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Wer haftet für schuldhaft nicht abgeführte Umsatzsteuer?

An das Kennenmüssen einer Hinterziehungsabsicht sind strenge Anforderungen zu stellen. Insbesondere müssen Anhaltspunkte vorliegen, die für den Unternehmer im Rahmen eines konkreten Leistungsbezugs den Schluss nahelegen, dass der Rechnungsaussteller bereits bei Vertragsschluss die Absicht hatte, die Umsatzsteuer nicht abzuführen.

Hintergrund

A betreibt einen Fahrzeughandel. Sie bezog von der X-GmbH Fahrzeuge und Container. Diese Lieferungen stellte die X-GmbH am 3. und 5.1.2012 in Rechnung und wies darin Umsatzsteuer aus. Diese führte sie jedoch nicht an das Finanzamt ab. Gegen den Geschäftsführer Y der X-GmbH wurde seit 2008 durch die Steuerfahndung wegen einer Vielzahl von Fällen der Umsatzsteuer-Hinterziehung ermittelt. Im Jahr 2014 wurde er wegen Hinterziehung der Umsatzsteuer aus den Lieferungen an A verurteilt. Die Steuerfahndung hatte A spätestens am 11.1.2012 über die Ermittlungsverfahren unterrichtet. Ob A bereits zuvor von den Ermittlungsverfahren Kenntnis hatte, war streitig.

Das Finanzamt nahm A für die von der X-GmbH nicht abgeführte Umsatzsteuer in Haftung. Vor dem Finanzgericht hatte A mit seiner Klage Erfolg. Die Richter waren der Ansicht, dass das Finanzamt die Haftungsvoraussetzungen nicht nachgewiesen hatte.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof schloss sich dem Urteil des Finanzgerichts an und wies die Revision des Finanzamts zurück. Ein Unternehmer haftet aus einem vorangegangenen Umsatz, soweit der Aussteller der Rechnung entsprechend seiner vorgefassten Absicht die ausgewiesene Steuer nicht entrichtet hat und der Unternehmer bei Abschluss des Vertrags davon Kenntnis hatte oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte haben müssen.

Selbst wenn A von den Ermittlungen gegen Y gewusst haben sollte, heißt das nicht, dass sie auch von dessen Absicht wusste, die Umsatzsteuer aus dem Liefergeschäft mit ihr nicht abzuführen.

Aus einer unterstellten Kenntnis der A von den Ermittlungen gegen Y folgten auch keine Sorgfaltspflichten hinsichtlich einer Hinterziehungsabsicht des Y. Denn an das Kennenmüssen sind strenge Anforderungen zu stellen. Wirtschaftsteilnehmer dürfen nicht für die von einem anderen Steuerpflichtigen geschuldete Steuer in Anspruch genommen werden, wenn sie alle vernünftigerweise zumutbaren Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht zu einer Lieferkette gehören, die einen mit einem Umsatzsteuerbetrug behafteten Umsatz einschließt.

Das Kennenmüssen muss sich vielmehr auf Anhaltspunkte beziehen, die für den Unternehmer im Rahmen eines konkreten Leistungsbezugs den Schluss nahelegen, dass der Rechnungsaussteller bereits bei Vertragsschluss die Absicht hatte, die Umsatzsteuer nicht abzuführen.

Im vorliegenden Fall sind solche Anhaltspunkte nicht ersichtlich.