diese H nicht bekannt waren, hielt es eine vorherige Anfrage bei H nicht für erforderlich und richtete die Auskunftsersuchen an die Halter als Dritte. Anschließend sollten die benannten Käufer um weitere Aufklärung gebeten werden. Vermutet wurde, dass H fiktiv Zwischenhändler eingeschaltet hatte, um die Anschaffungskosten höher erscheinen zu lassen.

Das Finanzgericht wies die Klage des H ab. Eine vorherige Befragung des H hätte keinen Erfolg versprochen. Zu der Frage, an wen und zu welchem Preis der jeweilige Halter sein Fahrzeug veräußerte, hätte er keine Angaben machen können.

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück.

Steht nicht fest, dass der Beteiligte nicht mitwirken wird, darf das Finanzamt eine Auskunft bei Dritten ohne einen vorherigen Versuch beim Beteiligten nur einholen, wenn die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung anzunehmen ist. Die Erfolgsprognose erfordert einen klar umrissenen und für die Besteuerung erheblichen Sachverhalt. Denn nur so kann das Mitwirkungsverhalten und Mitwirkungsergebnis zutreffend eingeschätzt werden. Ermittlungen „ins Blaue hinein“ sind unzulässig. Trotz des weiten Beurteilungsspielraums des Finanzamts müssen die mitzuteilenden „Tatsachen“ steuererheblich sein. Die Erfolgsprognose muss auf dieser Steuererheblichkeit aufbauen. Dazu muss zumindest das Ziel der Sachaufklärung des Finanzamts klar sein. Folglich hat das Finanzamt den Ermittlungszweck und das potenzielle Ermittlungsergebnis vor dem Erlass des Auskunftsersuchens so zu umreißen, dass die Erfolgsaussichten für eine Mitwirkung des Beteiligten eingeschätzt werden können. Andernfalls fehlt es bereits an der die Prognose tragenden Tatsachengrundlage.

Der Bundesfinanzhof beanstandet im vorliegenden Fall diese Prognoseentscheidung des Finanzamts. Zwar stellt das Finanzamt dar, dass der Verkäufer nicht in jedem Fall der Halter des Fahrzeugs war. Es bleibt jedoch unklar, ob die weitergehende Sachverhaltsaufklärung den H und/oder alle Zwischenhändler in der Lieferkette betreffen sollte. Insbesondere bleibt unklar, warum H nicht vorab befragt werden konnte. Außerdem wird nicht hinreichend klar, welchem Ermittlungszweck die weitere Sachverhaltsaufklärung dienen sollte.

Weiterhin hat das Finanzgericht für die von ihm angenommenen Konstruktion des Vorschiebens von Zwischenhändlern lediglich darauf hingewiesen, es sei lebensnah, dass der Steuerpflichtige solche Manipulationen nicht zugebe. Es fehlt jedoch nach Ansicht des Bundesfinanzhofs an einem konkreten Zusammenhang der Auffälligkeiten in den Lieferketten zu den deshalb notwendigen einzelnen Auskunftsersuchen.

Es ist schon nicht klar, wieso aufgrund der Auffälligkeiten angenommen werden durfte, dass die Zwischenhändler nicht existierten und der Versuch einer Sachverhaltsaufklärung durch H keinen Erfolg verspreche. Deshalb wird das Finanzgericht im weiteren Gang feststellen müssen, ob und wenn ja welchen konkreten Ermittlungszweck das Finanzamt in jedem Einzelfall verfolgte, sodass es im Rahmen seiner Prognose vor dem Erlass jedes Auskunftsersuchens von einer Erfolglosigkeit der Sachaufklärung durch H ausgehen durfte, bzw. ob im Einzelfall bereits ein atypischer Fall vorliegt, der es erlaubt, den ersten Halter als andere Person um Auskunft zu ersuchen.