Offenbare Unrichtigkeit durch Eingabefehler bei Erfassung der Steuererklärung

Ein Eingabefehler bei der Erfassung der Steuererklärung kann zu einer Berichtigung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit führen. Das gilt z. B., wenn bei einer auf Papier eingereichten Einkommensteuererklärung die erklärten Veräußerungsgewinne bei der Veranlagung vom Sachbearbeiter nicht erfasst werden.

Hintergrund

Der Kläger erklärte im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 in der Anlage G einen Verlust als Mitunternehmer sowie einen Veräußerungsgewinn. Er fügte der Erklärung die Berechnung des Veräußerungsgewinns sowie den Veräußerungsvertrag bei.

Bei der Veranlagung ließ das Finanzamt den Verlust unberücksichtigt und fertigte einen entsprechenden Vermerk auf der Anlage G. Auch der Veräußerungsgewinn blieb außer Ansatz, es erfolgte jedoch hierzu kein Vermerk auf der Anlage G.

Nachdem die Mitteilung über den Verlust eingegangen war, erließ das Finanzamt einen geänderten Einkommensteuerbescheid. Der Veräußerungsgewinn blieb erneut außen vor. Erst bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2014 stellte es den Nichtansatz fest. Der Einkommensteuerbescheid 2011 wurde wegen einer offenbaren Unrichtigkeit berichtigt. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 wegen einer offenbaren Unrichtigkeit ändern durfte.

Die gesetzliche Regelung umfasst Fälle, in denen der bekannt gegebene Inhalt des Verwaltungsakts aus Versehen vom offensichtlich gewollten materiellen Regelungsinhalt abweicht. Es muss sich also um einen Fehler handeln, der in einem sonstigen unbewussten, gedankenlos-gewohnheitsmäßigen, unwillkürlichen Vertun besteht, also z. B. einem Übersehen, falschen Ablesen oder Übertragen, Vertauschen oder Vergessen. Dagegen zählen zu den offenbaren Unrichtigkeiten nicht Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts.

Gemessen an diesen Grundsätzen stand für das Gericht fest, dass die Nichterfassung des Veräußerungsgewinns eine offenbare Unrichtigkeit darstellte. Es lag weder ein Rechtsirrtum noch eine mangelnde Sachaufklärung vor. Für jeden unvoreingenommenen Dritten war bei Einsichtnahme in die Steuerakten ersichtlich, dass der Veräußerungsgewinn ohne erkennbaren Grund nicht erfasst worden ist. Deshalb lag ein bloßer mechanischer Erfassungsfehler vor.

Folgen einer irrtümlichen Annahme der Steuerschuldnerschaft des Empfängers einer Bauleistung

Die Entscheidung über die Annahme der Abtretung des Umsatzsteuernachforderungsanspruchs gem. § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG ist eine Ermessensentscheidung des Finanzamts.

Hierbei muss das Finanzamt – ggf. wiederholend – prüfen, ob ein abtretbarer Anspruch des Leistenden gegen den Leistungsempfänger besteht, insbesondere, ob der Leistungsempfänger das Bestehen der Forderung wegen Eingreifens von Mängelgewährleistungsansprüchen bestreitet. Es ist nicht zulässig, das Bestehen bzw. Nichtbestehen des Umsatzsteuernachforderungsanspruchs erst im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens zwischen Finanzamt und Leistungsempfänger zu klären.

Hintergrund

In den Jahren 2012 und 2013 erbrachte die Baufirma A für die klagende Bauträgerin Bauleistungen. Die hierfür anfallende Umsatzsteuer entrichtete zunächst die Bauträgerin an das Finanzamt. Aufgrund der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs forderte die Bauträgerin vom Finanzamt die gezahlte Umsatzsteuer einschließlich Erstattungszinsen zurück. Daraufhin nahm das Finanzamt die Firma A durch geänderten Umsatzsteuerbescheid 2012 als Umsatzsteuerschuldner in Anspruch. A trat anschließend ihren nunmehr gegen die Bauträgerin zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer an das Finanzamt ab. Das Finanzamt nahm die Abtretung an und forderte die Bauträgerin mit Bescheid vom 11.11.2015 zur Zahlung der von A geschuldeten Umsatzsteuer auf.

Mit ihrem Einspruch machte die Bauträgerin geltend, dass Baumängel vorlagen und deshalb kein Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer bestand.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass die Annahme der Abtretung durch das Finanzamt rechtswidrig und die klagende Bauträgerin zum Einspruch berechtigt war.

Die Annahme des Abtretungsangebots der Firma A stellte einen Verwaltungsakt dar, dessen Regelungswirkung auch die Bauträgerin als Schuldnerin der abgetretenen Forderung betraf. Denn dadurch hatte sie einen neuen Gläubiger, nämlich das Finanzamt.

Die Entscheidung des Finanzamts, das Abtretungsangebot der Firma A anzunehmen, obwohl die Forderung wegen Bauleistungen infolge der Geltendmachung von Mängelgewährleistungsansprüche bestritten wurde, war ermessensfehlerhaft.

Das Finanzamt musste prüfen, ob ein abtretbarer Anspruch des Leistenden gegen den Leistungsempfänger bestand. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, ob der Leistungsempfänger das Bestehen der Forderung wegen Eingreifens von Mängelgewährleistungsansprüchen bestreitet.

Da dem Finanzamt zum Zeitpunkt der Annahme des Abtretungsangebots ein Schreiben der Bauträgerin vorlag, in welchem durch die Nutzer der Wohnungen in konkreter und ausführlicher Weise vorhandene Baumängel aufgeführt waren, hatte das Finanzamt sehr wohl einen Anlass zu einer entsprechenden Prüfung, und zwar auch ohne dass Unterlagen des Bauträgers vorlagen. Bei Annahme der Abtretung war der leistende Unternehmer A deshalb nicht schutzwürdig gewesen. Deshalb durfte sich das Finanzamt im Rahmen seiner Ermessensentscheidung auch nicht ohne Weiteres auf die Versicherung des A verlassen, wonach die abgetretenen Forderungen nicht streitbefangen waren.

Abgeltung von unfallbedingten Krankheitskosten durch Entfernungspauschale

Bisher konnten Aufwendungen für die Beseitigung von Unfallschäden bei einem Verkehrsunfall auf der Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte neben der Entfernungspauschale geltend gemacht werden. Das soll nach einem neuen Finanzgerichtsurteil nicht mehr gelten.

Hintergrund

Die Klägerin hatte einen Autounfall auf dem Weg zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. In diesem Zusammenhang entstanden diverse Behandlungskosten beim Arzt, die sie selbst tragen musste. Die Kosten machte sie neben der Entfernungspauschale in ihrer Steuererklärung geltend, da es sich ihrer Meinung nach um unfallbedingte Personenkosten und nicht Sachkosten handelte. Der Abzug wurde ihr jedoch vom Finanzamt verwehrt.

Entscheidung

Auch das Finanzgericht verwehrte der Klägerin den Abzug der Kosten. Die Richter entschieden, dass die Behandlungskosten zwar außergewöhnlich, aber trotzdem durch die Entfernungspauschale abgegolten waren. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gilt die abgeltende Wirkung der Entfernungspauschale auch für außergewöhnliche Aufwendungen wie Behandlungskosten. Darüber hinaus steht im Gesetz wörtlich, dass von der Entfernungspauschale „sämtliche Aufwendungen“ erfasst sind. Deshalb waren die unfallbedingten Personenkosten steuerlich nicht anders zu behandeln als unfallbedingte Sachkosten.

Der mit der abgeltenden Regelung verfolgte Zweck der Vereinfachung wird nämlich nur dann erfüllt, wenn auch außergewöhnliche Kosten inbegriffen sind.

Kein geldwerter Vorteil der Berufshaftpflichtversicherung für angestellte Anwälte

Beiträge, die von einer Anwaltskanzlei zu ihrer eigenen Berufshaftpflichtversicherung gezahlt werden, führen nicht zu Arbeitslohn bei den angestellten Rechtsanwälten. Das gilt selbst dann, wenn der Versicherungsschutz die Mindestversicherungssumme übersteigt und sich ausdrücklich auf die angestellten Anwälte erstreckt.

Hintergrund

Eine Rechtsanwalts-GbR schloss eine eigene Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung ab, bei der sie als Versicherungsnehmerin auftrat. Der Versicherungsschein enthielt eine Liste mit Namen der Anwälte ihrer Kanzlei, die mitversichert waren. Die GbR wählte einen Versicherungsschutz, der die Mindestversicherungssumme überstieg.

Das Finanzamt erfasst die Versicherungsbeiträge für die angestellten Anwälte als Arbeitslohn und erließ einen entsprechenden Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass den angestellten Rechtsanwälten durch die Versicherung kein Arbeitslohn zugewandt worden ist, und stufte die Lohnsteuernachforderung als rechtswidrig ein. Bloße „Reflexwirkungen“ der originär eigenbetrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers führen nicht zu Arbeitslohn bei den Arbeitnehmern.

Die Erweiterung des Versicherungsschutzes bezweckte vielmehr, dem Arbeitgeber einen möglichst umfassenden Versicherungsschutz für alle bei ihm beschäftigten Personen zu gewähren. Denn nur so können Haftpflichtrisiken aus der unternehmerischen Tätigkeit weitgehend auf den Versicherer abgewälzt werden. Die Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf Arbeitnehmer hilft, Spannungen zwischen den Arbeitsparteien zu vermeiden – sie dient also letztlich dem Unternehmenswohl.

Zudem hatte die GbR die Versicherungsbeiträge als Versicherungsnehmerin allein gezahlt, die Versicherung war von ihr im eigenen Namen und auf eigene Rechnung abgeschlossen worden und hatte ihr eigenes Risiko abgedeckt.

Wirtschaftliche Eingliederung als Voraussetzung für Organschaft

Beruht die wirtschaftliche Eingliederung, die für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderlich ist, auf Leistungen des Organträgers gegenüber seiner Organgesellschaft, müssen entgeltliche Leistungen vorliegen. Diesen muss für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche Bedeutung zukommen.

Hintergrund

Die Klägerin, eine GmbH, produzierte Funkwerbespots und synchronisierte und vertonte Film- und Videomaterial und Tonträger. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer waren in den Streitjahren G und A. Die M GmbH, deren einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer in den Streitjahren G und W waren, hielt 100 % der Gesellschaftsanteile an der Klägerin. Zwischen der Klägerin und der M GmbH bestand ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Die Klägerin ging deshalb für die Streitjahre davon aus, dass sie als in das Unternehmen der M GmbH eingegliederte Organgesellschaft keine eigene Umsatzsteuererklärung abgeben muss. Die M GmbH gewährte der Klägerin verzinsliche Darlehen und übernahm Bürgschaften für Bankdarlehen und Dispokredite der Klägerin. Ein Entgelt für die Bürgschaftsgewährung wurde nicht vereinbart.

2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der M GmbH eröffnet. Nach einer Außenprüfung erließ das Finanzamt für die Streitjahre 2007 bis 2009 erstmalige Umsatzsteuerbescheide gegen die zahlungsfähige Klägerin als „eigenständiges“ Unternehmen. Das Finanzamt ging davon aus, dass zwischen der Klägerin und der M GmbH mangels wirtschaftlicher Eingliederung keine Organschaft bestand.

Dagegen wendete die Klägerin ein, dass sie in das Unternehmen der M GmbH eingebunden war.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass die Klägerin in das Unternehmen der M GmbH zwar eindeutig organisatorisch und finanziell, jedoch nicht wirtschaftlich eingegliedert war.

Beruht die für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderliche wirtschaftliche Eingliederung auf Leistungen des Organträgers an die Organgesellschaft, müssen entgeltliche Leistungen vorliegen, denen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche Bedeutung zukommt.

Im vorliegenden Fall erfolgte die Darlehensgewährung und die Bürgschaftsübernahme nicht entgeltlich. Ein Sale-and-Lease-back-Geschäft mit nicht konzernangehörigen Gesellschaften begründete keine wirtschaftliche Verflechtung, da zwischen Klägerin und M GmbH insoweit keine direkten vertraglichen Beziehungen bestanden. Eventuelle Verwaltungsleistungen der M GmbH an die Klägerin erfolgten nicht entgeltlich und sind damit keine der Umsatzsteuer unterliegende wirtschaftliche Tätigkeit.

Zwar kann eine Eingliederung auch anzunehmen sein, wenn das Vorliegen eines der 3 Eingliederungsmerkmale (finanziell, organisatorisch, wirtschaftlich) nur zweifelhaft oder weniger stark ist, die beiden anderen Voraussetzungen jedoch erfüllt sind. Es reicht jedoch nach Ansicht der Finanzrichter nicht aus, wenn nur 2 der 3 Merkmale vorliegen. Das Merkmal der wirtschaftlichen Eingliederung lag allenfalls in sehr schwach ausgeprägter Form vor. Allein die finanzielle Unterstützung der Klägerin durch die M GmbH bewirkte noch keine wirtschaftliche Verflechtung der beiden Unternehmen.

Umsatzsteuerentstehung bei Sollbesteuerung

Muss der leistende Unternehmer bei der Sollbesteuerung die Umsatzsteuer vorfinanzieren, obwohl er das Entgelt noch nicht vereinnahmt hat? Oder entsteht die Umsatzsteuer erst, wenn das Entgelt fällig ist oder unbedingt geschuldet wird? Mit diesen Fragen hat sich der Europäische Gerichtshof auseinandergesetzt.

Hintergrund

Die Klägerin war als Spielervermittlerin im bezahlten Fußball tätig. Bei erfolgreicher Vermittlung von Profifußballspielern erhielt sie Provisionszahlungen von den aufnehmenden Fußballvereinen. Die Provisionszahlungen waren in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrags des Spielers zu leisten. Die Fälligkeit und das Bestehen der einzelnen Ratenansprüche standen unter der Bedingung des Fortbestehens des Arbeitsvertrages zwischen Verein und Spieler.

Das Finanzamt ging davon aus, dass die Klägerin ihre im Jahr 2012 erbrachten Vermittlungsleistungen bereits in 2012 versteuern muss, als sie Ratenzahlungen für diese Vermittlungsleistungen vertragsgemäß erst im Jahr 2015 beanspruchen konnte. Es erließ einen Umsatzsteuerbescheid für 2012, in dem es die anteiligen Provisionszahlungen aus der Vermittlung von Spielern, die erst im Jahr 2015 fällig waren, bereits im Streitjahr der Umsatzsteuer unterwarf. Über das Finanzgericht und den Bundesfinanzhof landete der Streit schließlich beim Europäischen Gerichtshof.

Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof entschied, dass die Umsatzsteuer unter den Umständen des vorliegenden Falls nicht zum Zeitpunkt der Vermittlung, sondern mit Ablauf des Zeitraums entsteht, auf den sich die vom Verein geleisteten Zahlungen beziehen. Die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie regelt, dass Steuertatbestand und -anspruch zu dem Zeitpunkt eintreten, zu dem die Dienstleistung erbracht wird. Dienstleistungen sind zu dem Zeitpunkt als „bewirkt“ anzusehen, wenn sie „zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass [geben]“. Das könnte für den vorliegenden Fall bedeuten, dass Steuertatbestand und -anspruch erst im jeweiligen Jahr der Ratenzahlung entstanden sind.

Ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leistung tatsächlich zu den Leistungen zählt, die „zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass [geben]“, muss der Bundesfinanzhof als vorlegendes Gericht prüfen. Dies scheint bei einer Leistung wie der im Ausgangsverfahren, die in der Vermittlung eines Spielers an einen Verein für eine bestimmte Anzahl von Spielzeiten besteht und durch unter einer Bedingung stehende Ratenzahlungen über mehrere Jahre nach der Vermittlung vergütet wird, der Fall zu sein. Daraus folgt, dass der Steuertatbestand und der Steueranspruch bezüglich einer Leistung wie der im Ausgangsverfahren nicht zum Zeitpunkt der Vermittlung, sondern mit Ablauf des Zeitraums eintreten, auf den sich die vom Verein geleisteten Zahlungen beziehen.

Keine Kürzung des Urlaubsentgeltes bei Kurzarbeit

Ordnet der Arbeitgeber Kurzarbeit an und nimmt ein Arbeitnehmer in dieser Zeit Urlaub, darf die Urlaubsvergütung nicht pauschal wegen der Kurzarbeit gekürzt werden. Arbeitet der Arbeitnehmer jedoch wegen der Kurzarbeit weniger, darf der Arbeitgeber den Urlaub kürzen.

Hintergrund

Der Arbeitnehmer war als Betonbauer beschäftigt. Sein Arbeitgeber ordnete durch Betriebsvereinbarung saisonbedingte Kurzarbeit an. Das Urlaubsentgelt für die vom Arbeitnehmer genommenen Urlaubstage sowie das Urlaubsgeld kürzte er entsprechend dem geltenden Tarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau). Dieser sieht vor, dass bei der Berechnung des Vergütungsanspruchs der Verdienst infolge von Kurzarbeitszeiten während des Erholungsurlaubs gekürzt werden darf.

Vor Gericht forderte der Betonbauer von seinem Arbeitgeber die volle Auszahlung der ihm nach seiner Ansicht zustehenden Urlaubsvergütung samt Zinsen. Er war der Meinung, dass die Kurzarbeitszeiten nicht zu einer Minderung seines Anspruchs auf Urlaubsvergütung führen durften.

Das Arbeitsgericht legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor.

Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof entschied, dass Arbeitnehmer unabhängig von früheren Kurzarbeitszeiten während ihres Mindestjahresurlaubs Anspruch auf das normale Arbeitsentgelt haben. Dieses darf nicht einfach gekürzt werden.

Nach Unionsrecht hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von 4 Wochen. Die Zahlung des Urlaubsentgelts soll den Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs finanziell in die gleiche Lage versetzen, wie in den Zeiten geleisteter Arbeit. Der Europäische Gerichtshof hob jedoch hervor, dass der Arbeitgeber dieses Entgelt nur für die Dauer des unionsrechtlich vorgesehenen Mindestjahresurlaubs zahlen muss, nicht aber für den darüber hinaus gehenden Jahresurlaub, der dem Arbeitnehmer nach nationalen Regelungen zusteht.

Für den Anspruch auf Urlaub gilt jedoch nicht das Gleiche wie für den Anspruch auf Urlaubsentgelt. Anspruch auf Jahresurlaub erwirbt der Arbeitnehmer nur für Zeiträume tatsächlicher Arbeitsleistung. Daher sind die Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub grundsätzlich anhand der Zeiträume der auf der Grundlage des Arbeitsvertrags tatsächlich geleisteten Arbeit zu berechnen. Im vorliegenden Fall kam der Europäische Gerichtshof deshalb zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Kurzarbeit nach Unionsrecht nur Anspruch auf 2 Urlaubswochen hatte, da er im Jahr 2015 insgesamt 26 Wochen lang nicht arbeitete. Die Bestimmung der exakten Dauer dieser Urlaubszeit obliegt dem nationalen Arbeitsgericht.

Folgen einer Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs auf die Grunderwerbsteuer

Wird ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht, kann eine Festsetzung der Grunderwerbsteuer nicht aufgehoben werden, wenn der Erwerber eine ihm verbliebene Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag in seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse verwertet.

Hintergrund

Die X war eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts. Sie erwarb mit Vertrag vom August 2013 von der A-GmbH ein Gebäude auf fremdem Boden. Die A-GmbH hatte das Gebäude auf einem von ihr angemieteten Grundstück errichtet. X sollte anstelle der A-GmbH in den bestehenden Mietvertrag eintreten. Nachdem die Grundstückseigentümerin die Übernahme des Mietvertrags durch X abgelehnt hatte, wollte die A-GmbH die Transaktion in einen Erwerb der Geschäftsanteile umgestalten, um den Mietvertrag unverändert fortsetzen zu können. X und die A-GmbH hoben daher in Ausübung ihres vertraglich vereinbarten Rücktrittrechts den Kaufvertrag auf. Die Gesellschafter der A-GmbH veräußerten 94 % ihrer Geschäftsanteile an die Muttergesellschaft der X und 6 % an eine im Konzern eingebundene dritte Gesellschaft.

Das Finanzamt setzte für den Erwerb des Gebäudes auf fremden Boden Grunderwerbsteuer gegen die X fest. Gleichzeitig lehnte es eine zur Aufhebung der Festsetzung führende Rückgängigmachung des Erwerbs i. S. v. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ab. Das Finanzgericht gab der Klage statt.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab. Zur Begründung führten die Richter aus: „Rückgängig gemacht“ ist ein Erwerbsvorgang, wenn der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung zurückerlangt und die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt. Wird im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Grundstückskaufvertrags das Grundstück weiterveräußert, ist entscheidend, ob für den früheren Erwerber trotz der Vertragsaufhebung die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition verblieben ist.

Dem früheren Erwerber verbleibt eine solche Rechtsposition jedenfalls dann, wenn z. B. der Aufhebungs- und der Weiterveräußerungsvertrag in einer einzigen Urkunde zusammengefasst sind. Eine Rückgängigmachung i. S. v. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist allerdings nur dann ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber eine solche ihm verbliebene Rechtsposition tatsächlich in seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse verwertet.

Der Erwerber verwertet seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag nicht nur dann zu eigenen wirtschaftlichen Zwecken, wenn er Einfluss auf den späteren Weiterverkauf des Grundstücks ausübt, sondern auch, wenn er durch seine Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag bestimmen kann, wer die Anteile an dieser Gesellschaft erwerben darf.

Im vorliegenden Fall fehlte es deshalb an einer tatsächlichen Rückgängigmachung des steuerbaren Erwerbsvorgangs. Die X verwertete ihre Rechtsposition dahingehend, dass sie den Erwerb von 100 % der Anteile an der A-GmbH durch die konzernverbundenen Gesellschaften sicherstellte. Ihr Interesse ging nicht allein dahin, sich vollständig vom Vertrag zu lösen, sondern das Gebäude wirtschaftlich für ihre Muttergesellschaft zu sichern.

Nachweis der gezahlten Umsatzsteuer für Vorsteuerabzug

Ein Unternehmer muss für den Vorsteuerabzug normalerweise die gezahlte Umsatzsteuer durch Vorlage von Rechnungen nachweisen. Der Europäische Gerichtshof musste nun entscheiden, ob auch ohne Rechnungen ein Vorsteuerabzug zulässig sein kann.

Hintergrund

Der rumänische Kläger errichtete eine Wohnanlage mit insgesamt 90 Apartments, die in der Zeit zwischen Juni 2006 und September 2008 fertiggestellt wurden. Da die vom Kläger getätigten Umsätze im Laufe des Monats Juni 2006 die rumänische Kleinunternehmergrenze überstiegen, wurde er rückwirkend beginnend mit dem 1.1.2006 umsatzsteuersteuerpflichtig. Die Finanzbehörde setzte für den Zeitraum vom 1.8.2006 bis zum 31.12.2009 Umsatzsteuer sowie Verspätungszinsen fest.

Im Einspruchsverfahren beantragte der Kläger den Vorsteuerabzug. Er war jedoch nicht mehr im Besitz der erforderlichen Originalrechnungen.

Der Kläger machte geltend, dass er ursprünglich nicht verpflichtet war, Unterlagen bezüglich getätigter Investitionen aufzubewahren. Außerdem hatte er als Begünstigter für sämtliche Lieferungen, die von den Lieferern der für die Errichtung der Gebäude erforderlichen Gegenstände und Dienstleistungen erbracht worden seien, Umsatzsteuer gezahlt. Die Steuerbehörde konnte die Zahlung dieser Beträge nicht außer Acht lassen und musste sie bei der Festlegung seiner steuerlichen Pflichten berücksichtigen. Diese hätten mangels Originalrechnungen durch ein Sachverständigengutachten bestimmt werden können.

Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof folgte den Argumenten des Klägers nicht. Nach der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie und nach dem Neutralitätsgrundsatz kann in Fällen wie dem vorliegenden ein Unternehmer, der nicht in der Lage ist, durch Vorlage von Rechnungen oder anderen Unterlagen den Betrag der von ihm gezahlten Vorsteuer nachzuweisen, nicht allein auf der Grundlage einer Schätzung in einem vom nationalen Gericht angeordneten Sachverständigengutachten das Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen. Ein solches Gutachten ermittelt allein die abzugsfähige Vorsteuer auf der Grundlage des Umfangs der Arbeiten bzw. der Arbeitsleistung, die der Unternehmer vorgenommen bzw. in Anspruch genommen hat und die zur Errichtung der von ihm verkauften Gebäude erforderlich gewesen sind. Dadurch kann jedoch nicht nachgewiesen werden, dass die Steuer auf die Eingangsumsätze auch tatsächlich gezahlt wurde.

Vielmehr muss der Unternehmer durch objektive Nachweise belegen, dass ihm andere Unternehmer auf einer vorausgehenden Umsatzstufe tatsächlich Gegenstände geliefert oder Dienstleistungen erbracht haben, die seinen der Umsatzsteuer unterliegenden Umsätzen dienten und für die er die Umsatzsteuer tatsächlich entrichtet hat.

Arbeitsunfall im Homeoffice

Ob ein Unfall bei der Arbeit im Homeoffice als Arbeitsunfall anerkannt werden kann, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Wer sich auf dem Weg in das Homeoffice z. B. bei einem Treppensturz verletzt, kann eventuell von einem neuen Urteil des Bundessozialgerichts profitieren.

Hintergrund

Bei einem Sturz auf der Kellertreppe zog sich eine Arbeitnehmerin eine Wirbelsäulenverletzung zu. Im Keller des Hauses, in dem sich die Kellertreppe befand, hatte sie ihre Büroräume. Diese waren als regelmäßiger Arbeitsort mit dem Arbeitgeber vereinbart. Am Unfalltag sollte die Arbeitnehmerin den Geschäftsführer anrufen. Das wollte sie von ihrem Büro im Keller erledigen. Beim Gang auf der Treppe nach unten stürzte sie und verletzte sich. Die Berufsgenossenschaft erkannte den Unfall nicht als Arbeitsunfall an. Ihrer Meinung nach bestand auf der Treppe zwischen privaten und geschäftlich genutzten Räumen kein Versicherungsschutz. Außerdem war der Unfall nicht bei der Ausführung beruflicher Handlungen, sondern bei vorbereitenden Handlungen erfolgt.

Entscheidung

Das Bundessozialgericht entschied anders als die Vorinstanz, dass der Sturz auf einer Kellertreppe zu Hause ein Arbeitsunfall im Homeoffice sein kann. Seiner Ansicht nach können Betriebswege bei einem Arbeitsplatz zu Hause durchaus innerhalb der Wohnung liegen und den privaten und beruflichen Teil des Gebäudes verbinden.

Zur Begründung führten die Richter aus: Der vertraglich vereinbarte Arbeitsort war die Wohnung der Arbeitnehmerin. Der Weg in den Keller erfolgte, um einer dienstlichen Weisung des Geschäftsführers Folge zu leisten, nämlich das Telefonat zu führen. Das Telefonat mit dem Geschäftsführer stellte eine Aufgabe im Interesse des Unternehmens dar.

Darüber hinaus galt die Außentür hier nicht als Grenze für Betriebswege.