Wann Kosten einer Erstausbildung nachträglich berücksichtigt werden können

Kosten für eine berufliche Erstausbildung können im Rahmen einer Verlustfeststellung berücksichtigt werden. Das gilt auch dann, wenn eine Einkommensteuer-Veranlagung für das Verlustentstehungsjahr nicht erfolgt ist und wegen Festsetzungsverjährung nicht mehr durchgeführt werden kann.

A absolvierte in den Streitjahren 2005 bis 2007 eine berufliche Erstausbildung. Erst in 2012 reichte sie Einkommensteuer-Erklärungen sowie Erklärungen zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs für die Streitjahre ein. Sie machte Berufsausbildungskosten von rund 3.000 EUR bis 7.000 EUR als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Einnahmen erzielte sie in diesem Zeitraum nicht.

Das Finanzamt lehnte die Verlustfeststellung ab. Es berief sich auf die Bindungswirkung des Einkommensteuer-Bescheids für das Verlustfeststellungsverfahren. Danach könne eine Verlustfeststellung nur dann durchgeführt werden, wenn auch der Erlass eines Einkommensteuer-Bescheids für das Verlustentstehungsjahr noch möglich sei. Dies sei hier aber ausgeschlossen, da bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei.

Das Finanzgericht gab der Klage statt, da eine Bindungswirkung des Einkommensteuer-Bescheids für die Feststellung des Verlustvortrags dann nicht bestehe, wenn eine Einkommensteuer-Veranlagung gar nicht durchgeführt worden sei.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hat die Revision des Finanzamts zurückgewiesen. Bei der gesonderten Verlustfeststellung hat das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie der letzten bestandskräftigen Einkommensteuer-Veranlagung zugrunde liegen. Die Bindungswirkung greift damit nur ein, wenn eine Einkommensteuer-Veranlagung durchgeführt worden ist. Keine Bindungswirkung besteht aber dann, wenn eine Einkommensteuer-Veranlagung gar nicht stattgefunden hat oder wegen Festsetzungsverjährung wieder aufgehoben wurde.

10-jährige Veräußerungsfrist bei Grundstücken: Was gilt bei einem aufschiebend bedingten Verkauf?

Der Verkauf eines bebauten Grundstücks innerhalb der gesetzlichen Veräußerungsfrist von 10 Jahren unterliegt als sog. privates Veräußerungsgeschäft der Besteuerung. Das gilt auch bei einem aufschiebend bedingten Verkauf und auch dann, wenn der Zeitpunkt des Eintritts der aufschiebenden Bedingung außerhalb dieser Frist liegt.

Hintergrund

Der Kläger hatte mit Kaufvertrag vom 3.3.1998 ein bebautes Grundstück erworben und veräußerte dieses mit notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 30.1.2008. Da es sich um eine Betriebsanlage einer Eisenbahn handelte, wurde der Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, dass die zuständige Behörde dieses Grundstück von Bahnbetriebszwecken freistellt. Die Freistellung erteilte die Behörde am 10.12.2008.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft vorliegt, da der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung des Grundstücks nicht mehr als 10 Jahre beträgt. Für den Zeitpunkt der Veräußerung ist die beidseitige zivilrechtliche Bindungswirkung des Rechtsgeschäfts, das den einen Vertragspartner zur Übertragung des Eigentums auf den anderen verpflichtet, und nicht der Zeitpunkt des Bedingungseintritts entscheidend. Ab dem Vertragsschluss – im Urteilsfall am 30.1.2008 – bestand für keinen der Vertragspartner die Möglichkeit, sich einseitig von der Vereinbarung zu lösen.

Ehegatten-Darlehen: Vorsicht bei finanzieller Abhängigkeit

Bei Darlehen unter Ehegatten kann die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes ausgeschlossen sein. Das gilt z. B. dann, wenn der Darlehensgeber auf seinen von ihm finanziell abhängigen Ehegatten einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.

Hintergrund

Der Ehemann M gewährte seiner Ehefrau F für die Anschaffung und Renovierung eines Mietshauses teilweise besicherte Darlehen. F war mangels eigener Mittel und Kreditwürdigkeit auf die Darlehensgewährung durch M anwiesen. Der Zinssatz betrug 4 % bis 5,35 %. Die in den Jahren 2007 und 2008 fälligen Zinsen waren bis 2009 gestundet und wurden von F in 2009 an M gezahlt.

Für 2009 erklärte M Zinserträge von rund 27.000 EUR, für die er die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes beantragte. F machte einen entsprechenden Werbungskostenüberschuss bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend.

Das Finanzamt unterwarf die Zinserträge jedoch der tariflichen Steuer. Die Begründung: Nach der gesetzlichen Regelung ist der Abgeltungsteuersatz ausgeschlossen, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahestehende Personen sind. Ebenso entschied das Finanzgericht.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof schloss sich der Meinung von Finanzamt und Finanzgericht an und wies die Revision der Eheleute zurück. Eheleute fallen zwar unter den Begriff der „nahestehenden Person“. Denn das sind alle natürlichen Personen, die zueinander in enger Beziehung stehen. Ein allein aus der Eheschließung abgeleitetes persönliches Interesse reicht jedoch nicht aus, um ein Näheverhältnis zu begründen. Ein solches Näheverhältnis liegt vielmehr nur dann vor, wenn der Darlehensgeber auf den Darlehensnehmer einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Das ist im Streitfall zu bejahen. Denn F verblieb hinsichtlich der Finanzierung kein Entscheidungsspielraum, da ein fremder Dritter das Objekt nicht zu 100 % finanziert hätte. F war bei der Darlehensaufnahme von M als Darlehensgeber absolut finanziell abhängig.

In dieser Auslegung ist die Versagung des Abgeltungsteuersatzes nicht verfassungswidrig. Das Grundgesetz verbietet es, Ehegatten im Vergleich zu Ledigen allein deshalb steuerlich schlechter zu stellen, weil sie verheiratet sind. Liegen jedoch Beweisanzeichen für die Annahme gleichgerichteter Interessen vor, ist der Einwand, Verheiratete seien schlechter gestellt, unbegründet. Denn die Benachteiligung der Verheirateten ergibt sich dann aus konkreten Anhaltspunkten, die für eine enge Wirtschaftsgemeinschaft der Ehegatten im Einzelfall sprechen. Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes beruht im Streitfall somit nicht auf dem aufgrund der Eheschließung vermuteten persönlichen Näheverhältnis der Eheleute, sondern auf dem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis der F von M, da kein fremder Dritter die Gesamtfinanzierung des Objekts übernommen hätte.

 

Offenbare Unrichtigkeit auch bei vom Erklärungsformular abweichender Rechtsmeinung?

Wenn die von einem Steuerberater gefertigte Steuererklärung aufgrund einer für den Steuerpflichtigen günstigen vertretenen Rechtsmeinung unrichtig ausgefüllt wurde, dies für einen Dritten aus der eingereichten Steuererklärung jedoch nicht ersichtlich war und das Finanzamt daher ohne eigenständige Überprüfung die fehlerhafte Eintragung übernommen hat, kann der entsprechende Steuerbescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit geändert werden.

Hintergrund

Der Steuerberater des Steuerpflichtigen setzte Stillhaltergeschäfte unzutreffenderweise bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften und nicht bei den Einkünften aus sonstigen Leistungen an. Dadurch wurden die insoweit erzielten Einkünfte im Einkommensteuerbescheid 2005 bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften im dort angesetzten Gesamtbetrag von 40.759 EUR berücksichtigt und kamen mit einem Verlustvortrag aus Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in gleicher Höhe zur Verrechnung.

Bei zutreffender Eintragung des Stillhaltergeschäftes wie formularmäßig vorgesehen, wäre es dagegen zu einer Berücksichtigung als sonstige Leistung gekommen, ohne dass hierauf Verlustvorträge verrechnet worden wären.

Im Anschluss an eine beim Steuerpflichtigen durchgeführte Betriebsprüfung erließ das Finanzamt einen entsprechenden Änderungsbescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Entscheidung

Auch im Klageverfahren hatte der Steuerpflichtige keinen Erfolg. Das Finanzgericht ging davon aus, dass die mit der Erstellung der Erklärung beauftragte Steuerfachgehilfin im Büro des Steuerberaters rechtliche Überlegungen zur Behandlung der Stillhaltergeschäfte angestellt hat und aufgrund dieser Überlegungen zu einer Listung der Stillhaltergeschäfte als Veräußerungsgeschäft gelangt ist. Allerdings hatten sich diese (rechtlich falschen) Überlegungen in der eingereichten Erklärung nicht erkennbar geäußert.

Aus der Sicht eines objektiven Dritten stellte sich die Listung der Stillhaltergeschäfte bei den Veräußerungsgeschäften unter Berücksichtigung der weiteren Umstände der Erklärungsabgabe vielmehr als mechanisches Versehen dar, welches dem Steuerpflichtigen bei Erstellung der Erklärung unterlaufen war.

Die sich für einen objektiven Dritten als mechanisches Versehen des Steuerpflichtigen darstellende unzutreffende Zuordnung der Stillhaltergeschäfte wurde vom Finanzamt bei Erlass des Einkommensteuerbescheides übernommen, ohne dass erkennbar rechtliche Überlegungen angestellt worden sind, sodass der Steuerbescheid zu Recht wegen einer offenbaren Unrichtigkeit geändert worden ist.

GmbH-Geschäftsführer: Wann haftet er?

Bei unternehmerischen Entscheidungen steht GmbH-Geschäftsführern ein haftungsfreier Ermessensspielraum zu. Auch bei unvertretbaren Geschäften haftet ein Gesellschafter-Geschäftsführer nur, wenn dies eine Liquiditäts- oder Existenzgefährdung der Gesellschaft auslöst oder der Gesellschaft Stammkapital entzogen wird.

Hintergrund

Die alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH hatten veranlasst, dass die Insolvenzschuldnerin eine Geschäftsbeziehung mit einer anderen Gesellschaft, der I-GmbH, unterhielt. Die I-GmbH bot den Geschäftsführern die Lieferung von Fahrzeugen mit einem Preisnachlass von 30 % auf den Bruttolistenpreis an, wobei jedoch bereits bei jedem Vertragsschluss eine Anzahlung von 30 bis 50 % des Brutto-Listenpreises geleistet werden musste. Die Lieferung der Fahrzeuge sollte erst später erfolgen. Sicherheiten für die Anzahlungen bestanden nicht und wurden von den Geschäftsführern auch nicht verlangt. Innerhalb eines Zeitraumes von ca. 2 Monaten wurden auf diesem Weg Anzahlungen in Höhe von rund 160.000 EUR an die I-GmbH geleistet.

Infolge der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der I-GmbH verlor die GmbH sämtliche Anzahlungen und auch die Fahrzeuge wurde nicht mehr geliefert. Diesen Schaden machte der Insolvenzverwalter geltend, nachdem die GmbH selbst in die Insolvenz gefallen war.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht Koblenz hat jedoch eine Haftung der Geschäftsführer verneint. Bei unternehmerischen Entscheidungen steht den Geschäftsführern im Rahmen des Unternehmensgegenstands grundsätzlich ein haftungsfreier Handlungsspielraum zu. Soweit die Geschäftsführer ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt haben, ist eine Haftung ausgeschlossen, auch wenn ein Geschäft fehlschlägt und die Gesellschaft hierdurch geschädigt wird.

Ob das Ermessen fehlerfrei ausgeübt wurde, ist aus damaliger Sicht zu bestimmen. Bei den Geschäften mit der I-GmbH handelte es sich nach Ansicht der Koblenzer Richter um ein Risikogeschäft, das selbst aus damaliger Sicht mit den erlaubten Risiken eines ordentlichen Kaufmanns nicht zu vereinbaren gewesen ist. Trotz dieser Pflichtverletzung haften die Gesellschafter-Geschäftsführer vorliegend aber nicht, weil sie der GmbH kein Vermögen entzogen hatten, das zur Deckung des Stammkapitals benötigt wurde. Erst das Stammkapital beeinträchtigende existenzvernichtende Eingriffe könnten eine Haftung der Gesellschafter-Geschäftsführer begründen. Reine Managementfehler genügen jedoch nicht, da die Gesellschafter-Geschäftsführer insoweit sich nur selbst schädigen.

 

Vermietung und Verpachtung: Leistung aus Feuerversicherung ist nachträgliche Einnahme

Ist die Entschädigung eines Brandversicherers als nachträgliche Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen? Der Bundesfinanzhof hat dies bejaht.

Hintergrund

Der Ehemann M (verstorben 2007) war ursprünglich Alleineigentümer eines mit einem Supermarkt bebauten Grundstücks, das er vermietete. In 2003 übertrug er seiner Ehefrau F und den gemeinsamen Kindern Miteigentumsanteile und behielt sich den Nießbrauch vor.

Im Dezember 2006 brannte der Supermarkt ab. Das Gebäude wurde vollständig zerstört. M nahm für 2006 in Höhe des restlichen Buchwerts von rund 350.000 EUR als Miteigentümer und Vorbehaltsnießbraucher eine Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung in Anspruch.

M hatte eine Feuerversicherung zum gleitenden Neuwert abgeschlossen. Das Gebäude wurde in 2007 neu errichtet. Die Versicherung leistete in 2007 u. a. Zahlungen in Höhe der Herstellungskosten für das neue Gebäude (rund 1,2 Mio. EUR) und Mietausfall (rund 170.000 EUR).

F erklärte für 2007 lediglich die Entschädigung für den Mietausfall als Einnahme. Das Finanzamt setzte darüber hinaus entsprechend der von M für 2006 in Anspruch genommenen Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung den Teilbetrag von 350.000 EUR als steuerpflichtige Einnahme an, die es M zurechnete. Die dagegen erhobene Klage wurde vom Finanzgericht abgewiesen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof schließt sich der Entscheidung des Finanzgerichts an.

Entschädigungen, die den Ausgleich eines in Form von Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung berücksichtigten Wertverlusts bezwecken, sind im Jahr des Zuflusses steuerpflichtige Einnahmen bei der Einkunftsart, bei der die Aufwendungen vorher als Werbungskosten abgezogen wurden.

Zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehören nicht nur die für die Überlassung des Gegenstands gezahlten Miet- oder Pachtzinsen, sondern auch alle sonstigen Entgelte, die in einem objektiven wirtschaftlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart stehen und damit durch sie veranlasst sind.

Das ist bei den Leistungen einer Gebäudefeuerversicherung der Fall. Denn sie sind insoweit durch die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung veranlasst (Erwerbssphäre), als sie bei wertender Betrachtung des auslösenden Moments (Brandschaden) zumindest den Schaden ausgleichen sollen, der als Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung steuerlich wirksam geworden ist. Das gilt unabhängig davon, ob die Versicherung zum Zeitwert oder zum gleitenden Neuwert entschädigt. Bei wirtschaftlicher Betrachtung wird der durch den Brand entstandene und als Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung steuerlich berücksichtigte Aufwand durch die Versicherungsleistung neutralisiert. Das rechtfertigt es, die Zahlungen bei der Person als Einnahme zu erfassen, bei der sich der Aufwand zuvor steuerlich ausgewirkt hat.

Vorsteuerabzug: Leistungsempfänger muss zweifelsfrei benannt sein

Wird in einer Rechnung die Rechtsform des Leistungsempfängers unzutreffend angegeben, führt dies zum Verlust des Vorsteuerabzugs. Das gilt insbesondere dann, wenn bei Angabe einer inländischen anstelle einer ausländischen Rechtsform eine erhöhte Verwechselungsgefahr in Bezug auf die Person des Leistungsempfängers besteht.

Hintergrund

Das Finanzamt versagte der in Polen ansässigen Klägerin mit deutscher Betriebsstätte den Vorsteuerabzug für die Jahre 2003 bis 2006. Der Grund: Die zugrunde liegenden Eingangsrechnungen waren mit der Empfängerbezeichnung „C.“ oder „D.“ unzureichend adressiert. Die Klägerin ist eine Sp.z.o.o (GmbH polnischen Rechts) und unter derselben Anschrift ist eine Schwestergesellschaft der Klägerin, die E. GmbH, ansässig.

Am 17.12.2010 reichte die Klägerin in 2008 und 2009 berichtigte Rechnungen ein. Nach Auffassung des Finanzamts entfalten diese jedoch keine Rückwirkung auf die Streitjahre 2003 bis 2006.

Entscheidung

Das Finanzgericht schloss sich der Auffassung des Finanzamts an und versagte ebenfalls den Vorsteuerabzug. Die vollständige und korrekte Bezeichnung des Leistungsempfängers ist wesentlicher Bestandteil einer Rechnung und muss eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des Namens und der Anschrift des Leistungsempfängers ermöglichen. Daher führt die unzutreffende Angabe der Rechtsform des Leistungsempfängers zum Verlust des Vorsteuerabzugs, wenn bei Angabe einer inländischen anstelle einer ausländischen Rechtsform eine erhöhte Verwechselungsgefahr in Bezug auf die Person des Leistungsempfängers besteht.

Im Streitfall war die in den ursprünglichen Rechnungen fehlerhafte Angabe der Rechtsform der Klägerin (GmbH anstatt Sp.z.o.o.) in Verbindung mit der verkürzten Namensangabe („G.“ anstatt „H.“) geeignet, eine Verwechselung mit der unter derselben Anschrift ansässigen deutschen Schwester-GmbH hervorzurufen. Da die Gefahr einer Verwechselung aus der Sicht Dritter, insbesondere der Finanzverwaltung, zu beurteilen war, kommt es deshalb nicht darauf an, ob dem Rechnungsaussteller die Schwester-GmbH der Klägerin bekannt war oder nicht bzw. ob der Rechnungsaussteller die berechnete Umsatzsteuer abgeführt hat.

Vorsteuerabzug: Auch schon vor Gründung einer Ein-Mann-GmbH möglich

Ist ein Vorsteuerabzug im Vorfeld der Gründung einer Ein-Mann-GmbH möglich, auch wenn diese nicht zustande kommt? Das Finanzgericht Düsseldorf hat eine Antwort.

Hintergrund

Der Kläger wollte sich mit der Montage von und dem Handel mit Bauelementen selbstständig machen und beabsichtigte, eine Ein-Mann-GmbH zu gründen, die einen bestehenden Betrieb übernehmen sollte. Zur Klärung der Rentabilität seines Vorhabens holte er ein Existenzgründungsgutachten ein. Außerdem ließ er sich rechtlich und steuerlich beraten.

Da ihm die Banken die Finanzierung versagten, scheitere die Umsetzung seiner Pläne scheiterte; eine GmbH gründete er nicht.

Mit seiner Steuererklärung machte der Kläger die Umsatzsteuerbeträge aus den Rechnungen der Berater als Vorsteuer geltend. Das Finanzamt lehnte den Vorsteuerabzug mit der Begründung ab, dass der Kläger kein Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sei, denn zur Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit sei es nicht gekommen.

Der Fall

Das Finanzgericht Düsseldorf hat dem Kläger Recht gegeben. Wer ernsthaft die Absicht hat, eine Ein-Mann-Kapitalgesellschaft zu gründen und mit dieser umsatzsteuerpflichtige Umsätze zu erzielen, ist bereits vor Gründung der Gesellschaft zum Vorsteuerabzug berechtigt. Insoweit ist eine Einzelperson mit einer Vorgründungsgesellschaft vergleichbar. Nach dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer muss dem Gesellschafter einer Ein-Mann-Kapitalgesellschaft in der Vorgründungsphase der Vorsteuerabzug für seine ersten Investitionsausgaben ebenso zustehen wie der Vorgründungsgesellschaft einer Kapitalgesellschaft. Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass der Kläger die GmbH tatsächlich nicht gegründet hat. Auch spielt keine Rolle, dass zu keinem Zeitpunkt umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze getätigt worden sind.

 

„Sale-and-lease-back“-Geschäfte: Wirtschaftliche Zurechnung des Leasinggegenstands

Bei „Sale-and-lease-back“-Geschäften stellt sich immer wieder die Frage nach der wirtschaftlichen Zurechnung des Leasinggegenstands. In einem Urteil hat das Finanzgericht Münster dazu Stellung genommen.

Hintergrund

Der Kläger ist Rechtsnachfolger einer Kommanditgesellschaft. Diese war 2004 zum Zwecke der Durchführung sog. „Sale-and-lease-back“-Geschäfte gegründet worden. In der Folgezeit erwarb sie von der Herstellerin elektronische Informationssysteme, die zur Ausstrahlung von Informationsprogrammen an werbewirksamen Standorten eingesetzt werden sollten, und verleaste sie unmittelbar an diese für eine Dauer von 4 Jahren zurück. Nach den vertraglichen Vereinbarungen konnte die Kommanditgesellschaft nach Beendigung der Laufzeit von der Leasingnehmerin verlangen, die Gegenstände zu einem bereits vorab vereinbarten Preis zurückzukaufen. Die Leasingnehmerin trug die Gefahr des Untergangs und übernahm eventuell anfallende Reparaturkosten.

Die Kommanditgesellschaft aktivierte die Leasinggegenstände als Sachanlagen und machte die darauf entfallende Absetzung für Abnutzung als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt rechnete die Gegenstände jedoch der Leasingnehmerin als wirtschaftliche Eigentümerin zu und erkannte die Absetzung für Abnutzung nicht an.

Entscheidung

Das Finanzgericht Münster wies die gegen die wirtschaftliche Zurechnung gerichtete Klage ab. Die Kommanditgesellschaft ist nicht berechtigt, die Absetzung für Abnutzung auf die Leasinggegenstände vorzunehmen. Sie ist zwar zivilrechtlich Eigentümerin, ihr sind die Gegenstände aber wirtschaftlich nicht zuzurechnen. Das wirtschaftliche Eigentum verblieb vielmehr bei der Herstellerin und Leasingnehmerin.

Diese hat die Informationssysteme während der Laufzeit wie gewollt nutzen können. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Kommanditgesellschaft nach Ablauf der Grundmietdauer von ihrem Andienungsrecht Gebrauch machen und es damit zur Rückübertragung des zivilrechtlichen Eigentums kommen wird. Hierfür spricht, dass die wesentlichen Rückkaufkonditionen – insbesondere der Preis – bereits bei Abschluss der Leasingverträge vereinbart worden sind. Zudem musste die Leasingnehmerin die Gefahr des zufälligen Untergangs und die Kosten bei Beschädigung der Leasinggegenstände tragen.

Die Leasingvereinbarung ist deshalb als Kreditgewährung der Kommanditgesellschaft an die Leasingnehmerin zur Finanzierung der Leasinggegenstände anzusehen.

EU-rechtswidriges Urteil: Kein Billigkeitserlass

Erstattet das Finanzamt eine Steuer, die auf einem zwar unionsrechtswidrigen, aber durch BFH-Urteil bestätigten Steuerbescheid beruht, nicht, ist dies weder ermessensfehlerhaft noch verstößt es gegen Unionsrecht.

Hintergrund

Der Sohn besuchte im Jahr 1992 eine Privatschule in Großbritannien. Die Eltern E machten die Schulgeldzahlungen als Sonderausgaben geltend. Das Finanzamt ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Das Finanzgericht wies die Klage der E mit der Begründung ab, Schulgeldzahlungen an Schulen im Ausland seien nicht abziehbar. Der Bundesfinanzhof sah die gegen das finanzgerichtliche Urteil eingelegte Revision als unbegründet an, ohne die Streitsache dem EuGH vorzulegen.

Im Jahr 2007 entschied der Europäische Gerichtshof, die nach europäischem Recht garantierte Dienstleistungsfreiheit werde verletzt, wenn der Sonderausgabenabzug lediglich für Schulgeldzahlungen an inländische Privatschulen gewährt wird. Den daraufhin von E gestellten Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheids 1992 lehnte das Finanzamt ab. Einspruch, Klage und Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesfinanzhof blieben ohne Erfolg.

Die E beantragten daraufhin den Erlass der Einkommensteuerbeträge, soweit diese wegen Nichtanerkennung der Schulgeldzahlungen als Sonderausgaben festgesetzt worden waren. Das Finanzamt lehnte auch diesen Antrag ab. Einspruch und Klage blieben ebenfalls erfolglos.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof gab dem Finanzamt Recht und entschied, dass dieses den Erlassantrag der Eheleute E ermessensfehlerfrei abgelehnt habe.

Bei der Prüfung der sachlichen Unbilligkeit im Rahmen eines Erlassverfahrens muss nach Auffassung des Bundesfinanzhofs berücksichtigt werden, welch hohen Stellenwert der Gesetzgeber der Rechtskraft eines Urteils beimisst. Eine Billigkeitsmaßnahme kann daher bei Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils allenfalls dann in Betracht kommen, wenn das Urteil so offenbar unrichtig war, dass dessen Fehlerhaftigkeit ohne Weiteres erkannt werden musste.

Das war hier nicht der Fall. Denn bis zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Europäische Union haben mehrere deutsche Finanzgerichte die Begrenzung der Abziehbarkeit von Schulgeldzahlungen auf inländische Privatschulen im Gesetz als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen.

Auch nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs sind die Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht verpflichtet, eine unionsrechtswidrige, aber rechtskräftige Entscheidung eines nationalen Gerichts aufzuheben. Das gilt selbst dann, wenn die Vorlagepflicht verletzt worden ist. Die Mitgliedstaaten müssen allerdings das Äquivalenzprinzip sowie den Effektivitätsgrundsatz beachten. Das bedeutet, dass sie bei Verletzungen des Unionsrechts haften und solche Verletzungen wie Verstöße gegen nationales Recht behandeln müssen. Bei unionsrechtswidrigen Urteilen kommt eine Haftung jedoch nur bei einer offenkundigen Verletzung des Unionsrechts in Betracht. An einer solchen offenkundigen Verletzung fehlt es aber, wenn – wie hier – die sachliche Rechtslage nicht eindeutig war.