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Einheitsbewertung ist verfassungswidrig

Entgegen der anders lautenden, früheren Entscheidung hält der Bundesfinanzhof jetzt die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens für verfassungswidrig, weil sie nicht mehr mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar sind.

Hintergrund

Einheitswerte bilden zusammen mit den Steuermesszahlen und den von den Gemeinden festgelegten Hebesätzen die Grundlage für die Bemessung der Grundsteuer. Einheitswerte werden für inländischen Grundbesitz festgestellt (Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, Betriebsgrundstücke und andere Grundstücke).

Maßgebend für die Feststellung der Einheitswerte sind die Wertverhältnisse für den Grundbesitz im Hauptfeststellungszeitpunkt; in den alten Bundesländern und in West-Berlin ist dies der 1.1.1964.

Trotz verfassungsrechtlicher Zweifel, die sich aus dem lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkt und den darauf beruhenden Wertverzerrungen ergaben, hatte der Bundesfinanzhof bislang die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens immer als verfassungsgemäß beurteilt – und zwar auch noch für Feststellungszeitpunkte bis zum 1.1.2007.

Allerdings hatte der Bundesfinanzhof auch darauf hingewiesen, dass das weitere Unterbleiben einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens mit verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, nicht vereinbar ist.

Eine allgemeine Neubewertung ist bisher nicht erfolgt und so hat der Bundesfinanzhof seine Ankündigung wahr gemacht: Er hält die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens für verfassungswidrig, und zwar spätestens ab dem Feststellungszeitpunkt 1.1.2009. Zur endgültigen Klärung der Verfassungsmäßigkeit hat der Bundesfinanzhof die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Fall

K hatte im Jahr 2008 im Wege der Zwangsversteigerung ein Ladenlokal erworben (Teileigentum an einem im ehemaligen Westteil von Berlin gelegenen Mehrfamilienhaus). Das Finanzamt rechnete das Objekt dem K zu; laut Bescheid beträgt der Einheitswert wie bisher 21.576 EUR. Diesen Einheitswert hatte das Finanzamt auf den 1.1.1994 gegenüber dem Voreigentümer festgestellt. K hält die Einheitsbewertung des Grundvermögens wegen des lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts für verfassungswidrig und ist deshalb der Ansicht, dass dieser Einheitswert ihm gegenüber keine Bindungswirkung entfalten kann. Mit seiner Klage wollte K die ersatzlose Aufhebung des Einheitswerts erreichen. Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof schließt sich der Auffassung des K an. Die Karlsruher Richter gehen ebenfalls von der Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung des Grundvermögens aus; sie legten die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor.

Begründung: Die fortdauernde Maßgeblichkeit der veralteten Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 ist spätestens seit dem Feststellungszeitpunkt 1.1.2009 nicht mehr mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung des Steuerrechts vereinbar. Sie verstößt deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Durch den Verzicht des Gesetzgebers auf spätere weitere Hauptfeststellungen kommt es zu erheblichen Wertverzerrungen bei den Einheitswerten. Diese Wertverzerrungen werden auch nicht dadurch ausgeglichen, dass bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eine Wertfortschreibung vorgenommen wird. Die Hauptursache für die erheblichen Wertverzerrungen ist die seit 1964 eingetretene rasante städtebauliche Entwicklung besonders im großstädtischen Bereich, die Fortentwicklung des Bauwesens nach Bauweise, Konstruktion und Objektgröße sowie andere tiefgreifende Veränderungen im Immobilienmarkt. Diese finden keinen angemessenen Niederschlag im Einheitswert. So werden z. B. aktuell maßgebliche wertbildende Faktoren wie Energieeffizienz oder das Vorhandensein von Solaranlagen, Wärmepumpen, Lärmschutz oder Anschlüssen an Hochgeschwindigkeitsdatennetze nicht im Einheitswert abgebildet. Der Grund: Die Merkmale für die Beurteilung der baulichen Ausstattung bei Gebäuden sind auf die Verhältnisse und den Ausstattungsstandard im Hauptfeststellungszeitpunkt fixiert und werden seit 1966 im Wesentlichen unverändert angewendet.