Sind berufspraktische Erfahrungen im erlernten Ausbildungsberuf unabdingbare Voraussetzung für einen weiteren Berufsabschluss, liegt keine einheitliche Berufsausbildung vor.
Hintergrund
Die Tochter des Klägers bestand am 17.1.2013 die Abschlussprüfung in dem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf “Bankkauffrau”. Ebenfalls im Januar 2013 nahm sie in ihrem ehemaligen Ausbildungsbetrieb eine Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf. Im September 2013 begann sie ein Studium in Teilzeitform mit dem angestrebten Abschluss “Staatlich geprüfte Betriebswirtin” bzw. “Staatlich geprüfter Betriebswirt”. Voraussetzung für die Zulassung zum Studium war u. a. mindestens ein Jahr Berufserfahrung im Ausbildungsberuf. Dieses Jahr konnte auch während der Fachschulausbildung abgeleistet werden. Am 17.12.2016 bestand die Tochter die Abschlussprüfung an der Fachschule für Wirtschaft.
Die Familienkasse lehnte den Antrag des Klägers auf Zahlung von Kindergeld ab Februar 2013 ab, da die Ausbildung zur Bankkauffrau eine erstmalige Berufsausbildung darstellte.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage des Vaters ab und entschied, dass kein Kindergeldanspruch besteht. Denn die Tochter hatte im Januar 2013 mit der Ausbildung zur Bankkauffrau eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen. Während ihrer nachfolgenden Zweitausbildung ging sie einer Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden nach.
Für die Frage, ob bereits der erste berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z. B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Hierfür ist auch erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat.
Ist eine berufspraktische Erfahrung im bereits erlernten Ausbildungsberuf unabdingbare Voraussetzung für das Erreichen des weiteren Berufsabschlusses, entfällt nach Auffassung des Finanzgerichts der Charakter einer einheitlichen Berufsausbildung. Die weitere Ausbildungsmaßnahme stellt dann keine erstmalige Berufsausbildung, sondern eine Weiterbildung dar.
Im vorliegenden Fall lag deshalb keine einheitliche Erstausbildung vor, weil die Ausbildung zur staatlich geprüften Betriebswirtin voraussetzt, dass die Studierenden mindestens ein Jahr Berufserfahrung in ihrem Ausbildungsberuf gesammelt haben. Dabei war unerheblich, dass dieses Jahr auch während der Fachschulausbildung abgeleistet werden konnte.