Änderung des Bescheids bei Fehleintragung in der Steuererklärung

Trägt ein Steuerberater die Beiträge eines Mandanten zu einer Versorgungsanstalt bewusst und unter Verkennung der steuerlichen Rechtslage in ein unzutreffendes Eingabefeld ein, stellt sich die Frage, ob eine offenbare Unrichtigkeit vorliegt. Das Finanzgericht Baden-Württemberg meint nein – eine endgültige Klärung durch den Bundesfinanzhof steht noch aus.

Hintergrund

Der Steuerberater des Klägers trug in den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2011 bis 2014 Beiträge an eine Versorgungsanstalt für Ärzte als Beiträge zu „Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht“ ein, und nicht als solche „zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen bei Nichtarbeitnehmern“. Die Beiträge wirkten sich deshalb steuerlich nicht aus, weil sie nur als beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben behandelt wurden. Das Finanzamt führte die Veranlagungen erklärungsgemäß durch, obwohl die Fehleintragungen eindeutig erkennbar waren.

Der Steuerberater beantragte die Berichtigung der bestandskräftigen Bescheide, da der falsche Zeileneintrag eine offenbare Unrichtigkeit darstellte. Das Finanzamt lehnte eine Änderung der Bescheide ab.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab dem Finanzamt Recht und entschied, dass der Fehler des Steuerberaters keine offenbare Unrichtigkeit darstellte.

Der Fehler, der dem Finanzamt bei Durchführung der Veranlagungen unterlief, hatte seine Ursache in der fehlerhaften Erstellung der Einkommensteuererklärungen durch den Steuerberater des Klägers. Der Eintrag der vom Kläger an die Versorgungsanstalt geleisteten Beiträge in die falsche Zeile durch den Steuerberater beruhte nicht lediglich auf Unachtsamkeit, Flüchtigkeit, Gedankenlosigkeit oder Abgelenktheit. Vielmehr wählte der Steuerberater in mehreren Schritten unter Zuhilfenahme eines Steuererklärungsprogramms am PC bewusst und unter Verkennung der Rechtslage das unzutreffende Eingabefeld und nahm dort den Eintrag vor. Das Finanzamt übernahm dann diesen Fehler.

Zwar ist eine Berichtigung eines fehlerhaften Steuerbescheids zulässig, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Das gilt jedoch nicht, wenn dem Steuerpflichtigen wie im vorliegenden Fall ein Rechtsanwendungsfehler unterläuft.

Geldspielautomaten: So wird die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ermittelt

Beim Betrieb eines Geldspielautomaten ergibt sich aus den Kasseneinnahmen des Aufstellers abzüglich der geschuldeten Umsatzsteuer die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Es handelt sich nicht um steuerfreie Glücksspiele.

Hintergrund

Die Klägerin verwendete ausschließlich Geldspielgeräte mit dem sog. Hopper. Diese sind von der Bauart und Technik identisch mit den in öffentlichen Spielbanken verwendeten Geldspielgeräten. Nach Auffassung der Klägerin stellten ihre Umsätze deshalb steuerfreie sonstige Glücksspiele dar. Sollten die Umsätze doch steuerpflichtig sein, konnten als Bemessungsgrundlage allenfalls der um die Ertragsteuern geminderte Kasseninhalt der Geldspielgeräte angesetzt werden.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass das Finanzamt als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer zutreffend die Kasseneinnahmen des Aufstellers abzüglich der Umsatzsteuer angesetzt hatte.

Bei Automatenaufstellern steht ohne jede Ungewissheit fest, wie hoch das Entgelt, die Kasseneinnahme, am Ende des Monats ist. Unerheblich war deshalb das Argument der Klägerin, dass die Höhe der Kassenzuflüsse ihrer Geldspielautomaten keiner festen Einbehaltensquote unterlag und sich die Kassenzuflüsse aufgrund der bauartbedingten technisch generierten Zufallsabhängigkeit des Ergebnisses eines jeden Spielvorgangs nicht mehr bestimmen lassen.

Für eine Steuerfreiheit der Umsätze der Klägerin sah das Gericht keine gesetzliche Grundlage. Insbesondere erfasst § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG nicht die Umsätze aus sonstigen Geldspielen mit Geldeinsatz, zu denen die Umsätze der Klägerin gehören, sondern nur die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL befreit lediglich Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den von jedem Mitgliedstaat festgelegten Bedingungen und Beschränkungen.

Das Entgelt für die Leistung der Klägerin bestimmte sich nicht nach dem Einsatz des einzelnen Spielers, sondern nach den monatlichen Kasseneinnahmen. Die Umsatzsteuer wurde von den Spielern als Endverbraucher an die Aufsteller gezahlt, sodass auch durch die Abwälzung der Umsatzsteuer an die Endverbraucher die von der Klägerin monierte Doppelbelastung durch Umsatzsteuer und zusätzliche Ertragsteuern nicht vorlag.

Kirchensteuer-Erstattungsüberhang bei einem Verlustvortrag

Eine Kirchensteuererstattung, die in einem Jahr nicht mit gezahlter Kirchensteuer verrechnet werden kann, wird dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet – aber erst, nachdem ein eventueller Verlustvortrag berücksichtigt wurde.

Hintergrund

Für das Jahr 2012 kam es bei den Klägern zu Kirchensteuer-Erstattungen für die Vorjahre von 166.000 EUR. Der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12.2011 betrug 13 Mio. EUR. Das Finanzamt ermittelte für 2012 einen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte ohne den Erstattungsüberhang und nahm in gleicher Höhe den Verlustabzug vor. Danach rechnete es den Eheleuten den Erstattungsüberhang von 166.000 EUR hinzu. Unter dem Strich ergab sich ein zu versteuerndes Einkommen von 148.000 EUR und eine Einkommensteuer von 61.000 EUR.

Dagegen waren die Kläger der Ansicht, dass der Kirchensteuer-Erstattungsüberhang den Gesamtbetrag der Einkünfte erhöhte und durch den anschließenden Verlustabzug neutralisiert wurde, sodass sie in 2012 keine Einkommensteuer zahlen müssten. Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzgerichts und wies die Revision der Kläger zurück.

Ein Erstattungsüberhang ist bei der gezahlten Kirchensteuer dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen. Der Hinzurechnungsbetrag erhöht jedoch nicht den Gesamtbetrag der Einkünfte. Nach dem Zweck der Regelung sollen Kirchensteuer-Erstattungen, die im Erstattungsjahr nicht mit gleichartigen Zahlungen ausgeglichen werden können, quasi wie negative Sonderausgaben behandelt werden. Kirchensteuer-Erstattungsüberhänge sollen nur noch im Jahr der Erstattung berücksichtigt werden. Der Hinzurechnungsbetrag ist deshalb an der Stelle zu berücksichtigen, an der die vorrangige Verrechnung eingreift und an der die Sonderausgaben zu berücksichtigen wären.

Die Hinzurechnung ist nach Ansicht der Richter auch vorzunehmen, wenn sich die erstattete Zahlung im Zahlungsjahr nicht steuermindernd ausgewirkt hat. Müsste in jedem Einzelfall ermittelt werden, ob und ggf. in welcher Höhe sich die erstattete Zahlung steuerlich ausgewirkt hat, würde der mit der Regelung verfolgte Vereinfachungszweck verfehlt werden.

Ausgleichszahlungen beim Versorgungsausgleich gehören zu den Sonderausgaben

Ausgleichszahlungen im Rahmen einer Scheidungsfolgevereinbarung, um Ansprüche auf einen Versorgungsausgleich abzugelten, gehören zu den Sonderausgaben und können nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften abgezogen werden.

Hintergrund

Der Kläger leistete laufende Zahlungen an ein Versorgungswerk und erwartete ab dem Jahr 2041 erstmals Renteneinkünfte daraus. Nachdem er sich von seiner Frau getrennt hatte, schloss er mit ihr eine Scheidungsfolgevereinbarung ab, um ihren Anspruch auf den Versorgungsausgleich abzugelten. Durch den entsprechenden Vertrag hatte die Frau Anspruch auf hälftigen Ausgleich des Pensionsanspruchs aus dem Versorgungswerk in Höhe von 77.720 EUR.

Der Kläger machte diesen Betrag Werbungskosten bei seinen sonstigen Einkünften geltend, da er einen Zusammenhang der Ausgleichszahlung mit seinen späteren Renteneinkünften sah. Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, da die Ausgleichszahlungen ausschließlich über einen Sonderausgabenabzug berücksichtigt werden können. Diese Abzugsvariante lehnte die Ehefrau ausdrücklich ab.

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage ab und entschied, dass die Ausgleichszahlung nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften abziehbar war. Die Abfindung der Ehefrau war durch die Ehescheidung veranlasst und lag deshalb in der privaten Sphäre des Klägers. Aufgrund einer Scheidung verursachte Vermögenseinbußen können keinen Werbungskostenabzug eröffnen. Das gilt auch dann, wenn die Zahlung als Aufwand zur Erhaltung oder zum Rückerwerb des Rentenanwartschaftsrechts gewertet wird.

Eine Berücksichtigung als Werbungskosten schied auch deshalb aus, weil der Gesetzgeber entsprechende Zahlungen den Sonderausgaben zugeordnet hat. Denn seit 2015 sind aufgrund einer Gesetzesänderung Ausgleichszahlungen zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs nur noch als Sonderausgaben abziehbar.

Zufluss einer gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderung

Gewinn- und umsatzabhängige Kaufpreisforderungen führen erst im Zeitpunkt ihrer Realisation zu einem Veräußerungsgewinn. Dies gilt auch für Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, die Einnahmen aus Kapitalvermögen darstellen.

Hintergrund

An der X-GmbH waren neben einem weiteren Gesellschafter die C-GmbH sowie die D-GmbH beteiligt. Die X-GmbH hielt zum 31.12.1998 eine Beteiligung an der A-GmbH. Im Jahr 1999 veräußerte die X-GmbH 75 % der Anteile an der A-GmbH an die B-GmbH. Die B-GmbH erhielt außerdem die alleinigen Nutzungsrechte an den durch die A-GmbH entwickelten Systemen. Der Kaufpreis setzt sich aus einem sofort zahlbaren fixen Betrag und einem „variablen Kaufpreis“ zusammen, der sich nach den Verkaufszahlen richtete und monatlich von der B-GmbH gezahlt wurde.

Für das Jahr 2009 enthielt die Gewinn- und Verlustrechnung der X-GmbH „Erträge aus variablem Kaufpreisanteil A-GmbH“. Diese sollten nach der Körperschaftsteuer-Erklärung gem. § 8b KStG außer Ansatz bleiben.

Das Finanzamt setzte die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuer-Messbetrag 2009 auf jeweils 0 EUR fest. Dabei ging es davon aus, dass der von der X-GmbH als steuerbefreit erklärte inländische Gewinn steuerpflichtig war. Denn es handelte sich um Zahlungen aus dem Anteilsverkauf des Jahres 1999, auf die § 8b KStG nicht anwendbar war.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied, dass das Einkommen der X-GmbH für das Jahr 2009 außerbilanziell zu kürzen war, denn das Finanzamt hätte die Zahlungen nach § 8b Abs. 2 KStG freistellen müssen. Danach bleiben Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft, aus dem laufende Kapitaleinkünfte fließen, außer Ansatz. Die Voraussetzungen dieser Regelung waren im vorliegenden Fall erfüllt.

Insbesondere lag eine Veräußerung des 75 %-Anteils an der A-GmbH durch die X-GmbH an die B-GmbH vor. Die zeitlich gestreckte Entrichtung des variablen Kaufpreises hatte auf die Anteilsübertragung im Zeitpunkt des Kaufvertrags in 1999 keinen Einfluss. Denn der Veräußerungsgewinn entsteht grundsätzlich im Zeitpunkt des Übergangs der wirtschaftlichen Inhaberstellung (hier 1999) unabhängig davon, ob der Kaufpreis in Raten zahlbar, langfristig gestundet oder wann er dem Veräußerer zufließt. Die variablen Kaufpreiszahlungen sind Teil des Veräußerungserlöses und damit Teil des Veräußerungsgewinns.

Bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen ist auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen, da der Veräußerer die Gewinne erst im Zuflusszeitpunkt erzielt. Daraus folgt, dass die streitigen Zahlungen zwar Teil des Veräußerungsgewinns sind, aber im vorliegenden Fall im Zeitpunkt ihres Zuflusses in 2009 nach § 8b Abs. 2 KStG außer Ansatz bleiben.

Zugewiesener Versicherungsbezirk ist kein weiträumiges Tätigkeitsgebiet

Ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet setzt voraus, dass die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche und nicht innerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers erbracht werden soll. Bei einem angestellten Versicherungskaufmann ist jedoch der zugewiesene Versicherungsbezirk kein solches weiträumiges Tätigkeitsgebiet.

Hintergrund

Der Kläger war als angestellter Versicherungskaufmann und Bezirksbeauftragter im Werbebereich der Geschäftsstelle D tätig. Ihm war für seine Tätigkeit ein Bezirk im Raum D zugewiesen. Aufgrund dieser Zuweisung hatte der Kläger eine Wohnung in D sowie ein Büro in E angemietet. Seine Fahrtkosten machte der Kläger mit der Reisekostenpauschale mit 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer geltend. Das Finanzamt sah in dem zugewiesenen Versicherungsbezirk ein weiträumiges Arbeitsgebiet und begrenzte die Fahrtkosten auf die Höhe der Entfernungspauschale.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass der dem Kläger zugewiesene Versicherungsbezirk kein weiträumiges Tätigkeitsgebiet darstellte.

Ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet liegt in Abgrenzung zur ersten Tätigkeitsstätte vor, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche und nicht innerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder bei einem vom Arbeitgeber bestimmten Dritten ausgeübt werden soll. Dies betrifft z. B. Zusteller, Hafenarbeiter oder Forstarbeiter. Dagegen findet die gesetzliche Regelung keine Anwendung z. B. bei Schornsteinfegern, Bezirksleitern und Vertriebsmitarbeitern, die verschiedene Niederlassungen betreuen. Denn diese werden zwar innerhalb eines ihnen zugewiesenen Gebietes tätig, die Tätigkeit wird jedoch nicht gebietsbezogen, sondern an wechselnden Orten auf diesem Gebiet ausgeübt.

Vorliegend bestand die Tätigkeit des Klägers innerhalb des ihm zugewiesenen Bezirks insbesondere in Kundenbesuchen und damit in einer Tätigkeit, die in den Wohnungen der Kunden stattfand, die in dem Versicherungsbezirk ansässig waren.

Rentenbezugsmitteilungen: Verspätungsgeld verstößt nicht gegen die Unschuldsvermutung

Wegen verspäteter Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen kann ein Verspätungsgeld festgesetzt werden. Dieses verstößt nicht gegen die Unschuldsvermutung. Wer dagegen klagen will, muss den Finanzrechtsweg beschreiten.

Hintergrund

Das berufsständische Versorgungswerk V übermittelte einige Rentenbezugsmitteilungen für das Jahr 2013 nicht fristgerecht der zentralen Stelle (ZfA). Die ZfA setzte dementsprechend ein Verspätungsgeld fest. Mit ihrer dagegen erhobene Klage machte V im Wesentlichen verfassungsrechtliche Erwägungen geltend.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hatte keine Einwände gegen die Festsetzung des Verspätungsgeldes. Insbesondere verstieß dieses nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Weiterhin verstieß die gesetzliche Regelung zum Verspätungsgeld, nach der den Mitteilungspflichtigen die Darlegungslast für ein fehlendes Vertretenmüssen trifft, nicht gegen die im Rechtsstaatsprinzip begründete Unschuldsvermutung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich die Unschuldsvermutung grundsätzlich auf strafrechtliche Vorwürfe im engeren Sinne. Für den Bereich der Ordnungswidrigkeiten erkennt das Bundesverfassungsgericht Einschränkungen der Unschuldsvermutung an, wenn dem Betroffenen wie beim Verspätungsgeld der Entlastungsbeweis hinsichtlich der Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auferlegt ist.

Die Unschuldsvermutung verstößt auch nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Auch bei der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vertretenen weiten Auslegung der Menschenrechtskonvention kann die verspätete Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen nicht als Straftat in deren Sinn angesehen werden. Denn für die einzelne Rentenbezugsmitteilung beträgt das Verspätungsgeld nur 10 EUR je Verspätungsmonat. Das Verspätungsgeld für alle Verfehlungen in Bezug auf einen Veranlagungszeitraum darf 50.000 EUR nicht übersteigen. Dieser Betrag liegt noch innerhalb des Rahmens, den der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als nichtstrafrechtlich ansieht.

Darüber hinaus entschied der Bundesfinanzhof, dass gegen die Festsetzung eines Verspätungsgeldes der Finanzrechtsweg gegeben ist. Es handelte sich dabei um eine Abgabenangelegenheit. Denn das Verspätungsgeld ist im Einkommensteuergesetz geregelt und bezweckt die geordnete und vollständige Festsetzung der Einkommensteuer. Das Verspätungsgeld unterliegt der Gesetzgebung des Bundes und wird auch durch eine Finanzbehörde – das Bundeszentralamt für Steuern – verwaltet.

Anspruch auf Kindergeld für EU-Ausländer

Ein Anspruch auf Kindergeld besteht für einen freizügigkeitsberechtigten EU-Ausländer nur dann, wenn er einen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nachweisen kann.

Hintergrund

Der Kläger ist polnischer Staatsbürger und Vater von 3 Kindern, die bei der Mutter in Polen leben. Er erbrachte als selbstständig Tätiger Leistungen im Inland und wurde für das Jahr 2015 nach § 1 Abs. 3 EStG zur Einkommensteuer veranlagt. Die Familienkasse lehnte die Gewährung des Kindergeldes ab, da der Kläger weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nachgewiesen hatte. Für die Monate, für die Anspruch auf Kindergeld bestand, rechnete die Familienkasse das polnische Kindergeld auf die deutsche Leistung an. Der Kläger hatte laut einem am 24.10.2016 unterzeichneten Mietvertrag ab dem 1.11.2016 mit einer weiteren Person eine Kammer mit Küche und Toilette angemietet.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass für das Jahr 2015 kein Anspruch auf Kindergeld bestand. Aus den vom Kläger für das Jahr 2015 vorgelegten Rechnungen über seine Leistungen als Gewerbetreibender schloss das Gericht, dass er sich im Inland nur vorübergehend aufhalten würde. Als Leistungszeiträume hatte der Kläger den 31.1.2015, 16.4. bis 30.5.2015 und den 4.5. bis 15.15.2015 angegeben. Die Kürze dieser Leistungszeiträume sprach dafür, dass der Kläger sich nur zur Erbringung der Leistung im Inland aufhielt und nur vorübergehend im Inland verweilte.

Ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat ein freizügigkeitsberechtigter EU-Ausländer zwar Anspruch auf Kindergeld, wenn er nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird. Bei einem Gewerbetreibenden gilt dies aber nur für die Monate, in denen er inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielt.

Für das Jahr 2016 kam das Finanzgericht zu dem Ergebnis, dass die Familienkasse zutreffend festgestellt hat, dass der Kläger ab Mai 2016 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte.

 

Betriebsstätte eines Gewerbetreibenden

Betriebsstätte ist der Ort, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht werden. Die Fahrten zur Betriebsstätte kann ein Gewerbetreibender nur mit der Entfernungspauschale geltend machen.

Hintergrund

Der Kläger betrieb ein Abbruchunternehmen als Ein-Mann-Betrieb unter der Adresse A-Stadt, B-Straße. Er selbst wohnte in A-Stadt in der P-Straße. Im Rahmen seines Unternehmens führte er Abbruch- und Reinigungsarbeiten auf dem Gelände seines einzigen Auftraggebers, der F-Firma in C-Stadt, aus. Die Fahrten nach C-Stadt unternahm der Kläger von zu Hause aus. Er nutzte für diese Fahrten zum Teil seinen im Betriebsvermögen befindlichen Pkw und führte im Übrigen die Fahrten zur F-Firma mit einem Lkw seines Vaters durch.

Das Finanzamt war der Ansicht, dass sich die einzige Betriebsstätte des Klägers auf dem Gelände der F-Firma in C-Stadt befand. Deshalb ließ es die Aufwendungen für die Fahrten des Klägers nach C-Stadt nur in Höhe der Entfernungspauschale zum Betriebsausgabenabzug zu.

 Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Zur Begründung führten die Richter aus: Geht ein Gewerbetreibender seiner Tätigkeit regelmäßig in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung seines einzigen Auftraggebers nach, sodass diese nach inhaltlichen und zeitlichen Kriterien den Mittelpunkt seiner betrieblichen Arbeit bildet, befindet sich seine Betriebsstätte auf dem Gelände des Auftraggebers. Auf eine eigene Verfügungsmacht über diese betriebliche Einrichtung kommt es nicht an. Das gilt auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall der Steuerpflichtige über eine weitere Betriebsstätte verfügt, in der er die für seine Arbeit notwendigen Gerätschaften lagert, wartet und bei Bedarf abholt sowie gelegentlich Büroarbeiten ausführt.

Vermietung von Gewerbeimmobilien: Einkünfteerzielungsabsicht kann auch bei hohen Umbauaufwendungen vorliegen

Abhängig von einer Prognose über die voraussichtliche Dauer der Vermögensnutzung und der in dieser Zeit erzielbaren Erträge und anfallenden Werbungskosten wird beurteilt, ob eine Vermietungstätigkeit zu einem Totalüberschuss führen kann. Gilt das auch, wenn der Steuerpflichtige nach einer vorangegangenen Vermietungstätigkeit eine andere Form der Vermietung aufnimmt?

Hintergrund

Die Klägerin war eine GbR und erzielte Einnahmen aus der Verpachtung eines Hotel-Gasthofs. Nachdem ein Um- und Erweiterungsbau erstellt worden war, mit dem nicht nur die Zahl der Hotelzimmer von ursprünglich 6 auf 22 Zimmer erhöht und das Restaurant sowie weitere Gebäude und Anlagen renoviert wurden, sondern auch eine Hebung des Hotelstandards von ursprünglich 2 Sternen auf 4 Sterne verbunden war, verpachtete die Klägerin den gesamten Hotel- und Gaststättenkomplex einschließlich Nebengebäude und Wohnhaus durch einheitlichen Pachtvertrag an eine Betriebs-GmbH. Vorher war bis zum Jahr 1999 nur das Hotel-Restaurant verpachtet worden.

In den Jahren 2008 bis 2010 erklärte die Klägerin – ebenso wie in den Vorjahren seit dem Erwerb 1993 – Werbungskostenüberschüsse. Im Jahr 2011 führte das Finanzamt eine provisorische Überschussprognose durch und ermittelte für einen 30-jährigen Prognosezeitraum seit Anschaffung einen Totalverlust. Deshalb erkannte das Finanzamt die Werbungskostenüberschüsse für die Streitjahre wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht nicht mehr an.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof urteilte, dass das Finanzamt und das Finanzgericht zu Unrecht bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht einen Prognosezeitraum zugrunde legte, der mit der Anschaffung des Hotel-Gasthofs begann. Die Klägerin überließ zunächst nur den Betrieb des Restaurants einem Fremdpächter. Erst nach dem Umbau und der Erweiterung verpachtete die Klägerin den gesamten Hotel- und Gaststättenkomplex einschließlich Nebengebäude und Wohnhaus an die Betriebs-GmbH. Die Vermietungstätigkeit bezieht sich von diesem Zeitpunkt an somit auf ein anderes „Objekt“. Aus diesem Grund musste die Einkünfteerzielungsabsicht neu bewertet werden.

Das Finanzgericht wird deshalb im zweiten Rechtsgang die Einkünfteerzielungsabsicht erneut zu beurteilen haben. In diesem Zusammenhang wies der Bundesfinanzhof u. a. darauf hin, dass die Höhe der Um- und Erweiterungsbauarbeiten nicht schon für sich genommen dazu führen können, die Einkünfteerzielungsabsicht in Frage zu stellen. Denn die mit einem solchen Umbau einhergehende Hebung des Hotel- und Gaststättenstandards war im vorliegenden Fall lediglich die erforderliche und angemessene Reaktion auf eine fehlende oder eingeschränkte Marktgängigkeit des Vermietungsobjekts gewesen.