Die Kosten für die Führung eines Rechtsstreits sind vom Abzug als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen – es sei denn, es handelt sich um einen gesetzlich geregelten Ausnahmefall. Ein solcher liegt aber nur in Einzelfällen vor, wie z. B. bei einer Kindesentführung.
Hintergrund
Die frühere Ehefrau des Klägers hatte nach einer Urlaubsreise die gemeinsame Tochter nicht nach Deutschland zurückgebracht, sondern in Südamerika behalten. Um die Rückführung nach Deutschland sicherzustellen, entstanden nach dem Haager Übereinkommen über zivilrechtliche Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) Prozesskosten von über 20.000 EUR.
Das Finanzamt lehnte den Abzug der Kosten als außergewöhnliche Belastungen ab. Es vertrat die Auffassung, dass bei Streitigkeiten über das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern kein Ausnahmefall vorliegt. Unter dem Begriff der Existenzgrundlage ist die materielle Lebensgrundlage zu verstehen. Die Prozesskosten dienten hier nicht dazu, eine Gefährdung der materiellen Lebensgrundlage abzuwehren.
Entscheidung
Das Finanzgericht entschied jedoch zugunsten des Klägers und ließ den Abzug der Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen zu. Der Bundesfinanzhof hatte in einer früheren Entscheidung darauf hingewiesen, dass der gesetzlich nicht definierte Begriff der “Existenzgrundlage” auch in einem immateriellen Sinne gedeutet werden kann, etwa als Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie. Deshalb war das Finanzgericht der Ansicht, dass ohne ein Umgangsrecht mit der Tochter und deren Rückführung nach Deutschland die immaterielle Existenzgrundlage des Klägers bedroht war. Die Betroffenheit des Kernbereichs menschlichen Lebens ist als Bedrohung der Existenzgrundlage zu begreifen, weil der bei einem Kind wie bei den Eltern vorhandene Wunsch nach gegenseitiger Liebe und Nähe ein elementares menschliches Bedürfnis ist.
Ohne den geführten Rechtsstreit lief der Kläger Gefahr, seine lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen zu können. Dieser wurde geführt, um ein dringendes soziales Bedürfnis nach Liebe zu seinem Kind und Fürsorge für das Kind befriedigen zu können. Dies erfolgte in einem üblichen Rahmen, so wie es bei der überwiegenden Mehrzahl von Eltern üblich ist. Mit dem Rechtsstreit wollte der Kläger das Umgangsrecht sowie die Rückkehr der Tochter nach Deutschland erreichen.