Anschaffungskosten bei Anteilserwerb: Wie werden Verbindlichkeiten berücksichtigt?

Die Haftung für Verbindlichkeiten einer Personengesellschaft, die durch einen Erwerb ihrer Anteile ausgelöst wird, begründet allein keine Anschaffungskosten.

Hintergrund

Die Klägerin war eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, die im Jahr 2002 von 2 Gesellschaftern gegründet worden war (Anteile jeweils 50 %). Die Gesellschafter hatten zuvor Grundbesitz geerbt, den sie in die Gesellschaft einbrachten. Im Jahr 2011 erwarb einer der Gesellschafter zusammen mit seiner Ehefrau den Anteil des anderen Gesellschafters zu Kaufpreisen von 515.000 EUR und 1.100.000 EUR. Die Gesellschaft machte in ihrer Feststellungserklärung für 2011 geltend, dass die Anschaffungskosten hinsichtlich des Anteils des verbliebenen Altgesellschafters neu berechnet und neben den Kaufpreisen auch die Übernahme von Schulden von rund 1.000.000 EUR berücksichtigt werden müssen. Das Finanzamt vertrat demgegenüber die Auffassung, dass in die Anschaffungskosten nur die Kaufpreise und die Anschaffungsnebenkosten einfließen.

Entscheidung

Das Finanzgericht kam zu dem Ergebnis, dass das Finanzamt die Anschaffungskosten zu Recht nicht um den Anteil an den Verbindlichkeiten der Gesellschaft erhöht hatte. Die Anschaffungskosten waren nur nach dem vertraglich vereinbarten Kaufpreis zuzüglich Anschaffungsnebenkosten zu bemessen. Allein die Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft durch die Übernahme von Gesellschaftsanteilen stellte keine Übernahme von Verbindlichkeiten dar, die zu einer Erhöhung der Anschaffungskosten führen konnte.

Eine Übernahme der Verbindlichkeiten resultierte auch nicht aus einer etwaigen durch Anteilsübertragung erfolgten Freistellung des ehemaligen Gesellschafters. Ohne entsprechende Vereinbarungen besteht zwischen Übertragendem und Erwerber für Altverbindlichkeiten kein Befreiungsanspruch des Übertragenden gegen den Erwerber. Eine ausdrückliche Vereinbarung zur Übernahme von Verbindlichkeiten wurde im vorliegenden Fall nicht getroffen. Es lagen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Erwerber den vormaligen Gesellschafter von gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen freistellen wollten.

Keine gesonderte und einheitliche Feststellung bei Anwachsung von Gesellschaftsanteilen an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft

Wenn ein Gesellschafter aus einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft gegen eine Abfindung ausscheidet und sein Anteil den verbleibenden Gesellschaftern anwächst, wird dieser Anwachsungserwerb durch die verbleibenden Gesellschafter jeweils einzeln verwirklicht.

Hintergrund

An der X-GbR waren ursprünglich A, B, C, D zu je 25 % beteiligt. Im Jahr 2005 ging der Anteil des A unter Nießbrauchsvorbehalt auf seine Kinder F und G über.

Im Jahr 2006 schied B aus der GbR aus. Sein Gesellschaftsanteil von 25 % wuchs den verbliebenen Gesellschaftern C, D, F, G an. Im Gegenzug wurde von der GbR eine Abfindung an B gezahlt.

Im Jahr 2007 veräußerte die GbR eine Immobilie. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, mit dem Ausscheiden des B hätten die verbliebenen Gesellschafter dessen Gesellschaftsanteil (25 %) – und damit auch einen Bruchteil des gesamthänderisch gebundenen Immobilienvermögens – entgeltlich „angeschafft“. Durch die Veräußerung erzielten sie Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft. Dementsprechend stellte das Finanzamt Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften fest und verteilte diese auf der Gesellschafterebene jeweils zu 1/3 auf A (als Nießbrauchsberechtigter), C und D.

Das Finanzgericht wies die Klage, mit der sich die GbR gegen den Ansatz von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften wandte, ab.

Entscheidung

Die Revision vor dem Bundesfinanzhof hatte Erfolg. Für die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften fehlte die gesetzliche Grundlage. Der Bundesfinanzhof änderte daher den Feststellungsbescheid, sodass keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften festgestellt wurden.

Zur Begründung führten die Richter aus: Veräußert eine grundstücksbesitzende GbR eine in ihrem Gesamthandsvermögen befindliche Immobilie, ist über die Frage, ob durch das Veräußerungsgeschäft ein Einkünftetatbestand verwirklicht wurde, nur dann im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung zu entscheiden, wenn die Tatbestandsmerkmale gemeinsam in der Einheit der Gesellschaft verwirklicht werden.

Verfahrensrechtlich ist eine gesonderte und einheitliche Feststellung und Zurechnung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Fällen, in denen die Anschaffung oder Veräußerung einer Gesellschaftsbeteiligung als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter gilt, regelmäßig nicht zulässig. Denn der rechtliche Vorgang wird nicht gemeinsam und in der Einheit der Gesellschaft, sondern individuell durch den Gesellschafter verwirklicht.

Hiervon ausgehend war die vom Finanzamt vorgenommene gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus der Veräußerung der Immobilie schon aus verfahrensrechtlichen Gründen fehlerhaft. Denn die Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Erzielung von Einkünften lagen nicht vor.

Durch das Ausscheiden des B war sein Anteil den verbleibenden Gesellschaftern C, D, F, G angewachsen. Diese haben den Anwachsungserwerb aber jeweils einzeln und nicht in der Einheit der Gesellschaft verwirklicht. Denn dieser Erwerb wurde nicht durch die gesamthänderische Bindung geprägt, sondern beruhte auf einer gesellschaftsvertraglichen Regelung, mit der die Gesellschafter für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters vorab eine individuelle (personenbezogene) künftige Zuordnung des Anteils des Ausgeschiedenen vereinbart hatten.

Umsatzsteuer: Auch ein vertraglich festgelegter Vorabgewinn ist steuerpflichtig

Erhält ein Land- und Forstwirt für die Überlassung von Vieheinheiten einen vertraglich festgelegten Vorabgewinn, liegt ein Leistungsaustausch vor. Dementsprechend unterliegen die Umsätze dem Regelsteuersatz.

Hintergrund

Der Kläger ist innerhalb seines landwirtschaftlichen Betriebs als Einzelunternehmer tätig. Er versteuert seine Umsätze nach Durchschnittssätzen. Außerdem ist er Komplementär einer aus ihm (Kapitalanteil 97 %) und einem Kommanditisten (Kapitalanteil 3 %) bestehenden KG. Diese betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb in Form einer Tierhaltungskooperation.

Im Gesellschaftsvertrag der KG ist u. a. geregelt, dass der Kläger der KG 140 Vieheinheiten zur Nutzung zur Verfügung stellt und einen Vorabgewinn von je 5 EUR je überlassener Vieheinheit erhält. Die hieraus erzielten Einnahmen unterwarf er nicht der Umsatzsteuer, da es sich nach seiner Auffassung um nicht umsatzsteuerbare gewinnabhängige Vergütungen als Form der Gewinnverteilung handelte. Das Finanzamt sah in der Überlassung der Vieheinheiten gegen Vorabgewinnanteile einen umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg, das Finanzgericht folgte der Auffassung des Finanzamts. Der Kläger hatte mit seiner KG konkrete Regelungen für die Überlassung der Vieheinheiten getroffen und die Zahlung des Entgelts (Vorabgewinn von je 5 EUR) konkret in einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Überlassung gestellt. Die Gegenleistung ist danach ausdrücklich abhängig vom Umfang des jeweiligen Leistungsbetrags, denn der Kläger sollte für seine Gesellschafterleistung „Überlassung von 140 Vieheinheiten“ grundsätzlich einen „Vorabgewinn“ von 700 EUR pro Wirtschaftsjahr erhalten. Eine entsprechende Regelung wurde mit dem Kommanditisten getroffen, der allerdings 380 Vieheinheiten zu überlassen hatte. Dementsprechend erhielt dieser auch einen höheren Vorabgewinn.

Die umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft richtet sich danach, ob es sich um Leistungen handelt, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn oder Verlust der Gesellschaft abgegolten werden oder um Leistungen, die gegen Sonderentgelt ausgeführt werden und damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind. Maßgebend für das Vorliegen eines Leistungsaustauschs ist, dass ein Leistender und ein Leistungsempfänger vorhanden sind und der Leistung eine Gegenleistung gegenübersteht. Auf die Bezeichnung der Gegenleistung z. B. als Gewinn vorab/Vorabgewinn, als Vorwegvergütung, als Aufwendungsersatz, als Umsatzbeteiligung oder als Kostenerstattung kommt es dabei nicht an.

Im vorliegenden Fall erhielt der Kläger für die Überlassung der Vieheinheiten einen als Vorabgewinn bezeichneten und zumindest nach oben hin fest definierten Geldbetrag, der allerdings nur bezahlt werden sollte, wenn entsprechende Gewinne vorhanden sind. Die Tatsache, dass bei nicht ausreichend vorhandenen Gewinnen eine Kürzung des „Vorabgewinns“ erfolgen konnte, sah das Finanzgericht nicht als entscheidungserheblich an. Vielmehr hat es aufgrund einer beispielhaften Gewinnverteilung dargelegt, dass die Zahlung der Vorabvergütung für die Überlassung der Vieheinheiten zu einer erheblich abweichenden Umverteilung des Gewinns im Vergleich zur Anwendung des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels geführt hat.

Doppelte Haushaltsführung: Was bedeutet „finanzielle Beteiligung“?

Auch die rückwirkende Beteiligung an den haushaltsbezogenen Lebensführungskosten reicht aus, um das Merkmal der „finanziellen Beteiligung“ bei der doppelten Haushaltsführung zu bejahen. Das gilt auch bei einem doppelten Haushalt eines Ledigen.

Hintergrund

Der Kläger, ein lediger Arbeitnehmer, bewohnte in seinem Elternhaus zusammen mit seinem Bruder eine nicht abgeschlossene Obergeschosswohnung. Die Eltern, mit denen er keinen Mietvertrag geschlossen hatte, lebten im Erdgeschoss. Daneben unterhielt er am Arbeitsort eine gemietete Zweitwohnung. Der Kläger beteiligte sich zwar nicht an den laufenden Haus- und Nebenkosten, überwies jedoch im Dezember einen Betrag von 1.200 EUR als monatliche Kostenbeteiligung für Januar bis Dezember von je 100 EUR sowie einen Betrag von 550 EUR als Beteiligung an der Fenstererneuerung. Zudem wies er Ausgaben für Lebensmitteleinkäufe am Ort des Haupthausstandes i. H. v. 1.410 EUR nach.

Das Finanzamt lehnte den Abzug der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung ab, weil eine erforderliche Beteiligung an den laufenden Haus- und Wohnungskosten nicht rückwirkend herbeigeführt werden konnte. Die Beteiligung an der Fenstererneuerung war im Übrigen nicht verpflichtend.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klage statt und entschied, dass entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung die Erforderlichkeit einer laufenden Beteiligung an den Kosten der Haushaltsführung weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung entnommen werden kann. Auch einmalige oder außergewöhnliche Kostenbeiträge sind deshalb anzurechnen. Auf den Zahlungszeitpunkt kam es nach Auffassung des Finanzgerichts ebenfalls nicht an. Im Ergebnis beteiligte sich der Kläger oberhalb einer Geringfügigkeitsgrenze von 10 % und damit erkennbar nicht unzureichend an den haushaltsbezogenen Lebensführungskosten.

Wer nicht in der Gesellschafterliste eingetragen ist, gilt gegenüber der Gesellschaft nicht als Gesellschafter

Geschäftsanteile einer Person, die nicht in der Gesellschafterliste eingetragen ist, können nicht eingezogen werden. Denn die Eintragung in der Gesellschafterliste einer GmbH begründet eine unwiderlegbare Vermutung für die Gesellschafterstellung des Eingetragenen.

Hintergrund

An einer GmbH waren 2 Gesellschafter beteiligt: der Kläger und die A-GmbH. Die Gesellschafterversammlung beschloss mit den Stimmen der A-GmbH, die Anteile des Klägers einzuziehen. Der Einziehungsbeschluss wurde in der Folgezeit in einem gerichtlichen Verfahren für nichtig erklärt. Zwischenzeitlich übertrug die A-GmbH ihre Geschäftsanteile auf die X-GmbH, allerdings ohne die gesellschaftsvertraglich vorausgesetzte Zustimmung des Klägers. In der Gesellschafterliste wurde seitdem die X-GmbH als alleinige Gesellschafterin der GmbH genannt.

Auch die X-GmbH strengte eine Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers an. Nach erfolgloser Aufforderung an den Geschäftsführer berief die X-GmbH selbst eine Gesellschafterversammlung ein und beschloss dort die Einziehung. Hiergegen wendete sich der Kläger und beantragte die Feststellung der Nichtigkeit dieses Beschlusses.

Entscheidung

Die Berufung der beklagten GmbH hatte vor dem Oberlandesgericht keinen Erfolg. Die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers war unwirksam. Das Gericht stellte auf den Inhalt der zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste ab. Da in der Gesellschafterliste nur die X-GmbH aufgeführt war, galt nur diese im Verhältnis zur GmbH als Gesellschafterin. Daraus folgte, dass die X-GmbH die Gesellschafterversammlung einberufen und Beschluss fassen konnte. Andererseits war eine Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers nicht möglich. Denn Geschäftsanteile einer Person, die ausweislich der Gesellschafterliste nicht Gesellschafterin ist, können nicht eingezogen werden.

Nur derjenige, der in die Gesellschafterliste eingetragen ist, gilt gegenüber der Gesellschaft als Gesellschafter. Nur wer in der Gesellschafterliste auftaucht, kann Gesellschafterrechte ausüben. Das Gleiche gilt umgekehrt: Wer nicht in der Gesellschafterliste eingetragen ist, gilt gegenüber der Gesellschaft nicht als Gesellschafter. Das gilt auch dann, wenn alle Beteiligten wissen, dass der Inhalt der Gesellschafterliste materiellrechtlich falsch ist. Wer nicht als Gesellschafter gilt, kann logischerweise auch nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Der Einziehungsbeschluss war daher nichtig.

Kleinunternehmergrenze bestimmt sich nach dem Gesamtumsatz

Bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes nach der Kleinunternehmerregelung ist bei einem Händler, der der Differenzbesteuerung unterliegt, auf die Gesamteinnahmen abzustellen. Die Differenz zwischen dem geforderten Verkaufspreis und dem Einkaufspreis (Handelsspanne) ist nicht maßgebend.

Hintergrund

X erzielte in den Jahren 2009 und 2010 der Differenzbesteuerung unterliegende Umsätze aus einem Gebrauchtwagenhandel. Der Gesamtumsatz betrug 27.358 EUR bzw. 25.115 EUR, die Handelsspanne lag bei 17.328 EUR bzw. 17.470 EUR. Bis 2009 war X umsatzsteuerlich Kleinunternehmer, weil die erzielten Margen die Vorjahresumsatzgrenze für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung von 17.500 EUR nicht überstiegen. Das entsprach der bis 2009 geltenden Verwaltungsregelung. Danach war in Fällen der Differenzbesteuerung für die Vorjahresumsatzgrenze auf die Handelsspanne abzustellen.

Ab 2010 änderte sich die Verwaltungspraxis. Nunmehr waren für die Vorjahresumsatzgrenze die vereinnahmten Entgelte (Gesamtumsatz) entscheidend. Dementsprechend versagte das Finanzamt für 2010 die Kleinunternehmerregelung, da der Gesamtumsatz des Vorjahres (2009) mit 27.358 EUR die Grenze von 17.500 EUR überstieg.

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Der Bundesfinanzhof setzte das Revisionsverfahren aus und legte die Problematik dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor.

Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof entschied, dass sich die Kleinunternehmergrenze nicht nach der Handelsspanne, sondern nach dem Gesamtumsatz bestimmt. Das ergibt sich seiner Auffassung nach aus dem Wortlaut des Art. 288 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL. Dabei bezieht sich „besteuert“ nicht auf den „Betrag“, sondern auf „Lieferungen“ oder „Leistungen“.

Der Bundesfinanzhof schloss sich der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs an. Die Umsatzgrenze für die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung für einen der Differenzbesteuerung unterliegenden Wiederverkäufer bestimmt sich somit auf der Grundlage aller von dem Wiederverkäufer vereinnahmten oder zu vereinnahmenden Beträge ohne Umsatzsteuer. Damit war im Streitfall die Umsatzgrenze von 17.500 EUR überschritten. Dementsprechend war die Revision des Finanzamts begründet. Der Bundesfinanzhof hob daher das auf der Gegenmeinung beruhende Finanzgerichtsurteil auf.

Gewerbeverlust: Unternehmensidentität darf nicht unterbrochen werden

Bei einer Besitzpersonengesellschaft besteht die Unternehmensidentität so lange fort, wie sie mit der Betriebskapitalgesellschaft verflochten bleibt. Ein vortragsfähiger Gewerbeverlust geht jedoch mangels Unternehmensidentität unter, wenn die Tätigkeit nicht nur vorübergehend unterbrochen oder geändert wird.

Hintergrund

Die Geschäftstätigkeit der K-KG umfasste bis 30.6.2005 Produktion und Handel. Im Zuge einer Umstrukturierung wurde zum 1.7.2005 das Anlagevermögen der K-KG an die R-GmbH (Kommanditistin) verpachtet und das Umlaufvermögen an sie veräußert. Zum 30.6.2006 wurde der Betriebspachtvertrag wieder aufgehoben. Das Anlagevermögen wurde auf die R-GmbH übertragen. Das Betriebsgrundstück wurde an die R-GmbH vermietet.

Das Finanzamt stellte zunächst antragsgemäß auf den 31.12.2005 einen vortragsfähigen Gewerbeverlust der K-KG fest. Später vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass der festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust wegen Wegfalls der Unternehmensidentität aufgrund des Wechsels von der Produktion zur Betriebsverpachtung ab 1.7.2005 untergegangen war. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage statt.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Die für den Verlustabzug geforderte Unternehmensidentität bedeutet, dass der im Anrechnungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch ist mit dem Gewerbebetrieb, der im Jahr der Entstehung des Verlusts bestanden hat. Die Unternehmensidentität muss zwischen Anrechnungsjahr und Verlustentstehungsjahr ununterbrochen bestanden haben. Bei nicht nur vorübergehender Unterbrechung oder andersartiger Tätigkeit kann zwar eine einkommensteuerrechtlich unerhebliche Betriebsunterbrechung („ruhender Gewerbebetrieb“) vorliegen. Gewerbesteuerrechtlich entfällt jedoch die Unternehmensidentität.

Fraglich war, ob die Unternehmensidentität bei der K-KG im Erhebungszeitraum 2006 aufgrund der Aufhebung des Betriebspachtvertrags zum 30.6.2006 entfallen ist. Denn bei einer Besitzpersonengesellschaft besteht die Unternehmensidentität jedenfalls so lange fort, als sie mit der nämlichen Betriebskapitalgesellschaft sachlich und personell verflochten bleibt. Denn dann übt die Besitzpersonengesellschaft aufgrund ihrer Verflechtungen gegenüber dem nämlichen „Kunden“ (Vertragspartner) ununterbrochen eine nutzungsüberlassende Tätigkeit aus, die sich nach ihrem Gesamtbild als die wirtschaftlich identische (originär) gewerbliche Tätigkeit darstellt.

Davon ausgehend ist die Unternehmensidentität im Erhebungszeitraum 2006 möglicherweise nicht entfallen. Das würde voraussetzen, dass durch den Übergang von der Produktion zur Verpachtung zwischen der K-KG (Besitzpersonengesellschaft) und der R-GmbH (Betriebskapitalgesellschaft) eine Betriebsaufspaltung begründet worden wäre. Diese müsste trotz der erneuten Änderung ihrer Tätigkeit über diesen Zeitpunkt hinaus fortbestanden haben. Dazu fehlen allerdings ausreichende Tatsachen. Das Finanzgericht muss nun im zweiten Verfahrensgang aufklären, ob die K-KG mit der R-GmbH ab dem 1.7.2005 und über den 1.7.2006 hinaus personell verflochten war.

Wo hat ein Feuerwehrmann seine erste Tätigkeitsstätte?

Bei Einzelweisung an unterschiedliche Einsatzstellen entfällt eine Einordnung als erste Tätigkeitsstätte selbst dann, wenn ausschließlich an einer Stelle der Dienst geleistet wird. Deshalb hat ein Feuerwehrmann, der nach seinem Arbeitsvertrag verpflichtet ist, seinen Dienst an verschiedenen Einsatzstellen zu leisten, keine „erste Tätigkeitsstätte“.

Hintergrund

Der Kläger war als Feuerwehrmann angestellt und hatte seinen Dienst nach besonderer Einzelzuweisung alternativ an 4 verschiedenen Einsatzstellen zu verrichten. In einem Jahr war er ausschließlich in einer 15 km von seinem Wohnort entfernten Feuerwache eingesetzt.

In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger die Fahrten von seiner Wohnung zu dieser Feuerwehrwache hin und zurück als Dienstreisen geltend. Das Finanzamt hingegen vertrat die Auffassung, dass nur die Entfernungspauschale zu berücksichtigen ist, weil es sich nicht um Dienstreisen, sondern um Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte handelte.

Entscheidung

Das sah das Finanzgericht anders und gab dem Kläger Recht. Es entschied, dass die Feuerwache nicht als erste Tätigkeitsstätte anzusehen war. Die zugrundeliegende Vorschrift setzt voraus, dass der Betroffene

  • entweder einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet ist
  • oder dort dauerhaft mindestens je Arbeitswoche 2 volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.Im Ergebnis konnte der Kläger für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die tatsächlichen Fahrtkosten als Werbungskosten geltend machen.
  • Diese Voraussetzungen waren vorliegend nicht erfüllt. Denn der Kläger war nach seinem Arbeitsvertrag verpflichtet, jeweils nach Einzelanweisung seinen Dienst an 4 verschiedenen Einsatzstellen zu leisten. Der Arbeitgeber konnte ihn von einem Tag auf den anderen an eine der anderen Einsatzstellen beordern. Eine dauerhafte Zuordnung zu einer der Einsatzstellen lag damit ebenso wenig vor, wie eine Einsatzstelle vorrangig vor den übrigen war. Dass der Kläger rückblickend tatsächlich nur in einer Feuerwache eingesetzt wurde, war irrelevant.

Vor- und Nacherbschaft: Wie oft kann der persönliche Freibetrag angesetzt werden?

Erhält ein Erbe von demselben Vorerben mehrere Nacherbschaften, liegt insoweit nur ein Erwerb und nicht mehrere erbschaftsteuerliche Erwerbe vor. Deshalb kann der persönliche Freibetrag insgesamt nur einmal steuermindernd abgezogen werden.

Hintergrund

Die Kläger waren testamentarische Miterben zu je 1/5 nach der verstorbenen Erblasserin. Die Erbmasse bestand aus Eigenvermögen der Erblasserin und dem Vermögen aus 2 Vorerbschaften. Die Erblasserin war von ihren Eltern jeweils als Vorerbin eingesetzt. Die Nacherbfolge sollte eintreten, wenn die Vorerbin ohne Hinterlassung von eigenen leiblichen Abkömmlingen verstirbt, was auch tatsächlich eintrat. Zu Nacherben wurden die gesetzlichen Erben berufen – dies sind die Kläger.

Ausgehend von der eingereichten Erbschaftsteuererklärung setzte das Finanzamt mit Erbschaftsteuerbescheiden jeweils Erbschaftsteuer gegen die Kläger fest. Dabei berücksichtigte es jeweils einen persönlichen Freibetrag i. H. v. insgesamt 400.000 EUR. Später wurden die Bescheide geändert. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens forderten die Kläger, dass jedem parallel mehrere persönliche Freibeträge zu gewähren sind. Dies lehnte das Finanzamt ab.

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führten die Richter aus: Die Nacherbfolge wird wie 2 Erbfälle behandelt. Zunächst unterliegt der Vorerbe wie ein Vollerbe der Erbschaftsteuerpflicht. Anschließend hat der Nacherbe seinen Vermögenserwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern.

Der Nacherbe kann jedoch für die Bestimmung der auf ihn anwendbaren Steuerklasse und des Freibetrags sein verwandtschaftliches Verhältnis zum Erblasser wählen. Erbt der Nacherbe – wie im vorliegenden Fall – auch das eigene Vermögen des Vorerben, ist der Abzug eines Freibetrags über den Freibetrag hinaus, der sich nach dem Erbschaftsteuergesetz aus dem Verhältnis zum Erben ergibt, nicht zulässig. Auch in diesem Fall liegen erbschaftsteuerrechtlich nicht ein Erwerb vom ursprünglichen Erblasser und ein weiterer Erwerb vom Vorerben vor, sondern nur ein einheitlicher Erwerb vom Vorerben. Das Finanzgericht kam bei Übertragung der genannten Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass das Finanzamt zu Recht die Berücksichtigung eines über den Betrag von 400.000 EUR hinausgehenden persönlichen Freibetrags bei der jeweiligen Steuerfestsetzung abgelehnt hat.

Auch wenn der Nacherbe eine oder mehrere Nacherbschaften erhält, solange er diese – wie im Streitfall – von demselben Vorerben bekommen hat – können stets nur ein Erwerb und nicht mehrere erbschaftsteuerliche Erwerbe vorliegen. Somit kann insgesamt nur ein persönlicher Freibetrag in Anspruch genommen werden.

Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz

Der Handelsbilanzwert für eine Rückstellung bildet gegenüber einem höheren steuerrechtlichen Rückstellungswert die Obergrenze. Steuerlich ist damit der niedrigere handelsrechtliche Wert maßgeblich.

Hintergrund

Die X-GmbH betreibt den Abbau und die Verwertung von Rohstoffen. Für Verpflichtungen zur Rekultivierung von Abbaugrundstücken bildete sie in Handels- und Steuerbilanzen Rückstellungen. In der Handelsbilanz zum 31.12.2010 bilanzierte sie Ansammlungsrückstellungen (Verteilungsrückstellungen) i. H. v. 295.870 EUR, bei deren Ermittlung geschätzte Kostensteigerungen bis zum Erfüllungszeitpunkt einbezogen wurden und der so ermittelte Erfüllungsbetrag abgezinst wurde. Steuerrechtlich erfolgte die Ermittlung ohne künftige Kostensteigerungen. Der ermittelte Verpflichtungsbetrag wurde nicht abgezinst und betrug laut Steuerbilanz 330.685 EUR.

Das Finanzamt kürzte die steuerliche Rückstellung auf den niedrigeren Handelsbilanzwert von 295.870 EUR. Für den sich ergebenden Gewinn (34.815 EUR) bildete es sodann eine Rücklage für Rückstellungsauflösung.

Das Finanzgericht wies die dagegen gerichtete Klage ab. Der handelsrechtlich abgezinste Wert war für die Steuerbilanz als Obergrenze zu beachten.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigte das Finanzgerichtsurteil. Die Rückstellung war mit dem niedrigeren handelsrechtlichen Wertansatz zu berücksichtigen.

Dass der Handelsbilanzwert maßgeblich ist, ergibt sich aus den verschiedenen Methoden der Gesetzesauslegung: Die wörtliche Auslegung des Einleitungssatzes des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG „höchstens insbesondere“ ergibt keine Durchbrechung der Maßgeblichkeit. Der Wortlaut lässt vielmehr einen Wortsinn zu, der einen unterhalb des Rückstellungsbetrages nach den folgenden Buchst. a bis f ergebenden Betrag aufgrund handelsrechtlicher (oder steuerrechtlicher) Bewertungsvorschriften erfasst. Mit dem Wortzusatz „insbesondere“ hat der Gesetzgeber gerade zum Ausdruck gebracht, dass es weitere Obergrenzen gibt.

Auch die historische Auslegung anhand der Begründung des Gesetzentwurfs ergibt, dass ein niedriger handelsrechtlicher Wert zugrunde zu legen ist („Ist der Ausweis für die Rückstellung in der Handelsbilanz … niedriger als der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ergebende Ausweis, so ist der Ausweis in der Handelsbilanz für die Steuerbilanz maßgebend.“). Die systematische Auslegung führt ebenfalls zum Höchstansatz des handelsrechtlichen Bilanzwertes. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ist dahin zu verstehen, dass die handelsrechtliche Maßgeblichkeit für die Steuerbilanz nur dann und nur insoweit durchbrochen wird, als der Gesetzgeber steuerrechtliche Ansatz- oder Bewertungsvorbehalte festgeschrieben hat. Durch den „höchstens insbesondere“-Verweis sollte der Bezug zur handelsrechtlichen Bewertung weiterhin bestehen.

Dieses Ergebnis bestätigt auch der Regelungszweck. § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG verfolgt den Zweck, realitätsnähere Bewertungen von Rückstellungen zu erreichen. Dieser Zielsetzung wird auch der Bezug zum Maßgeblichkeitsgrundsatz gerecht, wenn der handelsrechtliche Wert der Rückstellung niedriger ist als der steuerrechtliche.