Ehe für alle: Zusammenveranlagung kann rückwirkend beantragt werden

Das Eheöffnungsgesetz machte die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare möglich. Ein Paar wandelte daraufhin nicht nur die im Jahr 2001 begründete Lebenspartnerschaft in eine Ehe um, sondern beantragte gleichzeitig rückwirkend zum Jahr 2001 die Zusammenveranlagung – und das tatsächlich mit Erfolg.

Hintergrund

Die Steuerpflichtigen begründeten nach Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes am 1.8.2001 eine Lebenspartnerschaft. Nach Inkrafttreten des Eheöffnungsgesetzes im November 2017 wandelten sie diese in eine Ehe um. Nach der gesetzlichen Regelung ist der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft nach der Umwandlung in eine Ehe für die Rechte und Pflichten der Partner maßgeblich. Darauf nahmen die Eheleute Bezug und beantragten ab Beginn der Lebenspartnerschaft in 2001 die Durchführung der Zusammenveranlagung. Das Finanzamt lehnte dies ab.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab den Steuerpflichtigen recht. Zur Begründung führten die Richter aus: Das Eheöffnungsgesetz bestimmt, dass nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe für die Rechte und Pflichten der Lebenspartner der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft maßgebend ist. Deshalb müssen nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe die Partner so gestellt werden, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten.

Das Eheöffnungsgesetz ist ein außersteuerliches Gesetz und führt damit zu einem rückwirkenden Ereignis, das eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide ab 2001 ermöglicht. Diese Rückwirkung ergibt sich nach Ansicht des Finanzgerichts unmittelbar aus Art. 3 Abs. 2 Eheöffnungsgesetz.

Samstags-/Sonntags-/Feiertagsregelung im Rahmen des 10-Tage-Zeitraums bei Umsatzsteuer-Vorauszahlungen

Wird eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung innerhalb von 10 Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres geleistet, ist diese im Vorjahr abziehbar. Das soll nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs auch dann gelten, wenn der 10.1. des Folgejahres auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt.

Hintergrund

Die Unternehmerin A ermittelt ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung. Sie leistete die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 2014 durch Banküberweisung am 8.1.2015. Die Zahlung machte sie als Betriebsausgabe für 2014 geltend. Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, dass die Zahlung erst im Folgejahr 2015 abziehbar war. Denn wegen der Samstags-/Sonntags-/Feiertagsregelung fiel der Fälligkeitstag nicht auf den 10.1.2015 (Samstag), sondern auf den 12.1.2015 (Montag). Damit lag er außerhalb des für regelmäßig wiederkehrende Zahlungen geltenden 10-Tage-Zeitraums.

Das Finanzgericht gab der Klage der A statt und entschied, dass das Hinausschieben des Fristendes auf den folgenden Werktag nicht im Rahmen der 10-Tage-Regel gilt.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzgerichts und wies die Revision des Finanzamts zurück. Grundsätzlich gilt, dass Umsatzsteuer-Vorauszahlungen regelmäßig wiederkehrende Ausgaben sind, die dem Kalenderjahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zugeordnet werden, wenn sie “kurze Zeit” nach Beendigung des Kalenderjahres entrichtet werden. Als “kurze Zeit” gilt ein Zeitraum von bis zu 10 Tagen. Der Bundesfinanzhof vertrat hier die Auffassung, dass diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt war. Denn bei der Ermittlung der Fälligkeit ist allein auf die gesetzliche Frist abzustellen, wonach die Vorauszahlung am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig ist. Im Streitfall war dies der 10.1.2015 (Samstag), der damit innerhalb des 10-Tage-Zeitraums lag. Auf eine mögliche Fristverlängerung aufgrund der Samstags-/Sonntags-/Feiertagsregelung kam es nicht an. Entscheidend war ausschließlich, wann eine Zahlung als abgeflossen gilt. Die Frage, wie die Fälligkeit zu bestimmen ist bzw. ob die Zahlungsfrist hinausgeschoben wird, ist unerheblich.

Es kann nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht von einem Umstand abhängen, auf den der Steuerpflichtige keinen Einfluss hat, dass bei identischen Vorgaben – Zahlung vor dem 10.1. des Folgejahres – in einigen Jahren die Zahlung dem Vorjahr und in anderen Jahren dem Folgejahr zuzuordnen ist.

Stromleitung über dem eigenen Grund und Boden: Entschädigung für Überspannung ist nicht steuerbar

Wer für eine Stromleitung, die das eigene Privatgrundstück überspannt, eine einmalige Entschädigung bekommt, kann sich über ein Urteil des Bundesfinanzhofs freuen. Dieser hat nämlich entschieden, dass die Entschädigungszahlung nicht versteuert werden muss.

Hintergrund

Der Ehemann E ist Eigentümer eines bebauten und von den Ehegatten bewohnten Grundstücks. Mit der Netzbetreiber-GmbH schloss E eine Vereinbarung, wonach die GmbH das Grundstück für den Bau, den Betrieb und die Unterhaltung elektrischer Leitungen zeitlich unbegrenzt in Anspruch nehmen durfte. E verpflichtete sich zu Eintragung einer entsprechenden Dienstbarkeit und erhielt von der GmbH eine einmalige Entschädigung von 18.000 EUR.

Das Finanzamt wertete die Zahlung als Einkünfte aus sonstigen Leistungen. Das Finanzgericht wies die dagegen erhobene Klage ab, verneinte zwar das Vorliegen von Einkünften aus sonstigen Leistungen, bejahte aber Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Denn die Gegenleistung des E bestand ausschließlich darin, der GmbH einen Teil des Luftraums über seinem Grundstück für den Betrieb der Leitung zur Nutzung zu überlassen und der Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit zuzustimmen. Damit lag der Vereinbarung eine Nutzungsüberlassung gegen Entgelt zugrunde.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied dagegen zugunsten des Klägers, dass weder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung noch aus sonstigen Leistungen vorlagen.

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung werden erzielt, wenn einem anderen zeitlich begrenzt unbewegliches Vermögen oder Rechte, die den Vorschriften über Grundstücke unterliegen, gegen Entgelt zum Gebrauch oder zur Nutzung überlassen werden. Daher kann grundsätzlich das Entgelt für die zeitlich begrenzte Belastung eines Grundstücks mit einer Dienstbarkeit als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu beurteilen sein. Denn die Belastung mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zur Nutzung eines Grundstücks hat keinen endgültigen Rechtsverlust (Eigentumsverlust) zur Folge. Die Grenze vom Nutzungsbereich zum Vermögensbereich ist jedoch überschritten, wenn die tatsächliche Durchführung der durch die Dienstbarkeit gesicherten Vereinbarungen dazu führen, dass der Besteller zwar bürgerlich-rechtlich Eigentümer des belasteten Grundstücks bleibt, er aber seine Herrschaftsgewalt wirtschaftlich in vollem Umfang auf Dauer verliert, d. h. auch eine Rückübertragung praktisch unmöglich wird.

Im vorliegenden Fall fehlte es an einer zeitlich begrenzten Nutzungsüberlassung. Die der GmbH eingeräumten Befugnisse sind weder schuldrechtlich noch dinglich auf eine bestimmte oder absehbare Dauer beschränkt. E wurde nicht das Recht eingeräumt, unter bestimmten Voraussetzungen die Rückübertragung der der GmbH eingeräumten Rechte zu verlangen. Lediglich für die GmbH bestand ein einseitiges Rücktrittsrecht. E ist somit endgültig in seinen Eigentümerbefugnissen beschränkt.

Dass E sich dazu bereit erklärt hatte, eine entsprechende Beschränkung seines Eigentums gegen Entschädigung hinzunehmen, stellte auch keine sonstige Leistung dar.

Auswirkungen für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten bei privaten Postdienstleistern

Wird die Post durch einen privaten Postdienstleister befördert und schaltet dieser ein Subunternehmen ein, kann dies zu einem längeren Postlauf führen – was für die Zugangsvermutung innerhalb der 3-Tage-Frist von Bedeutung sein kann.

Hintergrund

Der Vater V stellte einen Antrag auf Kindergeld für seine Töchter. Gegen den Ablehnungsbescheid legte er Einspruch ein, den die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung v. 5.11.2015 als unbegründet zurückwies. Da als Absendedatum der 6.11.2015 vermerkt war, war nach der Zugangsvermutung der 3-Tage-Frist die Einspruchsentscheidung am 9.11.2015 zugegangen. Damit war die Klagefrist am 9.12.2015 abgelaufen. Mit seiner am 10.12.2015 erhobenen Klage trug V vor, dass die Klagefrist gewahrt war, da ihm die Einspruchsentscheidung erst am 12.11.2015 zugegangen war. Am Absendetag am 6.11.2015 war die Post zwischen 12:30 Uhr und 13 Uhr durch den Kurierdienst, einen Subunternehmer der X-Post (lizenzierter privater Postdienstleister), abgeholt worden. Das Finanzgericht wies die Klage als unzulässig ab, da sie verfristet war.

Entscheidung

Grundsätzlich gilt: Behauptet der Steuerpflichtige, dass er den Bescheid nicht innerhalb des 3-Tage-Zeitraums erhalten hat, muss er sein Vorbringen substanziieren, um Zweifel an der 3-Tage-Vermutung zu begründen. Einfaches Bestreiten genügt dafür nicht, sondern es müssen Tatsachen vorgetragen werden, die den Schluss zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische Zugang innerhalb der 3-Tage-Frist ernstlich in Betracht kommt. Auf einen hinreichend substanziierten Vortrag muss sodann die Behörde beweisen, wann der Verwaltungsakt zugegangen ist.

Der Bundesfinanzhof bekräftigte in seiner Entscheidung, dass die Zugangsvermutung auch bei der Übermittlung durch einen privaten Postdienstleister gilt. Im vorliegenden Fall lagen jedoch besondere Umstände vor, die den typischen Geschehensablauf und den Zugang innerhalb der 3-Tage-Frist in Zweifel zogen. Da im Rahmen der Lizenzierung privater Postdienstleister die Einhaltung konkreter Postlaufzeiten nicht geprüft wird, muss ermittelt werden, ob nach den bei dem Dienstleister X vorgesehenen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen regelmäßig von einem Zugang innerhalb der 3-Tage-Frist ausgegangen werden kann. Die Zwischenschaltung eines weiteren Dienstleistungsunternehmens könnte möglicherweise einen längeren Postlauf zur Folge haben. Der Bundesfinanzhof verwies den Fall zur Nachholung der entsprechenden Feststellungen an das Finanzgericht zurück.

Zahlungen aus Forschungsstipendium unterliegen als sonstige Einkünfte der Steuerpflicht

Wer aus einem Forschungsstipendium über einen Zeitraum von 2 Jahren monatliche Zahlungen erhält, muss diese als wiederkehrende Bezüge versteuern. Nach Ansicht des Finanzgerichts Düsseldorf ist dafür kein Leistungsaustausch erforderlich.

Hintergrund

Eine Postdoktorandin erhielt für eine Tätigkeit an einem ausländischen Forschungsinstitut ein monatliches Stipendium in Höhe von 2.100 EUR von einer Nicht-EU-Förderorganisation. Das Stipendium wurde über einen Zeitraum von 2 Jahren gewährt. Das Finanzamt war der Ansicht, dass es sich bei den Zahlungen um sonstige Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen handelte und setzte dementsprechend Einkommensteuer fest. Dagegen wehrte sich die Postdoktorandin mit ihrer Klage. Denn aus ihrer Sicht lagen keine steuerbaren Einkünfte vor, da sie für den Erhalt des Stipendiums keine konkrete Gegenleistung erbringen musste.

Entscheidung

Die Klage hatte vor dem Finanzgericht keinen Erfolg. Das Gericht entschied, dass die Zahlungen sonstige Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen darstellten. Die Begründung: Eine Einordnung als sonstige Einkünfte setzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Wiederholung der Bezüge aufgrund eines einheitlichen Entschlusses oder Rechtsgrunds und mit einer gewissen Regelmäßigkeit voraus. Diese Voraussetzungen waren vorliegend nach Ansicht des Finanzgerichts erfüllt. Denn das Stipendium beruhte auf einem Vertrag und wurde über einen Zeitraum von 2 Jahren in Monatsraten ausgezahlt. Darüber hinaus war durch die Auszahlung des Stipendiums die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin erhöht.

Die Steuerbarkeit von wiederkehrenden Bezügen setzt nicht voraus, dass eine konkrete Gegenleistung zu erbringen ist. Das Erfordernis eines Leistungsaustauschs ergibt sich weder aus der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung noch aus der entsprechenden höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Steuerlicher Gewinn bei Bilanzänderung maßgebend

Es ist zulässig, wenn eine Bilanzänderung in Höhe der aus der Bilanzberichtigung resultierenden steuerlichen Gewinnauswirkung vorgenommen wird und nicht lediglich in Höhe der Gewinnänderung, die sich aus der Steuerbilanz ergibt.

Hintergrund

Die Klägerin und das Finanzamt einigten sich im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung dahingehend, dass der Bilanzansatz einer GmbH-Beteiligung um 800.000 DM erhöht wird. Zudem wurde eine Teilwertabschreibung auf Forderungen der GmbH i. H. v. 500.000 DM nicht anerkannt. Die Klägerin wollte diese Gewinnerhöhungen im Wege der Bilanzänderung durch Berücksichtigung von Sonderabschreibungen ausgleichen. Das Finanzamt meinte jedoch, dass nur die Änderung des Steuerbilanzgewinns für die Bemessung des Änderungsrahmens maßgeblich war.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass unter dem Begriff “Gewinn” der steuerliche Gewinn und nicht der Bilanzgewinn zu verstehen ist. Damit ist eine Bilanzänderung in Höhe der aus der Bilanzberichtigung resultierenden steuerlichen Gewinnauswirkung und nicht lediglich in Höhe der sich aus der Steuerbilanz ergebenden Gewinnänderung zulässig.

Voraussetzung für eine Änderung der Bilanz ist, dass der Gewinn durch eine Bilanzberichtigung erhöht wird. Eine außerbilanzielle Gewinnerhöhung reicht dafür nicht aus. Daraus folgt aber nicht, dass eine Bilanzänderung nur in Höhe der aus der Bilanzberichtigung resultierenden Erhöhung des Steuerbilanzgewinns möglich sein soll.

Sowohl nach dem gesetzlichen Wortlaut als auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs darf durch die Bilanzänderung maximal das steuerliche Ergebnis erreicht werden, das vor der Durchführung der Bilanzberichtigung bestanden hatte. Dem bilanzierenden Steuerpflichtigen soll die Möglichkeit eröffnet werden, durch eine Bilanzänderung die aus der Bilanzberichtigung resultierenden steuerlichen Folgen vollständig auszugleichen.

Ablaufhemmung bei Selbstanzeige

Beginnen die Ermittlungen der Steuerfahndung, bevor die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, und beruht die Steuerfestsetzung auf konkreten Ermittlungen der Steuerfahndung, stellt sich die Frage, welche Folgen eine Selbstanzeige des Steuerpflichtigen auf die Ablaufhemmung hat.

Hintergrund

Die Eheleute und Kläger gaben ihre Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1996 und 1997 im Jahr 1998 ab. Im Jahr 2008 gaben sie für die Jahre 1996, 1997 und für die Jahre 2000 bis 2006 Selbstanzeigen ab. In diesen erklärten sie Kapitalerträge aus Liechtenstein nach. Durch eine sog. Steuer-CD hatte das Finanzamt schon im Jahr 2007 Hinweise auf das Depot der Eheleute in Liechtenstein erhalten. Die Prüferin der Steuerfahndung wertete die übermittelten Unterlagen und die Steuerakten im Jahr 2007 aus. Das Vorermittlungsergebnis für 1996 bis 2006 hielt sie in einem Verdachtsprüfungsvermerk vom September 2007 fest. Im Januar 2008 leitete die Steuerfahndung ein Steuerstrafverfahren wegen unrichtiger Erklärungen für die Jahre 2002 bis 2006 ein. Nachdem im April 2008 ein Prüfungsauftrag der Steuerfahndung für den Zeitraum 1996 bis 2006 ergangen war, forderte die Prüferin von den Eheleuten Unterlagen zu den liechtensteinischen Anlagen an.

Im Juni 2010 erließ das Finanzamt Änderungsbescheide für 1996 und 1997 wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen. Die Eheleute machten Festsetzungsverjährung geltend, da aufgrund der Abgabe der Steuererklärungen im Jahr 1998 die bei Steuerhinterziehung geltende reguläre 10-jährige Verjährungsfrist zum Jahresende 2008 abgelaufen war. Auch die Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Selbstanzeigen um 1 Jahr nach Eingang der Anzeige im Mai 2008 war ihrer Meinung nach im Mai 2009 abgelaufen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied, dass eine Nacherklärung von Besteuerungsgrundlagen eine auf Ermittlungen der Steuerfahndung beruhende Ablaufhemmung hinsichtlich derselben Besteuerungsgrundlagen nicht ausschloss. Das Finanzamt musste damit nach der Abgabe der Nacherklärung nicht abwarten, ob die Kläger zu den hinterzogenen Einkünften bis zum Ablauf der 1-jährigen Hemmungsfrist ausreichende Angaben machten. Vielmehr konnte das Finanzamt vor Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist eigene Ermittlungen anstellen, um selbst eine Hemmung herbeizuführen. Diese Ablaufhemmung endet erst, wenn aufgrund der Prüfung Steuerbescheide ergehen und diese unanfechtbar werden. Voraussetzung für den Eintritt der Hemmung ist jedoch, dass die Steuerfestsetzung auf den Ermittlungen der Steuerfahndung beruht.

Die Ablaufhemmung war deshalb für die Jahre 1996 und 1997 nur eingetreten, wenn die Steuerfahndung noch im Jahr 2008 Ermittlungshandlungen vorgenommen hatte, die der Überprüfung der nacherklärten Besteuerungsgrundlagen dieser Jahre dienten. Ob diese Voraussetzung vorlag, ließ sich aus Sicht des Bundesfinanzhofs jedoch nicht klären. Der Geschehensablauf sprach eher dafür, dass die Prüferin der Steuerfahndung erst im Februar 2009 und somit nach Fristablauf eine detaillierte Ermittlungshandlung hinsichtlich der Jahre 1996 und 1997 vornahm. Auf die Aktenauswertung und den Verdachtsprüfungsvermerk vom September 2007 konnte nicht abgestellt werden. Denn insoweit handelte es sich lediglich um Vorbereitungshandlungen für eine durchzuführende Prüfung. Die begonnene Fahndungsprüfung wurde nach Beendigung der Vorbereitungshandlungen zunächst wieder unterbrochen.

Das Finanzgericht muss feststellen, ob vor Jahresende 2008 detailliert Unterlagen zur Prüfung der nacherklärten Erträge für die Jahre 1996 und 1997 angefordert wurden und ob die späteren Steuerfestsetzungen auf dieser Unterlagenanforderung beruhten.

Auswirkung einer zivilgerichtlichen Kaufpreisänderung auf die Grunderwerbsteuer

Wird aufgrund einer Kaufpreisanpassungsklausel im Kaufvertrag der zivilrechtliche Kaufpreis geändert, liegt aus steuerlicher Sicht ein rückwirkendes Ereignis vor, sodass die Festsetzung der Grunderwerbsteuer geändert werden kann.

Hintergrund

Die Klägerin erwarb von einer Bodenverwertungs- und Verwaltungs GmbH (BVVG) Ackerflächen, Grünland, Umland, Wald und sonstige Flächen. Vom Gesamtkaufpreis entfielen ein Teil auf den Grund und Boden nach dem Verkehrswert und ein Teil auf den Grund und Boden nach dem Ausgleichsleistungsgesetz. Dementsprechend setzte das Finanzamt die Grunderwerbsteuer fest, der entsprechende Grunderwerbsteuerbescheid wurde bestandskräftig. Im Vertrag war eine Kaufpreisanpassungsklausel vereinbart worden.

Nachdem die BVVG aufgrund eines Urteils des Landgerichts einen Teil des Kaufpreises zurückzahlen musste, beantragte die Klägerin eine Änderung der Grunderwerbsteuerfestsetzung. Nach Ansicht der Klägerin liegt ein steuerlich rückwirkendes Ereignis vor. Das Finanzamt lehnte eine Änderung ab.

Entscheidung

Mit ihrer Klage vor dem Finanzgericht hatte die Klägerin Erfolg. Zwar lagen die Voraussetzungen für eine Änderung der Festsetzung der Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht vor. Denn das Urteil war nicht innerhalb von 2 Jahren seit der Entstehung der Steuer ergangen, da hierzu eine Genehmigung vorliegen muss, diese aber erst nach Ablauf dieser Frist gegeben war.

Auch waren die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG nicht erfüllt. Diese erfasst die Herabsetzung des Kaufpreises bei Mängeln des gekauften Grundstücks – was jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben war.

Jedoch konnte der Bescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO wegen eines rückwirkenden Ereignisses geändert werden. Die Herabsetzung des Kaufpreises aufgrund des Urteils des Landgerichts hatte steuerliche Wirkung für die Vergangenheit, denn durch das Landgericht wurde rückwirkend in eine wesentliche Besteuerungsgrundlage – nämlich den Wert der Gegenleistung – eingegriffen. Ausgehend von der im Vertrag enthaltenen Anpassungsklausel hatte sich die Kaufpreisvereinbarung geändert.

Entschädigung aufgrund einer missglückten Operation – steuerpflichtig oder steuerfrei?

Erhält ein Erwerbsloser eine Entschädigung wegen einer missglückten Operation, stellt sich die Frage, ob diese steuerpflichtig ist oder nicht. Das hängt davon ab, ob damit steuerbare und steuerpflichtige Einnahmen ersetzt werden sollen.

Hintergrund

Der 1964 geborene A schied nach betriebsbedingter Kündigung zum Jahresende 2000 gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Betrieb aus. Seitdem war er arbeitslos gemeldet. Als Folge einer missglückten Operation im Jahr 2003 wurde er dauerhaft erwerbsunfähig. Seit Februar/März 2004 bezog er Arbeitslosengeld II.

Im Jahr 2009 zahlte der Haftpflichtversicherer des Schädigers dem A zum Ausgleich sämtlicher Schäden insgesamt 490.000 EUR. Davon waren 255.000 EUR Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden und 235.000 EUR für Verdienstausfall. Gleichzeitig sicherte A zu, keine Leistungen eines Sozialversicherungsträgers zu erhalten. Bereits vor 2009 geleistete Vorschüsse von 50.000 EUR sollten angerechnet werden. Die Versicherung bemaß den Erwerbsschaden des A für die Vergangenheit mit 60.000 EUR und für die Zukunft mit 175.000 EUR (Summe 235.000 EUR). Zur Ermittlung des Verdienstausfalls hatte A der Versicherung die Lohnabrechnungen eines gleich qualifizierten Arbeitskollegen zur Verfügung gestellt, der eine vergleichbare Tätigkeit ausübte. Nachdem A der Vereinbarung im Jahr 2009 zugestimmt hatte, leistete die Versicherung die Abschlusszahlung von 440.000 EUR (490.000 EUR ./. 50.000 EUR) ebenfalls im Jahr 2009.

Das Finanzamt wertete die Entschädigung für den Verdienstausfall als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und wendete darauf die Tarifermäßigung nach der Fünftel-Regelung an. Das Finanzgericht wies die Klage ab, da es für die steuerliche Erfassung unerheblich war, dass A zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand.

Entscheidung

Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit kommt eine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen nur für Zahlungen in Betracht, die den Erwerbs- und Fortkommensschaden ausgleichen sollen. Nur insoweit wird Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen geleistet. Beträge, mit denen Arzt- und Heilungskosten oder andere verletzungsbedingte Mehraufwendungen ersetzt werden oder die als Schmerzensgeld immaterielle Einbußen ausgleichen sollen, fallen nicht darunter. Bei den Einnahmen, deren Ausfall ersetzt werden soll, muss es sich um steuerbare und steuerpflichtige Einnahmen handeln, die unter eine bestimmte Einkunftsart fallen. Entscheidend für die steuerliche Erfassung ist daher, ob mit der Zahlung steuerbare und steuerpflichtige Einnahmen ersetzt werden sollen (sog. Verdienstausfall) oder ob der Wegfall des Anspruchs auf steuerfreie Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld I bzw. II ausgeglichen werden soll.

Bei der Auslegung einer Entschädigungsvereinbarung ist nicht die Bezeichnung der Entschädigungszahlung entscheidend, sondern der Zweck der Leistung.

Da sich aus dem Finanzgerichtsurteil nicht ergab, auf welcher Grundlage die Entschädigung errechnet wurde bzw. welchen Schaden die Versicherung ersetzen wollte, war es aufzuheben. Zwar hatte A auf die Lohnabrechnungen eines Berufskollegen verwiesen, ob die Versicherung diese Umstände aber tatsächlich berücksichtigt hat, wurde vom Finanzgericht nicht festgestellt. Der Bundesfinanzhof verwies den Fall daher zur weiteren Sachverhaltsfeststellung an das Finanzgericht zurück.

Kein Abzug von Refinanzierungskosten für Gesellschafterdarlehen

Verzichtet ein Gesellschafter auf sein Gesellschafterdarlehen, um die Eigenkapitalbildung und Ertragskraft der Gesellschaft zu stärken, kann er die weiterhin anfallenden Refinanzierungskosten nicht als Werbungskosten im Zusammenhang mit früheren Zinseinkünften steuerlich geltend machen.

Hintergrund

Die Eheleute waren in den Jahren 2009 und 2010 zu 66 % und zu 8 % am Stammkapital einer GmbH beteiligt. Sie hatten zur Finanzierung ihrer Stammeinlagen ein Bankdarlehen aufgenommen. Sie gewährten der GmbH über mehrere Jahre verschiedene Darlehen, die sie selbst bei Banken refinanzierten. Für die Jahre 2009 und 2010 machten sie die Refinanzierungskosten sowie weitere Aufwendungen (Steuerberatungs-/Finanzierungskosten, Bankgebühren, Fachliteratur) als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Bei mehreren Darlehen waren Darlehens- und Zinsverzichte gegen Besserungsschein vereinbart worden. Für ein Darlehen wurde Zins gezahlt, obwohl ein Forderungsverzicht vorlag. Für ein weiteres Darlehen war nur ein Teilverzicht auf Rückzahlung und Zinsen ausgesprochen worden, dennoch wurden für den verbliebenen Teil keine Zinsen gezahlt.

Das Finanzamt unterstellte den Eheleuten fehlende Einkunftserzielungsabsicht und lehnte den Abzug von Werbungskosten ab. Das Finanzgericht verwies auf das Verbot des Werbungskostenabzugs für der Abgeltungsteuer unterliegende Einkünfte aus Kapitalvermögen und wies die Klage ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied, dass die Schuldzinsen für das Bankdarlehen zur Refinanzierung der Stammeinlagen unter das Abzugsverbot fallen. Die Eheleute wollten aus der Gesellschaft Beteiligungserträge (Gewinnanteile) erzielen. Die Schuldzinsen standen deshalb im Zusammenhang mit Beteiligungserträgen, die der Abgeltungsteuer unterlagen. Die Regelung, nach der das Abzugsverbot für Kapitalerträge nicht anzuwenden ist, wenn vom Gesellschafter ein Antrag gestellt wird, fand keine Anwendung. Denn die Eheleute stellten keinen entsprechenden Antrag. Dieser musste spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung gestellt und konnte nicht nachgeholt werden.

Soweit die Eheleute vollständig auf Zins- und Rückzahlung gegenüber der GmbH verzichteten, bestand für die Schuldzinsen kein wirtschaftlicher Zusammenhang zu künftigen Kapitalerträgen, sondern nur zu den Beteiligungserträgen aus der GmbH. Denn der Verzicht auf die Ansprüche aus den Gesellschafterdarlehen hatte zur Folge, dass sich der ursprüngliche wirtschaftliche Zusammenhang der Refinanzierungszinsen zu den Kapitalerträgen aus den Gesellschafterdarlehen zu den Beteiligungserträgen verlagerte. Durch den Verzicht sollte bis zum Eintritt des Besserungsfalls die Ertragslage der GmbH und die Substanz der Beteiligung gefördert werden. Da kein wirksamer Antrag vorlag, galt auch hier das Abzugsverbot.

Hinsichtlich des Darlehens, für das die Eheleute nur einen Teilverzicht erklärt hatten, galt dagegen das Werbungskostenabzugsverbot für die Refinanzierungskosten und die weiteren Kosten (Steuerberatungskosten usw.) nicht. Es reichte aus, dass die Zinsen von der GmbH zivilrechtlich geschuldet wurden. Keine Rolle spielte, dass sie tatsächlich nicht gezahlt wurden. Im Ergebnis war daher das Werbungskostenabzugsverbot nicht auf die Schuldzinsen und sonstigen Kosten anzuwenden, soweit sie mit dem teilweise fortbestehenden Gesellschafterdarlehen in wirtschaftlichem Zusammenhang standen.