Ausscheiden eines GbR-Gesellschafters: Wann endet die Nachhaftung?

Kann die Nachhaftung eines GbR-Gesellschafters auch gelten, wenn der Beschluss über den konkreten Haftungsbetrag erst nach Ausscheiden des Gesellschafters aus der GbR gefasst wurde? Der Bundesgerichtshof sagt: Ja.

 Hintergrund

Eine GbR war im Grundbuch als Wohnungseigentümerin eingetragen. Einer der Gesellschafter der GbR war bereits im Jahr 2002 aus der Gesellschaft ausgeschieden. Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschloss mehr als 10 Jahre später einen Wirtschaftsplan, der u. a. die Zahlung eines monatlichen Hausgeldes vorsah. Der ausgeschiedene Gesellschafter der GbR wurde von der Wohnungseigentümergemeinschaft auf die Zahlung von Hausgeld für das Jahr 2014 in Anspruch genommen. Der Gesellschafter weigerte sich, da der Beschluss erst lange nach seinem Ausscheiden erfolgte und die 5-jährige Nachhaftung abgelaufen war.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof entschied dagegen, dass der ausgeschiedene Gesellschafter das Hausgeld zahlen muss. Die Hausgeldansprüche sind Verbindlichkeiten der GbR als Miteigentümerin. Diese Verbindlichkeiten wurden vor Ausscheiden des Gesellschafters aus der GbR begründet. Für diese Verbindlichkeiten haftet der ehemalige Gesellschafter daher im Wege der sogenannten Nachhaftung.

Dass der Gesellschafter bereits im Jahr 2002 aus der GbR ausgeschieden war und die Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft erst anschließend gefasst wurden, ändert daran nichts. Denn nicht das Entstehen oder die Fälligkeit der Forderung ist hier entscheidend, sondern die mit dem Erwerb des Wohnungseigentums gelegte Rechtsgrundlage für die Beitragspflichten.

Ein Wohnungseigentümer schuldet nämlich ab diesem Zeitpunkt dem Grunde nach anteilig die Gemeinschaftskosten. Daher ist der Zeitpunkt des Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft, ab dem der konkret bestimmte Beitrag vom jeweiligen Miteigentümer verlangt werden kann, nicht entscheidend.

Zudem war im vorliegenden Fall die 5-Jahresfrist noch nicht abgelaufen. Bei einer GbR beginnt diese erst mit positiver Kenntnis des jeweiligen Gläubigers von dem Ausscheiden des Gesellschafters. Ob die Wohnungseigentümergemeinschaft bereits im Jahr 2002 vom Ausscheiden des Gesellschafters Kenntnis hatte, konnte von diesem nicht bewiesen werden.

Warum eine Ausfuhrlieferung trotz Steuerhinterziehung steuerfrei sein kann

Selbst wenn ein Unternehmer unterfakturierte Zweitrechnungen ausstellt, führt dies nicht dazu, dass er die Steuerfreiheit für die Ausfuhrlieferung nicht in Anspruch nehmen kann. Die für innergemeinschaftliche Lieferungen geltenden Regelungen sind nicht auf Ausfuhrlieferungen anwendbar.

Hintergrund

Die X-GmbH lieferte im Jahr 2013 Kfz aus dem Inland in die Türkei an dort ansässige Abnehmer und nahm dabei die Steuerfreiheit für Ausfuhrlieferungen in Anspruch.

Das Finanzamt versagte die Steuerfreiheit unter Hinweis auf die Missbrauchsrechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Die Kfz waren zwar tatsächlich in die Türkei geliefert worden. X hatte sich jedoch aktiv an einem Betrugsmodell beteiligt, indem sie durch Erteilung unterfakturierter Zweitrechnungen die Begehung von Steuerverkürzungen im Empfangsstaat ermöglichte.

Das Finanzgericht wies die Klage der X ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied dagegen, dass es der Steuerfreiheit nicht entgegensteht, wenn der Lieferer bei der Ausstellung einer unterfakturierten Zweitrechnung für die Ausfuhrlieferung wusste oder hätte wissen müssen, dass der Abnehmer mit dem gelieferten Gegenstand eine Steuerhinterziehung zu Lasten des Steueraufkommens eines Drittstaats begeht. Eine solche Voraussetzung ergibt sich weder aus § 6 UStG noch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung dient der Verlagerung des Steueraufkommens in den Mitgliedstaat des innergemeinschaftlichen Erwerbs. Damit setzt die Steuerfreiheit voraus, dass die innergemeinschaftliche Lieferung beim Erwerber die Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung begründet. Bei dieser Korrespondenz dienen die vom Lieferer beizubringenden Nachweise insbesondere dazu, die Durchsetzung der Erwerbsbesteuerung sicherzustellen. Der Abnehmer soll sich der Erwerbsbesteuerung nicht durch Steuerhinterziehung entziehen können. Deshalb ist es gerechtfertigt, dem Lieferer, dem dies bekannt ist oder bekannt sein muss, die Steuerfreiheit zu versagen.

Bei einer Ausfuhrlieferung in einen Drittstaat besteht jedoch keine entsprechende Korrespondenz zwischen Ausfuhr und Besteuerung. Denn die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung steht auch dann zu, wenn eine Besteuerung der Einfuhr im Drittstaat nicht vorgesehen ist.

Bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen für die Ausfuhrlieferung in einen Drittstaat besteht grundsätzlich keine Gefahr eines Steuerbetrugs oder finanziellen Verlustes zum Nachteil des Ausfuhrstaats bzw. der Union, die eine Besteuerung rechtfertigen könnten. Betrügerische Handlungen in einem Drittstaat können daher nicht zum Verlust der Steuerbefreiung für die Ausfuhrlieferung führen.

Vorsteuerabzug und die postalische Erreichbarkeit des Rechnungsstellers

Nachdem der Bundesfinanzhof weitere Urteile zum Thema Rechnungsausstellung gefällt hatte, konkretisiert die Finanzverwaltung nun ihre Richtlinien zur postalischen Erreichbarkeit des Rechnungsausstellers. Auch werden Aussagen des Bundesfinanzhofs zur Identität des leistenden Unternehmers und des Rechnungsausstellers in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass mit aufgenommen.

Hintergrund

Erhält ein Unternehmer für sein Unternehmen eine Lieferung oder eine sonstige Leistung, für die der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer schuldet, benötigt der Leistungsempfänger für seinen Vorsteuerabzug eine ordnungsgemäße Rechnung. In dieser Rechnung muss der vollständige Name und die vollständige Anschrift sowohl des leistenden Unternehmers als auch die des Leistungsempfänger enthalten sein.

Eine Anschrift ist als ordnungsgemäß im Sinne dieser Regelung anzusehen, wenn unter dieser eine postalische Erreichbarkeit gewährleistet ist. Es reicht jede Art von Anschrift, einschließlich einer Briefkastenanschrift, aus, soweit der Unternehmer unter dieser Anschrift postalisch erreichbar ist.

Diese Grundsätze der Rechtsprechung hatte die Finanzverwaltung in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass mit aufgenommen. Zeitgleich hatte der Bundesfinanzhof aber noch entschieden, dass für die Prüfung des Rechnungsmerkmals der vollständigen Anschrift der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung maßgeblich ist. Die Feststellungslast für die postalische Erreichbarkeit trifft dabei den Unternehmer, der den Vorsteuerabzug vornehmen will. Die Angabe der Anschrift, des Namens und der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Rechnungsausstellers soll es ermöglichen, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und dem Rechnungsaussteller herzustellen.

BMF-Schreiben

Das neue BMF-Schreiben ergänzt den Anwendungserlass um die sich aus dieser Rechtsprechung ergebenden Rechtskonsequenzen. Damit ist klargestellt, dass im Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung sowohl der leistende Unternehmer als auch der Leistungsempfänger unter den in der Rechnung angegebenen Anschriften postalisch erreichbar sein müssen. Begehrt ein Unternehmer einen Vorsteuerabzug, trägt er die Feststellungslast, dass der leistende Unternehmer zum Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung unter der angegebenen Anschrift auch tatsächlich postalisch erreichbar ist.

Darüber hinaus wird in den Anwendungserlass aufgenommen, dass der Rechnungsaussteller (oder entsprechend auch Gutschriftempfänger) mit dem leistenden Unternehmer grundsätzlich identisch sein muss, um eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und dem Rechnungsaussteller (oder auch Gutschriftempfänger) herzustellen.

Hinweis

Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Gleichzeitig hebt die Finanzverwaltung das BMF-Schreiben aus dem Dezember 2018 auf.

Gewerblicher Grundstückhandel: Welche steuerlichen Folgen haben Erweiterungen und wesentliche Verbesserungen?

Auch wenn sich ein bebautes Grundstück schon lange Jahre im Privatvermögen befindet, kann es trotzdem Gegenstand eines gewerblichen Grundstückshandels werden. Das gilt insbesondere dann, wenn es durch Baumaßnahmen so umfassend verbessert wird, dass ein neues Gebäude entsteht.

Hintergrund

X errichtete in den 1980er Jahren auf einem langjährig im Privatvermögen befindlichen Grundstück eine Senioren-/ Pflegeresidenz. Diese vermietete er an eine Betreiber-GmbH und erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Später errichtete er einen Erweiterungsbau, der im Jahr 2004 fertiggestellt wurde und durch den sich die Anzahl der Heimplätze verdoppelte.

In die im Jahr 2000 gegründete X-KG brachte X zum 1.7.2005 die Immobilie gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und Übernahme der mit dem Grundstück zusammenhängenden Verbindlichkeiten ein. Im Dezember 2005 gründeten die Eheleute X zudem die im gewerblichen Grundstückshandel tätige Y-KG, die bis Jahresende 2007 zahlreiche Baugrundstücke verkaufte.

X erklärte die Erträge aus der Immobilie bis 30.06.2005 als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Das Finanzamt und das Finanzgericht gingen dagegen davon aus, dass der gewerbliche Grundstückshandel bereits im Jahr 2005 bestand. Damit wäre der Erweiterungsbau mit dem anteiligen Grundstück von dem gewerblichen Grundstückshandel umfasst.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies den Fall an das Finanzgericht zurück. Für die Grenzziehung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblicher Tätigkeit gilt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die sog. 3-Objekt-Grenze. Danach liegt ein gewerblicher Grundstückshandel im Regelfall vor, wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Anschaffung bzw. Bebauung und Verkauf – i. d. R. 5 Jahre – mehr als 3 Objekte veräußert werden.

 

Grundsätze der bisherigen BFH-Rechtsprechung

Als gewerblich wird deshalb u. a. angesehen die Anschaffung und zeitnahe Veräußerung, ebenso die Veräußerung eines erst kurz zuvor bebauten Grundstücks; darüber hinaus werterhöhende Aktivitäten wie die Erschließung früher landwirtschaftlich genutzter Grundstücke und anschließender Verkauf von Bauparzellen oder die Teilung eines Mehrfamilienhauses in Eigentumswohnungen, deren Sanierung sowie zeitnahe Veräußerung.

Daneben kann auch ein langjährig privat vermietetes Grundstück unter den gewerblichen Grundstückshandel fallen, wenn im Hinblick auf eine Veräußerung so umfassende Baumaßnahmen durchgeführt werden, dass das bestehende Wirtschaftsgut “Gebäude” nicht nur erweitert oder wesentlich verbessert wird, sondern ein neues Wirtschaftsgut “Gebäude” hergestellt wird. Dies gilt unabhängig davon, ob ein selbstständiges neues Gebäude, ein selbstständiger Gebäudeteil oder ein einheitliches neues Gebäude unter Einbeziehung der Altbausubstanz entsteht.

Im vorliegenden Fall fehlen ausreichende Feststellungen dazu, ob die Immobilie Gegenstand eines gewerblichen Grundstückshandels sein konnte. Zwar hat X das Grundstück am 1.7.2005 durch Einbringung in das Gesamthandsvermögen der X-KG veräußert. Das Finanzgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, dass X die Immobilie langjährig im Rahmen privater Vermögensverwaltung vermietet hatte. In einem solchen Fall ist für die Qualifizierung der Grundstücksaktivitäten als gewerblich die Schaffung eines neuen Wirtschaftsguts als weiteres Abgrenzungsmerkmal erforderlich. Die Feststellung des Finanzgerichts, dass durch den Erweiterungsbau die Heimplätze verdoppelt wurden, reicht für die Annahme eines neuen Wirtschaftsguts nicht aus.

Ortstermine mit Sachverständigen finden trotz Corona statt – mit Abstand natürlich

Auch während der Corona-Pandemie finden Ortstermine mit Sachverständigen statt, selbst wenn eine Partei Bedenken haben sollte. Der Sachverständige muss allerdings dafür sorgen, dass die Infektionsschutzregeln eingehalten werden.

Hintergrund

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft beantragte bei Gericht wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum und in einzelnen Sondereigentumseinheiten die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens. Das Gericht ordnete daraufhin eine umfangreiche bausachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an.

Da sich eine der Parteien gegenüber dem Sachverständigen wegen einer möglichen Gefährdung durch das Corona-Virus gegen die Durchführung eines Ortstermins ausgesprochen hatte, bat der Sachverständige das Gericht um Anweisung gebeten, wie im Beweisverfahren weiter vorgegangen werden soll.

Entscheidung

Das Landgericht entschied, dass der Ortstermin stattfinden soll. Allein die Furcht einer Partei vor einer Corona-Infektion ist kein erheblicher Grund, von einem Ortstermin abzusehen. Wenn die allgemeinen Regeln des Infektionsschutzes eingehalten werden, können Ortstermine in einem selbstständigen Beweisverfahren durchgeführt werden. Das gilt auch dann, wenn 5 oder mehr Personen teilnehmen müssen. Der Sachverständigen muss den notwendigen Infektionsschutz sicherstellen, insbesondere indem er Schutzmaßnahmen wie eine Maskenpflicht anordnet oder dafür sorgt, dass die Abstandsregeln eingehalten werden.

Bei Bedenken gegen einen Ortstermin soll die Partei nach Ansicht des Gerichts für ihren eigenen Schutz sorgen, etwa durch eine eigenschützende FFP2-Maske. Außerdem kann sie sich bei dem Ortstermin vertreten lassen. Denn bei der Aufnahme des tatsächlichen Zustands des Gebäudes vor Ort muss die Partei nicht zwingend selbst anwesend sein. Zu den gutachterlichen Feststellungen kann die Partei nämlich auch noch nach Vorliegen des Gutachtens Stellung nehmen.

Wo hat ein Lok- und Triebwagenführer seine erste Tätigkeitsstätte?

Hat der Arbeitgeber einen Lok- und Triebwagenführer einer betrieblichen Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte zugeordnet, an der er seine Lok oder seinen Triebwagen übernimmt und abstellt, kann für die Fahrten dorthin nur die Entfernungspauschale angesetzt werden. Auf qualitative oder quantitative Kriterien kommt es dabei nicht an.

Hintergrund

Der Kläger machte Fahrten zwischen Wohnung und betrieblicher Einrichtung nach Dienstreisegrundsätzen geltend. Er reichte eine Bescheinigung des Arbeitgebers ein, worin der Arbeitgeber dem Kläger die betriebliche Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte zugeordnet hat. Daraufhin berücksichtigte das Finanzamt die arbeitstäglichen Fahrten zur betrieblichen Einrichtung lediglich mit der Entfernungspauschale. Der Kläger war jedoch der Ansicht, dass er als Lok- bzw. Triebwagenführer seinen qualitativen Schwerpunkt nicht an der betrieblichen Einrichtung hat, sondern vielmehr auf der Zugmaschine hatte. Auch besaß er keine erste Tätigkeitsstätte, da er als Lok- bzw. Triebwagenfahrer bundesweit tätig war und daher keine Tätigkeiten an der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers verrichtete. Er nahm lediglich die Lok- bzw. den Triebwagen dort entgegen, kontrollierte ihre Fahrtüchtigkeit und nahm die vorbereiteten Arbeitsunterlagen aus dem Betriebsgebäude mit.

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet zurück. Da der Kläger vom Arbeitgeber ausdrücklich einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet war und er dort für einen Lok.- bzw. Triebwagenführer nicht nur untergeordnete Tätigkeiten erbrachte, handelte es sich bei dem Betriebsgelände um die erste Tätigkeitsstätte des Klägers. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gehört auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet dazu. Aufgrund dieser Zuordnung kommt es auf quantitative Kriterien nicht an.

Nach Auffassung des Finanzgerichts handelte es sich bei den Tätigkeiten des Klägers auf dem Betriebsgelände des Arbeitgebers im Wesentlichen um sicherheitsrelevante Aufgaben, welche von einigem Gewicht sind, da Sie den Transport von Menschen überhaupt möglich machen. Aus diesem Grund kam das Finanzgericht zur Auffassung, dass der Arbeitgeber des Klägers den Kläger nicht nur “pro forma” dem Betriebsgelände als seine erste Tätigkeitsstätte zugeordnet hatte.

Umsatzsteuer: Ist die Vermietung eines Stellplatzes eine Nebenleistung zur Wohnungsvermietung?

Die Vermietung von Stellplätzen ist nicht immer eine unselbstständige Nebenleistung zur steuerfreien Wohnungsvermietung. Dies gilt auch dann, wenn derselbe Vermieter Wohnung und Stellplatz an jeweils denselben Mieter vermietet.

Hintergrund

Der Kläger hatte einen Gebäudekomplex mit Vorder- und Hinterhaus sowie Tiefgaragenstellplätze im Verbindungsteil zwischen beiden Häusern errichtet. Der Zugang zur Tiefgarage war möglich, ohne das Mietgebäude zu betreten.

Nach den ursprünglichen Planungen sollte der gesamte Gebäudekomplex zur kurzfristigen Beherbergung dienen, weshalb die Vorsteuer in der Errichtungsphase geltend gemacht wurde. Später wurde jedoch nur noch ein Teil der Einheiten umsatzsteuerpflichtig zu kurzfristigen Beherbergungszwecken verwendet. Andere Gebäudeteile vermietete der Kläger umsatzsteuerfrei dauerhaft zu Wohnzwecken. Die auf diese Gebäudeteile während der Bauphase geltend gemachten Vorsteuerbeträge wurden laufend nach § 15a UStG berichtigt.

Nach Meinung des Finanzamts bildet die Überlassung einer Wohnung und die Überlassung eines Stellplatzes an den jeweiligen Wohnungsmieter eine einheitliche Leistung, wobei es die Stellplatzvermietung als eine unselbstständige Nebenleistung zur steuerfreien Wohnungsvermietung qualifizierte. Die Vorsteuerbeträge, die ausschließlich auf die an die Wohnungsmieter überlassenen Stellplätze entfielen, unterliegen somit ebenfalls der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG.

Entscheidung

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts erfolgte die Stellplatzvermietung umsatzsteuerpflichtig.

Soweit die Finanzverwaltung und die bisherige Rechtsprechung davon ausgehen, dass es sich bei der Vermietung der Stellplätze stets um eine unselbstständige Nebenleistung zur steuerfreien Wohnungsvermietung als Hauptleistung handelt, wenn Wohnung bzw. Stellplatz von demselben Vermieter an jeweils denselben Mieter vermietet werden, findet diese rechtliche Wertung nach Auffassung des Finanzgerichts keine hinreichende Grundlage in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Insbesondere fehlte es im vorliegenden Fall am engen räumlichen Zusammenhang zwischen der Vermietung von Wohnungen bzw. Stellplätzen – dies vor allem deshalb, weil sich die Tiefgaragenstellplätze nicht unter dem Vorder- bzw. Hinterhaus im Sinne eines einheitlichen Gebäudekomplexes befinden, sondern in einem Zwischenkomplex zwischen Vorder- und Hinterhaus. So war insbesondere externen Mietern von Stellplätzen, an die der Kläger dort keine Wohnung vermietet hatte, der Zugang zur Tiefgarage möglich, ohne das Mietgebäude zu betreten. Auch ist zu berücksichtigen, dass es für die Vermietung von Wohnungen und von Stellflächen jeweils einen eigenständigen Markt gibt. Deshalb konnte deren Anmietung nicht als einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang angesehen werden.

Investitionsabzugsbetrag: Warum das Fahrtenbuch auch hier ordnungsgemäß geführt werden muss

Voraussetzung für den Investitionsabzugsbetrag ist die ausschließliche oder nahezu ausschließliche Nutzung des begünstigten Wirtschaftsguts zu betrieblichen Zwecken. Bei einem Pkw muss der Umfang der betrieblichen Nutzung durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.

Hintergrund

Der Kläger, ein selbstständiger Versicherungsvertreter, schaffte sich 2014 einen Pkw an. Für den Pkw rechnete er einen Investitionsabzugsbetrag i. H. v. 11.152,40 EUR (40 % von 27.881,00 EUR) hinzu und berücksichtigte eine Herabsetzung i. H. v. 5.576,00 EUR. Die private Kfz-Nutzung berücksichtigte er nach dem sich aus dem Fahrtenbuch ergebenden Prozentsatz von 8,45 %.

Das Finanzamt folgte dem nicht. Es war der Ansicht, dass das Fahrtenbuch für das angeschaffte Fahrzeug nicht ordnungsgemäß war und der Kläger deshalb eine so gut wie ausschließlich betriebliche Nutzung nicht nachweisen konnte.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass der Pkw nicht die Anforderungen an Wirtschaftsgüter erfüllt, die für eine Berücksichtigung im Rahmen des Investitionsabzugsbetrags zu stellen sind.

Eine ausschließliche oder nahezu ausschließliche Nutzung ist gegeben, wenn die Nutzung zu betrieblichen Zwecken 90 % oder mehr beträgt. Für Kraftfahrzeuge ist die betriebliche Nutzung mittels eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs nachzuweisen. Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss zeitnah und in geschlossener Form geführt werden, um so nachträgliche Einfügungen oder Änderungen auszuschließen oder als solche erkennbar zu machen.

Hierfür hat es neben dem Datum und den Fahrtzielen grundsätzlich auch den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner oder den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung aufzuführen. Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch genügen allenfalls dann, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind.

Dementsprechend müssen die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden. Grundsätzlich ist dabei jede einzelne berufliche Verwendung für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs aufzuzeichnen.

Im vorliegenden Fall waren die vom Steuerpflichtigen vorgelegten Fahrtenbücher zu verwerfen. Denn die Eintragungen enthielten grundsätzlich nur den zu einer Postleitzahl zugeordneten Straßennamen ohne Angabe der Hausnummer enthalten. Damit ist das jeweilige Fahrtziel nur ungenau bezeichnet. Die genauen Adressangaben ergeben sich auch nicht aus anderen, ausnahmsweise zur Ergänzung eines Fahrtenbuchs heranzuziehenden Unterlagen wie Abkürzungsverzeichnisse oder Kundenlisten. Es finden sich auch keine Kundenlisten bei den Akten.

Auch die Fahrtzwecke sind in einer Vielzahl von Fällen nicht genau genug angegeben. Bei etlichen Fahrten ist im Fahrtenbuch nur das Geschäft angegeben.

Warum die Corona-Soforthilfe nicht gepfändet werden darf

Bei der Corona-Soforthilfe handelt es sich um eine zweckgebundene Forderung. Diese ist nicht übertragbar und deshalb auch nicht pfändbar.

Hintergrund

Der Antragsteller betreibt einen Hausmeisterservice. Bei einer Sparkasse unterhält er ein Pfändungsschutzkonto. Das Finanzamt erließ für dieses Konto eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung über 9.075,50 EUR, insbesondere wegen rückständiger Umsatzsteuer. Laut Sparkasse wies das Konto jedoch kein pfändbares Guthaben aus. Zum einen bestanden vorrangige Pfändungen, zum anderen stammte ein Guthaben von 9.000 EUR aus dem Bundesprogramm zur Soforthilfe für Kleinunternehmen im Zusammenhang mit Covid-19. Dieser Betrag war nach den Förderbedingungen des Bundes pfändungsfrei.

Das Finanzamt lehnte die Freigabe des Kontos ab. Mit einer einstweiligen Anordnung will der Antragsteller die Freigabe des Kontos erreichen.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statt. Der Erlass einer Anordnung war im vorliegenden Fall erforderlich, um wesentliche Nachteile vom Antragsteller abzuwenden. Ein solcher wesentlicher Nachteil lag in der Einziehung der Corona-Soforthilfe. Diese unterliegt entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung nicht der Pfändung, da es sich um eine nicht übertragbare Forderung handelt. Bei einer solchen besteht ein Pfändungsverbot. Denn es handelt sich bei der Corona-Soforthilfe um einen zweckgebundenen Zuschuss, der die finanzielle Notlage der Betroffenen abmildern soll.

Fällt die Veräußerung eines Geschäftsgrundstücks mit Ladeneinrichtung un-ter die Grunderwerbsteuer?

Für den Erwerb von Zubehör muss keine Grunderwerbsteuer gezahlt werden. Entscheidend für die Beurteilung, ob Gegenstände Zubehör darstellen, ist die zivilrechtliche Rechtsprechung. Danach müssen die Gegenstände dazu bestimmt sein, dauerhaft dem wirtschaftlichen Zweck des Grundstücks zu dienen.

Hintergrund

Das Finanzamt bezog bei dem Verkauf eines Geschäftsgrundstücks den auf die Ladeneinrichtung entfallenden Kaufpreisanteil in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer mit ein. Das Finanzgericht gab der dagegen erhobenen Klage mit der Begründung statt, dass es sich um nicht zu berücksichtigendes Zubehör handelte. Nur der anteilig auf das Grundstück entfallende Kaufpreis fiel seiner Ansicht nach in die Bemessungsgrundlage.

Das Finanzamt legte dagegen Nichtzulassungsbeschwerde ein.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Nichtzulassungsbeschwerde zurück, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Weiterhin führte der Bundesfinanzhof aus: Werden zusammen mit einem Grundstück weitere Gegenstände (körperliche Gegenstände oder Rechte) veräußert, rechnet der Aufwand für diesen Erwerb nicht zur Gegenleistung, da insoweit keine Leistung für den Erwerb eines Grundstücks vorliegt (Grundstücksbegriff im Sinn des Zivilrechts). Damit gehört Zubehör nicht zum Grundstück. Sein Erwerb unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer. Ein auf das Zubehör entfallendes Entgelt ist keine Gegenleistung.

Ob Gegenstände Zubehör sind, beurteilt sich nach dem Zivilrecht. Danach sind Zubehör bewegliche Sachen, die (ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein) dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen. Erforderlich ist ein Abhängigkeitsverhältnis, das durch Überordnung der Hauptsache (Grundstück) und Unterordnung der Hilfssache (Zubehör) gekennzeichnet ist.

Die Entscheidung darüber, was bei einem Gewerbebetrieb Hauptsache ist, bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Schwerpunkt des Unternehmens. Das ist grundsätzlich das Betriebsgrundstück. Deshalb werden in aller Regel die einem Unternehmen zugeordneten Gegenstände als Zubehör des Grundstücks angesehen, auf dem der wirtschaftliche Schwerpunkt des Betriebs liegt.

Im Bereich der Feststellung, was im Einzelfall als Zubehör anzusehen ist, steht dem Finanzgericht ein weiter Ermessensspielraum zu.

Hiervon ausgehend bestätigt der Bundesfinanzhof das Urteil des Finanzgerichts. Die Ladeneinrichtungsgegenstände sind Zubehör. Der auf sie im Rahmen der Gesamtgegenleistung entfallende Kaufpreis fällt nicht in die grunderbsteuerliche Bemessungsgrundlage.