6 % Zinsen auf Steuernachzahlungen – das ist unangemessen, urteilte der Bundesfinanzhof. Das gilt zumindest für Verzinsungszeiträume ab 2015.
Hintergrund
Aus der Steuerfestsetzung für das Jahr 2009 ergab sich für die Eheleute eine Steuernachzahlung von 1.984.800 EUR. In dem entsprechenden Zinsbescheid für den Zeitraum 1.4.2015 bis 16.11.2017 setzte das Finanzamt Nachzahlungszinsen von 240.831 EUR fest. Die Eheleute legten sowohl gegen den Einkommensteuer- als auch gegen den Zinsbescheid Einspruch ein. Das Einspruchsverfahren gegen die Zinsfestsetzung ruhte wegen eines beim BVerfG anhängigen Verfahrens.
Die Eheleute beantragten die Aussetzung der Vollziehung des Zinsbescheids. Dies begründeten sie damit, dass die Höhe der Zinsen von 0,5 % pro Monat, also 6 % pro Jahr, verfassungswidrig ist. Das Finanzamt und das Finanzgericht lehnten dies ab.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof gewährte dagegen die Aussetzung der Vollziehung.
Die Vollziehung eines angefochtenen Bescheids ist insbesondere auszusetzen, wenn sich bei summarischer Prüfung gewichtige Gründe ergeben, die zu Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Rechtsfragen führen. Das kann auch bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer Norm der Fall sein.
Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs überschreitet der gesetzliche Zinssatz ab 2015 angesichts der eingetretenen strukturellen und nachhaltigen Verfestigung des niedrigen Marktzinsniveaus den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität. Eine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Zinshöhe besteht nicht. Aufgrund der modernen EDV-Technik und Automation in der Steuerverwaltung können Erwägungen wie Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung einer Anpassung der seit 1961 unveränderten Zinshöhe an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nicht mehr entgegenstehen.
Die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsregelung hielt der Bundesfinanzhof für schwerwiegend. Die Interessenabwägung fiel daher zugunsten der Eheleute aus.