Darf neben der Außenprüfung die Steuerfahndung tätig werden?

Besteht gegen einen Steuerpflichtigen der Verdacht, dass er eine Steuerstraftat begangen haben könnte, sind die erstmalige Anordnung und auch die Erweiterung einer Betriebsprüfung zulässig.

Hintergrund

Der Kläger, ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, betrieb eine Pferdezucht. Aus dieser erzielte er negative Einkünfte. Nachdem das Finanzamt bereits eine Betriebsprüfung angeordnet hatte, erweiterte es diese später, als eine gegen den Kläger gerichtete Strafanzeige eingegangen war. Diese legte das Finanzamt unter Hinweis auf das Steuergeheimnis jedoch nicht offen. Gegen die Prüfungsanordnung und deren Erweiterung legte der Kläger Einspruch ein. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde die Steuerfahndung wegen eines anderen strafrechtlichen Vorwurfs tätig, übernahm die steuerrechtlichen Ermittlungen und schloss diese durch Erstellung eines Abschlussberichts ab. Daraufhin erklärte das Finanzamt seine Betriebsprüfung für beendet. Der Kläger will mit einer Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnungen erreichen.

Entscheidung

Die Klage hatte vor dem Finanzgericht keinen Erfolg. Eine Außenprüfung darf nämlich auch dann angeordnet werden, wenn die anzustellenden Ermittlungen ausschließlich im Zusammenhang mit einer Steuerstraftat stehen. Insoweit besteht keine sich gegenseitig ausschließende Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuerfahndung. Das Gesetz stellt vielmehr ausdrücklich klar, dass die Aufgaben und Befugnisse der Finanzbehörden unberührt bleiben. Das Finanzamt muss deshalb beim Verdacht einer Steuerstraftat die Strafverfolgung aufnehmen und ein Verfahren einleiten.

Es ist zulässig, dass die Ermittlungsmaßnahmen der Außenprüfung sowohl die Ermittlung des steuerlichen als auch des strafrechtlichen Sachverhalts umfassen. Denn zum Gegenstand der strafrechtlichen Ermittlungen gehören ebenfalls die Feststellung der tatsächlichen Höhe des Steueranspruchs und damit die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und den Steueranspruch maßgeblich sind.

Tantiemevereinbarung muss eindeutig sein

Auch wenn vereinbart ist, dass der Gewinn der GmbH für die Berechnung einer Tantieme um Verlustvorträge gemindert wird, bleiben Verlustrückträge unberücksichtigt, wenn diese im entsprechenden Vertrag nicht angesprochen werden. Das gilt zumindest dann, wenn die GmbH den Verlustrücktrag nicht in Anspruch nimmt.

Hintergrund

Laut Anstellungsvertrag stand den beiden Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH eine Tantieme zu. Diese betrug von 25 % des Jahresüberschusses, gekürzt um Verlustvorträge. Der klagende Gesellschafter beantragte, die in der Bilanz für 2008 als zugeflossen angesetzte Tantieme wegen des möglichen, jedoch nicht vorgenommenen Verlustrücktrags aus dem Jahr 2009 zu kürzen, was das Finanzamt jedoch ablehnte.

Entscheidung

Vor dem Finanzgericht hatte der Gesellschafter ebenfalls keinen Erfolg, die Klage wurde als unbegründet abgewiesen. Bei der Berechnung einer Tantieme für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer sind etwaige Verlustvorträge zu berücksichtigen, um eine verdeckte Gewinnausschüttung zu vermeiden. Der Fall der Verlustrückträge ist jedoch noch nicht höchstrichterlich entschieden. Ein Verlustrücktrag kann deshalb – jedenfalls nach Auffassung des Finanzgerichts – nur dann eingerechnet werden, wenn der Vertrag dies auch vorsieht.

Im vorliegenden Fall fehlt eine entsprechende Vertragsbestimmung, eine Kürzung der Tantieme kommt demnach nicht in Betracht. Da die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer hinsichtlich der Tantieme gleichgerichtete Interessen verfolgen, sind sie für die Frage des Zuflusses der Tantieme als beherrschend anzusehen. Die Tantieme gilt also bei Fälligkeit als zugeflossen und muss als Arbeitslohn versteuert werden.

Durch eine Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung entsteht Abgabepflicht

Wenn das Finanzamt einen Steuerpflichtigen dazu auffordert, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, ist er dazu dann gesetzlich verpflichtet. Dementsprechend kann sich der Beginn der Festsetzungsfrist verschieben.

Hintergrund

Das Finanzamt hatte den Kläger mit Schreiben v. 20.9.2007 zur Abgabe der Einkommensteuererklärung für 2006 bis spätestens 22.10.2007 aufgefordert. Gleichzeitig wies es darauf hin, dass es bei Nichtabgabe zum genannten Termin zur Festsetzung eines Zwangsgeldes berechtigt ist. Der Kläger reichte erst am 30.12.2011 die Einkommensteuererklärung beim Finanzamt ein. Das Finanzamt lehnte die Bearbeitung der Steuererklärung ab, weil seiner Ansicht nach die Festsetzungsverjährung eingetreten war. Es ging von einer Antragsveranlagung aus.

Das Finanzgericht bestätigte die Auffassung des Finanzamts und wies die Klage ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied dagegen, dass die 4-jährige Verjährungsfrist infolge der Anlaufhemmung zum Zeitpunkt der Einreichung der Steuererklärung für 2006 im Dezember 2011 noch nicht abgelaufen war.

Die 4-jährige Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist. Besteht eine Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung, beginnt die Festsetzungsfrist allerdings erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Entstehen der Steuer folgt.

Eine gesetzliche Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung liegt auch dann vor, wenn das Finanzamt den Steuerpflichtigen auffordert, eine Steuererklärung abzugeben. Das Schreiben des Finanzamts vom 20.9.2007 stellte eine solche Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung dar. Dafür sprach insbesondere der in dem Schreiben enthaltene Hinweis auf mögliche Zwangsmittel.

Deshalb war die Festsetzungsverjährungsfrist bei Einreichung der Einkommensteuererklärung 2006 im Jahr 2011 noch nicht abgelaufen.

Ausfall einer privaten Darlehensforderung: Liegt ein Verlust aus Kapitalvermögen vor?

Fällt eine Kapitalforderung endgültig aus, führt dies zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust in der privaten Vermögenssphäre.

Hintergrund

Der Kläger gewährte mit Vertrag vom 11.8.2010 einem Dritten ein mit 5 % verzinsliches Darlehen. Seit dem 1.8.2011 erfolgten die vereinbarten Rückzahlungen nicht mehr. Am 1.8.2012 wurde über das Vermögen des Darlehensnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet. Die noch offene Darlehensforderung von 19.338,66 EUR meldete der Kläger zur Insolvenztabelle an.

In seiner Einkommensteuererklärung für 2012 machte der Kläger die ausgefallene Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Das Finanzamt lehnte dies ebenso ab wie das Finanzgericht.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof gab dagegen dem Kläger recht. Die obersten Finanzrichter waren der Ansicht, dass der Ausfall einer Kapitalforderung in der privaten Vermögenssphäre zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust führt.

Mit der Einführung der Abgeltungsteuer wollte der Gesetzgeber eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreichen. Dies hat zur Folge, dass der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung zu einem steuerlich relevanten Verlust führt. Die Rückzahlung einer Darlehensforderung, die unter dem Nennwert des hingegebenen Darlehens bleibt, ist insoweit dem Verlust bei der Veräußerung der Forderung gleichzustellen.

Ein steuerbarer Verlust aufgrund eines Forderungsausfalls liegt allerdings erst dann vor, wenn endgültig feststeht, dass keine weiteren Rückzahlungen mehr erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Darlehensnehmers reicht hierfür nicht aus, es sei denn, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist oder aus anderen Gründen feststeht, dass keine Rückzahlung mehr zu erwarten ist.

Die entsprechenden Feststellungen muss nun das Finanzgericht treffen, an das der Bundesfinanzhof den Fall zurückverwies.

Sind Zuschüsse des Arbeitgebers auch bei gleichzeitigem Gehaltsverzicht begünstigt?

Arbeitgeberzuschüsse zur Internetnutzung, zu Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte und zur Kinderbetreuung können steuerbegünstigt bzw. steuerfrei sein. Das gilt auch dann, wenn den Zuschüssen ein Gehaltsverzicht der Arbeitnehmer vorausging.

Hintergrund

Der Arbeitgeber gewährte aufgrund einer Vereinbarung seinen Mitarbeitern Gehaltsextras, u. a. stellte er Handys bereit und übernahm die laufenden Kosten, zahlte einen Arbeitgeberzuschuss für die Internetnutzung und die Kinderbetreuung und übernahm Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte. In der Vereinbarung wurde auch geregelt, dass die Mitarbeiter auf einen bestimmten Betrag des Barlohns verzichten.

Für die Zuschüsse zur Internetnutzung nahm der Arbeitgeber die 25 %ige Lohnsteuerpauschalierung in Anspruch und für die Fahrtkostenübernahme die 15 %ige Pauschalierung. Die Zuschüsse zur Kinderbetreuung und die Zuschüsse zu den Telefonkosten behandelte der Arbeitgeber als steuerfrei.

Das Finanzamt verweigerte die Steuervergünstigungen bzw. -befreiungen. Seiner Ansicht nach waren insbesondere die Zuschüsse zur Internetnutzung, zu den Fahrtkosten und zur Kinderbetreuung nicht “zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn” geflossen. Vielmehr liegt eine steuerschädliche Gehaltsumwandlung vor.

Entscheidung

Das Finanzgericht sah das anders und gab der Klage des Arbeitgebers überwiegend statt.

Die Zuschüsse zur Internetnutzung, zu den Fahrtkosten und zur Kinderbetreuung wurden nach Meinung des Gerichts zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht. Denn der Arbeitnehmer hatte im Zeitpunkt der Zahlung keinen verbindlichen Rechtsanspruch auf die gezahlten Zuschüsse. Dies ergab sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung. Deshalb konnten dafür die lohnsteuerlichen Begünstigungen beansprucht werden.

Unerheblich war für das Finanzgericht, dass der Zuschussgewährung eine Herabsetzung des Lohns vorausgegangen war.

Dagegen waren die Telefonkostenzuschüsse nicht steuerfrei, weil es sich um Barzuschüsse zu privaten Telekommunikationsverträgen der Arbeitnehmer handelte, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht begünstigt sind.

Wertlose Aktien und wertlose Gegenleistung: Kein Gestaltungsmissbrauch

Liegt ein Gestaltungsmissbrauch vor, wenn wertlose Aktien gegen wertlose Aktien übereignet werden? Nein, sagt das Finanzgericht München. Zwar dient eine solche Gestaltung allein der Steuerersparnis, trotzdem ist darin ein Verkauf der Aktien zu sehen mit der Folge, dass der Verlust mit Gewinnen aus dem Verkauf anderer Aktien verrechnet werden darf.

Hintergrund

Der Kläger hatte Aktien einer AG, die insolvent und nicht mehr an der Börse gelistet war, an eine fremde Dritte verkauft. Als Gegenleistung erhielt er andere, ebenfalls wertlose Aktien. Das Finanzamt erkannte den Verlust in Höhe der Anschaffungskosten der Aktien steuerlich nicht an.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab dagegen dem Kläger Recht und der Klage statt.

Die Finanzrichter begründen ihre Entscheidung damit, dass seit Einführung der Abgeltungsteuer das Gesetz Gewinne und Verluste aus dem Verkauf von Aktien zu den Einkünften aus Kapitalvermögen rechnet. Dem Verkauf gleichgestellt ist u. a. die Einlösung oder Abtretung.

Die Finanzverwaltung hat jedoch geregelt, dass eine Veräußerung nicht vorliegt, wenn der Erlös niedriger ist als die Transaktionskosten. Diese Anweisung erklärte das Finanzgericht jetzt für rechtswidrig.

In dem Verkauf zum Zweck des steuerlichen Verlustausweises sehen die Münchner Richter auch keine missbräuchliche Gestaltung.

Künstliche Befruchtung: Auch gleichgeschlechtliche Partner dürfen die Kosten steuerlich absetzen

Lässt sich eine empfängnisunfähige Frau mit Spendersamen künstlich befruchten, darf sie die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd ansetzen. Das gilt auch dann, wenn die Frau in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt.

Hintergrund

Die Klägerin lebte in 2011 in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, die zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht eingetragen war. Da sie wegen einer primären Sterilität ohne medizinischen Eingriff nicht schwanger werden konnte, ließ sie in einer Klinik in Dänemark eine In-vitro-Fertilisation (IVF) unter Verwendung von Spendersamen durchführen. Die Klinik unterlag der Kontrolle der dänischen Gesundheitsbehörden. Aufgrund der Behandlung entstanden der Klägerin Kosten von rund 8.500 EUR (Medikamente, Durchführung der IVF, Fahrt- und Übernachtungskosten).

Das Finanzamt erkannte die Kosten jedoch nicht an, denn die Maßnahme war nicht entsprechend den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen worden.

Das Finanzgericht wies die Klage ab und argumentierte, dass die Kinderlosigkeit der Klägerin nicht unmittelbare Folge ihrer Unfruchtbarkeit gewesen, sondern zugleich dadurch begründet war, dass sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebte. Eine Zeugung eines Kindes auf natürlichem Wege war deshalb ausgeschlossen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob dieses Urteil auf und gab der Klägerin in vollem Umfang Recht.

In ständiger Rechtsprechung geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass Krankheitskosten aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Die Empfängnisunfähigkeit einer Frau ist eine Krankheit. Dementsprechend erkennt der Bundesfinanzhof Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung als Behandlung bei Sterilität an. Voraussetzung ist, dass diese in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen der Ärzte vorgenommen wird und die Behandlung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang steht. Die Behandlung darf also nicht gegen das Embryonenschutzgesetz verstoßen und muss den Richtlinien der Berufsordnungen der Ärzte entsprechen.

Im Fall der Klägerin handelt es sich bei den Aufwendungen der künstlichen Befruchtung um Krankheitskosten, die als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden dürfen. Unerheblich war, dass die IVF mit heterologem Samen (Spendersamen) durchgeführt wurde.

Der Bundesfinanzhof sieht keinen Widerspruch zu den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen. Nach verschiedenen von den Landesärztekammern auf der Grundlage der Musterrichtlinie der Bundesärztekammer zur Durchführung der assistierten Reproduktion erlassenen Landes-Richtlinien ist eine heterologe Insemination bei Frauen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, nicht explizit ausgeschlossen. Da es bei Behandlungen, die im Ausland durchgeführt werden, ausreichend ist, wenn die Behandlung zumindest in einem Bundesland hätte vorgenommen werden können, ist es im Streitfall auch unschädlich, dass A sich der Behandlung in Dänemark unterzogen hat.

Umsatzsteuerpflicht für förmliche Zustellungen: Der Bundesfinanzhof hat Zweifel daran

Ist die förmliche Zustellung von Schriftstücken nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften eine steuerfreie Post-Universaldienstleistung oder umsatzsteuerpflichtig? Der Bundesfinanzhof tendiert zur Steuerfreiheit und hat dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Klärung vorgelegt.

Hintergrund

Die A-GmbH betrieb bis zum Jahr 2011 die Ausführung von Postzustellungsaufträgen im Inland. Sie hatte sich gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) verpflichtet, flächendeckend im gesamten Bundesgebiet förmliche Zustellungen von Schriftstücken nach den Prozessordnungen und den Verwaltungszustellungsgesetzen zu erbringen. Die A-GmbH beantragte die Bescheinigung über die Umsatzsteuer-Befreiung dieser Dienstleistung. Sie war der Ansicht, dass das Produkt “Postzustellungsauftrag” dem Post-Universaldienst zuzuordnen ist. Das BZSt lehnte den Antrag ab.

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht der Finanzrichter gehört ein Postzustellungsauftrag nicht zu den Post-Universaldienstleistungen. Mit ihrer Revision wies die A-GmbH darauf hin, dass förmliche Zustellungen in fast allen EU-Mitgliedsstaaten von der Umsatzsteuer befreit sind.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hat die Problematik dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Dieser muss klären, ob förmliche Zustellungen Universaldienstleistungen i. S. d. Post-Richtlinie sind. Problematisch ist dabei, ob eine “Zustellung” nur vorliegt, wenn weitere Bearbeitungsschritte (vom Sortieren bis zur Aushändigung) übernommen werden, und ob förmliche Zustellungen zu den vom Post-Universaldienst umfassten Einschreib-Sendungen gehören.

Weiterhin ist zu entscheiden, ob die von der A-GmbH erbrachten Leistungen steuerfrei sein können. Denn die Voraussetzung der ständig flächendeckend zu erbringenden postalischen Dienstleistungen für alle Nutzer ist möglicherweise nicht erfüllt, wenn Auftraggeber bei förmlichen Zustellungen nicht “alle Nutzer”, sondern in erster Linie Gerichte und Verwaltungsbehörden sind. Diese Form der Zustellung kommt den Nutzern also nur mittelbar zugute. Denn der Einzelne kann die förmliche Zustellung nicht selbst bei der Post oder einem anderen Dienstleister in Auftrag geben, sondern nur mittelbar über ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde. Das könnte dem Charakter einer allen Nutzern zur Verfügung stehenden Universaldienstleistung widersprechen.

Genehmigung der Krankenkasse gilt nach Fristablauf als erteilt

Leistungsanträge von Versicherten müssen von den gesetzlichen Krankenkassen innerhalb der gesetzlich festgelegten Fristen bearbeitet werden. Lassen sie nämlich diese Fristen verstreichen, gelten die Anträge als genehmigt.

Hintergrund

Die Klägerinnen hatten unabhängig voneinander bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse beantragt, dass diese die Kosten für eine Operation zur Hautstraffung übernimmt. Beide Klägerinnen hatten zuvor stark abgenommen.

In beiden Fällen entschied die beklagte Versicherung nicht zeitgerecht und verweigerte später die Leistung.

Entscheidung

Zu Unrecht, entschied das Bundessozialgericht und verurteilte die Krankenkassen zur Zahlung der beantragten Leistung.

Bei einem Antrag auf Leistung muss die gesetzliche Krankenversicherung grundsätzlich zügig entscheiden, spätestens jedoch bis zum Ablauf von 3 Wochen nach Eingang des Antrags.

Hält sich die Krankenversicherung nicht an diese Fristen, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Damit ist die Krankenkasse zur Erstattung der entstandenen Kosten verpflichtet, wenn sich die Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst beschafft. Die Rücknahme der fingierten Genehmigung ist nicht möglich.

Wenn ein Anwalt eine Reise tut: Welche Kosten er sich ersetzen lassen kann

Ein auswärtiger Rechtsanwalt kann seine Kosten für die Teilnahme an einem Verhandlungstermin auch dann erstattet bekommen, wenn seine Rechtsanwaltsgesellschaft am Gerichtsort eine weitere Kanzlei betreibt.

Hintergrund

Ein Bonner Rechtsanwalt vertrat einen Mandanten in einem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, an dem er als Beigeladener beteiligt war.

Nachdem die Klage zurückgenommen worden und die Reise nach Leipzig nicht mehr erforderlich war, stellte der Mandant für seinen Anwalt einen Kostenfestsetzungsantrag und machte damit Stornierungskosten eines Flugs von Köln nach Leipzig und zurück sowie einer Hotelunterkunft geltend. Diese Kosten wurden von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle jedoch nicht berücksichtigt. Dagegen wandte sich der Mandant des Anwalts mit einer Erinnerung.

Entscheidung

Vor dem Bundesverwaltungsgericht hatte der Rechtsbehelf der Erinnerung größtenteils Erfolg. Reisekosten, die im Rahmen einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entstehen, können grundsätzlich erstattet werden, soweit sie notwendig waren. Auch ist jeder Beteiligte verpflichtet, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Darüber hinaus muss es sich um Auslagen handeln, die nicht mit den Gebühren abgegolten sind. Diese Voraussetzungen lagen nach Ansicht der Richter hier vor.

Zwar unterhielt die Kanzlei des Bonner Anwalts auch am Gerichtsort Leipzig eine Kanzlei. Bei der Niederlassung einer als Partnerschaft organisierten Anwaltsgesellschaft handelte es sich aber nicht um eine Zweigstelle, sondern um eine selbstständige Rechtsanwaltskanzlei. Der Bonner Anwalt musste sich also nicht darauf verweisen lassen, dass ein Leipziger Kollege den Fall hätte übernehmen können. Damit trugen die Richter dem persönlichen Kontakt und dem Vertrauensverhältnis zwischen der Partei und dem konkret ausgewählten ortsnahen Rechtsanwalt Rechnung. Außerdem arbeitete im Leipziger Büro der Kanzlei weder ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht noch ein Rechtsanwalt, der sich mit der rechtlichen Lage im konkreten Fall auskannte.

Die Stornierungskosten der Flugreise akzeptierte das Bundesverwaltungsgericht der Höhe nach. Nur bei den Stornierungskosten des Hotelzimmers machte es Abzüge.