Lässt sich eine empfängnisunfähige Frau mit Spendersamen künstlich befruchten, darf sie die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd ansetzen. Das gilt auch dann, wenn die Frau in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt.
Hintergrund
Die Klägerin lebte in 2011 in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, die zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht eingetragen war. Da sie wegen einer primären Sterilität ohne medizinischen Eingriff nicht schwanger werden konnte, ließ sie in einer Klinik in Dänemark eine In-vitro-Fertilisation (IVF) unter Verwendung von Spendersamen durchführen. Die Klinik unterlag der Kontrolle der dänischen Gesundheitsbehörden. Aufgrund der Behandlung entstanden der Klägerin Kosten von rund 8.500 EUR (Medikamente, Durchführung der IVF, Fahrt- und Übernachtungskosten).
Das Finanzamt erkannte die Kosten jedoch nicht an, denn die Maßnahme war nicht entsprechend den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen worden.
Das Finanzgericht wies die Klage ab und argumentierte, dass die Kinderlosigkeit der Klägerin nicht unmittelbare Folge ihrer Unfruchtbarkeit gewesen, sondern zugleich dadurch begründet war, dass sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebte. Eine Zeugung eines Kindes auf natürlichem Wege war deshalb ausgeschlossen.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob dieses Urteil auf und gab der Klägerin in vollem Umfang Recht.
In ständiger Rechtsprechung geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass Krankheitskosten aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Die Empfängnisunfähigkeit einer Frau ist eine Krankheit. Dementsprechend erkennt der Bundesfinanzhof Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung als Behandlung bei Sterilität an. Voraussetzung ist, dass diese in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen der Ärzte vorgenommen wird und die Behandlung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang steht. Die Behandlung darf also nicht gegen das Embryonenschutzgesetz verstoßen und muss den Richtlinien der Berufsordnungen der Ärzte entsprechen.
Im Fall der Klägerin handelt es sich bei den Aufwendungen der künstlichen Befruchtung um Krankheitskosten, die als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden dürfen. Unerheblich war, dass die IVF mit heterologem Samen (Spendersamen) durchgeführt wurde.
Der Bundesfinanzhof sieht keinen Widerspruch zu den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen. Nach verschiedenen von den Landesärztekammern auf der Grundlage der Musterrichtlinie der Bundesärztekammer zur Durchführung der assistierten Reproduktion erlassenen Landes-Richtlinien ist eine heterologe Insemination bei Frauen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, nicht explizit ausgeschlossen. Da es bei Behandlungen, die im Ausland durchgeführt werden, ausreichend ist, wenn die Behandlung zumindest in einem Bundesland hätte vorgenommen werden können, ist es im Streitfall auch unschädlich, dass A sich der Behandlung in Dänemark unterzogen hat.