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Folgen einer irrtümlichen Annahme der Steuerschuldnerschaft des Empfängers einer Bauleistung

Die Entscheidung über die Annahme der Abtretung des Umsatzsteuernachforderungsanspruchs gem. § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG ist eine Ermessensentscheidung des Finanzamts.

Hierbei muss das Finanzamt – ggf. wiederholend – prüfen, ob ein abtretbarer Anspruch des Leistenden gegen den Leistungsempfänger besteht, insbesondere, ob der Leistungsempfänger das Bestehen der Forderung wegen Eingreifens von Mängelgewährleistungsansprüchen bestreitet. Es ist nicht zulässig, das Bestehen bzw. Nichtbestehen des Umsatzsteuernachforderungsanspruchs erst im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens zwischen Finanzamt und Leistungsempfänger zu klären.

Hintergrund

In den Jahren 2012 und 2013 erbrachte die Baufirma A für die klagende Bauträgerin Bauleistungen. Die hierfür anfallende Umsatzsteuer entrichtete zunächst die Bauträgerin an das Finanzamt. Aufgrund der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs forderte die Bauträgerin vom Finanzamt die gezahlte Umsatzsteuer einschließlich Erstattungszinsen zurück. Daraufhin nahm das Finanzamt die Firma A durch geänderten Umsatzsteuerbescheid 2012 als Umsatzsteuerschuldner in Anspruch. A trat anschließend ihren nunmehr gegen die Bauträgerin zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer an das Finanzamt ab. Das Finanzamt nahm die Abtretung an und forderte die Bauträgerin mit Bescheid vom 11.11.2015 zur Zahlung der von A geschuldeten Umsatzsteuer auf.

Mit ihrem Einspruch machte die Bauträgerin geltend, dass Baumängel vorlagen und deshalb kein Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer bestand.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass die Annahme der Abtretung durch das Finanzamt rechtswidrig und die klagende Bauträgerin zum Einspruch berechtigt war.

Die Annahme des Abtretungsangebots der Firma A stellte einen Verwaltungsakt dar, dessen Regelungswirkung auch die Bauträgerin als Schuldnerin der abgetretenen Forderung betraf. Denn dadurch hatte sie einen neuen Gläubiger, nämlich das Finanzamt.

Die Entscheidung des Finanzamts, das Abtretungsangebot der Firma A anzunehmen, obwohl die Forderung wegen Bauleistungen infolge der Geltendmachung von Mängelgewährleistungsansprüche bestritten wurde, war ermessensfehlerhaft.

Das Finanzamt musste prüfen, ob ein abtretbarer Anspruch des Leistenden gegen den Leistungsempfänger bestand. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, ob der Leistungsempfänger das Bestehen der Forderung wegen Eingreifens von Mängelgewährleistungsansprüchen bestreitet.

Da dem Finanzamt zum Zeitpunkt der Annahme des Abtretungsangebots ein Schreiben der Bauträgerin vorlag, in welchem durch die Nutzer der Wohnungen in konkreter und ausführlicher Weise vorhandene Baumängel aufgeführt waren, hatte das Finanzamt sehr wohl einen Anlass zu einer entsprechenden Prüfung, und zwar auch ohne dass Unterlagen des Bauträgers vorlagen. Bei Annahme der Abtretung war der leistende Unternehmer A deshalb nicht schutzwürdig gewesen. Deshalb durfte sich das Finanzamt im Rahmen seiner Ermessensentscheidung auch nicht ohne Weiteres auf die Versicherung des A verlassen, wonach die abgetretenen Forderungen nicht streitbefangen waren.